2 Jahre in der Welt daheim
Seit 731 Tagen schweifen wir durch die weite Fremde, sind in der Welt daheim. Ein Grund zum Anstossen und gedanklich in unserer berauschenden Reisevergangenheit zu stöbern. Zwei Jahre unterwegs – wie fühlt sich das an? Obwohl die Liste der besuchten Länder lang ist, fast sämtliche Klamotten abgenutzt sind und wir unzählige Erinnerungen im Herzen tragen, sind unsere Reiseerlebnisse für uns mittlerweile zeitlich schwierig einzuschätzen. Ist es nicht wie in der Heimat, wo einem die verschiedenen Jahreszeiten oder bestimmte Anlässe und sonstige Gegebenheiten vertraute Anhaltspunkte vermitteln. Natürlich erleben wir ständig Besonderes und Unvergessliches, aber Wochentage, Monate oder Feiertage nehmen nicht denselben Stellenwert ein. Unser Reiseleben läuft und läuft, die Zeit verfliegt. Allerdings ist es nicht so, dass uns der heimatliche Alltag Lichtjahre entfernt erscheint, sind wir stets in Kontakt mit unseren Liebsten, wenn auch nur in der virtuellen Welt.
In den vergangenen zwei Jahren besuchten wir 20 verschiedene Länder – im ersten Reisejahr waren es 16, im zweiten sind 4 neue dazugekommen. Einige Länder streiften wir nur kurz, andere entdeckten wir ausgiebig – wir verweilten jeweils zwischen 3 Tagen und 6 Monaten. Gerade im zweiten Jahr hielten wir uns längere Zeit in riesigen Ländern auf, sahen jedoch trotzdem weniger als die Hälfte von Indonesien und Australien. Insgesamt ruhten wir an 320 verschiedenen Orten – 140 waren es im ersten und 180 im zweiten Jahr. Auf dem Globus meist in östlicher Richtung gereist, durchstreiften wir 3 verschiedene Kontinente – 6 Monate Afrika, gute 9 Monate Asien und knappe 9 Monate Ozeanien. Während wir im ersten Jahr zu zwei Dritteln in öffentliche Verkehrsmittel stiegen, verhielt es sich im zweiten beinahe umgekehrt. Zusammengezählt waren wir 11 Monate eigenständig mit einem Fahrzeug auf Achse, und 13 Monate reisten wir mit Bus, Zug, Schiff, Taxi oder Inlandflug – nach Fahrplan, oder eben nicht…
„Seid ihr noch nicht reisemüde?“, werden wir hin und wieder gefragt. Es ist nicht zu leugnen, dass sich gelegentlich eine gewisse Reisesättigung bemerkbar macht – bei mir etwas weniger wie bei Roland. Wenn wir selber hinter dem Steuer sassen, wir in einem Camper hausten und einen Kühlschrank füllen konnten, schlich sich der Reisekoller seltener ein, wie wenn wir stets erneut den Rucksack packen sowie nach einem Dach über dem Kopf und Essmöglichkeiten suchen mussten. Auch ist es Roland, dem manchmal in gewissem Sinne eine Aufgabe fehlt – etwas zu tun gibt es immer, daran liegt es nicht, geht es wohl vielmehr um eine verantwortungsvolle Beschäftigung. Mich hingegen erfüllt das Schreiben unserer Reisegeschichten und die Tätigkeit als „Reisebüro“. Unser Blog bereitet aber nach wie vor uns beiden viel Freude und schlängelt sich wie ein roter Faden durch diesen zweisamen Lebensabschnitt. Bestimmt erachten wir es später als wertvoll, in unserem Fotoalbum und Tagebuch zu schmökern und in Erinnerungen zu schwelgen.
Unser Fernweh noch nicht restlos gestillt, finden wir meistens noch immer grossen Gefallen am Weltentdecken und unserer fast grenzenlosen Freiheit. Nach zwei Jahren hat sich jedoch ein gewisser Reisealltag eingestellt und wir haben uns schlichtweg auch an unser Nomadenleben gewöhnt. Sogar der Linksverkehr, der mit Ausnahme des Mittleren Ostens und Zentralasiens überall regierte, ist uns zwischenzeitlich enorm vertraut. Zumindest wenn wir eigens ein Fahrzeug lenken, denn beim Überqueren einer Strasse sind wir noch immer verwirrt und schauen verunsichert auf beide Seiten. Als letzthin, in einem der raren Momente vor dem Fernseher, ein Auto auf der rechten Strassenseite rollte, kam uns dieses Bild zu unserem Entsetzen völlig ungewohnt, ja sogar richtig verkehrt vor…
Im ersten Reisejahr standen keine grossen Entscheidungen an. Die ersten Monate waren eingefädelt und die weiteren im Kopf zurechtgelegt, bereits vor unserer Abreise. Von Afrika nach Zentralasien – danach war alles offen, vom fernen Ziel Australien einmal abgesehen. Die Freiheit des zeitlich unbegrenzten Reisens ist zwar verlockend, doch eine grobe Vorausplanung wird stets von neuem notwendig und man kann nicht von heute auf morgen ahnungslos in ein neues Land hüpfen. Das zweite Jahr warf viele Fragen auf und die weiterführende Reiseplanung sass uns häufig im Nacken. Reisen wir überhaupt weiter? Wie lange? Wohin? Es war schwierig abzuschätzen, wie lange unsere Reiselust noch anhält, deshalb entschieden wir nicht in einem Atemzug, noch ein zweites Jahr anzuhängen, sondern etappenweise.
Diese längerfristige Planung mit der kurzfristigen unter einen Hut zu bringen, überforderte uns oftmals. Grundsätzlich lieben wir es, Reisepläne zu schmieden, doch wenn man sich bereits in einem exotischen Land befindet und einem jener Reiseführer die volle Aufmerksamkeit abverlangt, ist es weder einfach noch dasselbe. Wo es sich anerbot, nahmen wir eine Auszeit von ein paar Tagen oder Wochen, um Buchungen zu tätigen, Visa einzuholen oder uns schlau zu machen – Flugoptionen, Einreisebestimmungen, Klima, mögliche Routen… Doch wenn wir uns in einem Land befanden, wo die Aufenthaltsdauer auf nur einen Monat beschränkt war oder wir die Zeit mit einem teuren Mietfahrzeug voll ausschöpfen wollten, ging das eben nicht. Dann bereitete uns die weiterführende Reiseplanung eher Kummer wie Vergnügen.
Nach langem Abwägen am Anfang dieses Jahres entschieden, ab dem Frühling für sechs Monate durch Australien zu gondeln, machte das zweite Reisejahr komplett. Für eine Weile konnten wir uns seelenruhig treiben lassen und kümmerten uns nur noch um die darauffolgenden Tage. Das tat enorm gut, doch nach ein paar Monaten sahen wir uns wieder gezwungen, der Zukunft ins Auge zu blicken. Wie geht es im Herbst weiter? Eigentlich reif für die Heimat, war allerdings rasch klar – auf den kalten Winter möchten wir nicht in die Schweiz zurückkehren. Da warten wir lieber bis zum nächsten Frühling und überwintern irgendwo behaglich in der Ferne. Doch wo? Verschiedene Destinationen zogen wir in Erwägung, doch trotz Wälzen vieler Optionen waren wir lange unschlüssig. Aber dann, vor einem Vierteljahr, machten wir Nägel mit Köpfen…
Die Welt zu umrunden und nun von den Cook Islands weiter nach Südamerika zu fliegen, klingt in unseren Ohren äusserst reizvoll. Doch dafür fehlt uns ganz klar die nötige Energie, und ein neuer Kontinent bedingt wieder haufenweise Vorbereitung. Nicht zuletzt schreckten uns auch die teuren Flüge ab. Deshalb jetten wir aus der Südsee nochmals für eine Weile zurück nach Australien, bevor wir via Südostasien langsam unsere Heimat anpeilen. Erleichtert eine Entscheidung getroffen zu haben, organisierten wir Flüge, Camper und gewisse Unterkünfte. Fast auf einen Schlag waren die kommenden Monate aufgegleist und „verplant“ wie noch nie, was uns einerseits eigenartig vorkam. Aber es fühlte sich auch sehr befreiend und bis heute bestens an.
Den ungefähren Zeitpunkt der Rückkehr festgelegt, haben wir somit unserem unbefristeten Reisedasein ein Ende gesetzt. Auch wenn sich das Heimkommen richtig anfühlt, blicken wir den heimatlichen Gefilden nicht nur euphorisch, sondern auch mit gemischten Gefühlen entgegen. Denn unser wohlbehütetes Daheim gibt es in dem Sinne nicht mehr und muss erst wieder geschaffen werden. Am meisten freuen wir uns auf eigene vier Wände und uns wieder häuslich niederzulassen. Und unsere Familie und Freunde wieder in die Arme zu schliessen und gemeinsame Stunden zu verbringen. Selbstverständlich heissen wir auch andere Dinge willkommen, wie ein bequemes Bett, verführerische Leckerbissen, bedenkenlos vom Wasserhahn trinken zu können oder die Möglichkeit, wieder regelmässig Sport zu treiben. Generell vermissten wir weniger, wenn wir im eigenen Rhythmus in einem fahrbaren Daheim umherzogen…
Ob wir uns wieder Zurechtfinden in der kleinen Schweiz? In einem geregelten Tagesablauf? In der Arbeitswelt? Wir glauben schon, waren wir zuvor auch vielmals auf Reisen, auch wenn nicht ganz so lange. Aber die erste Zeit wird bestimmt nicht einfach, gilt es, uns beruflich und wohnlich wieder neu einzurichten. Immerhin stapeln sich unsere Möbel und Dinge – hoffentlich unbeschadet – in einem Lagerraum und wir müssen nicht alles neu anschaffen. Jobmässig hat sich bei mir viel früher als erwartet eine Türe geöffnet – im Frühling steige ich wieder bei meinem ehemaligen Arbeitgeber Globetrotter ein, was mich nach der ausgiebigen „Weiterbildung“ beflügelt. Ein erster Baustein für unsere Sesshaftigkeit in der Heimat ist somit gelegt.
Nun liegt uns noch das letzte halbe Jahr auf der anderen Seite des Erdballs zu Füssen. Einiges in die Wege geleitet und die Heimkehr vor Augen, sind wir kaum mehr reisemüde, fast eher ist das Reisefieber neu entflammt. Mit einem inneren Frieden blicken wir gespannt den nächsten Monaten entgegen. Wahrscheinlich wird unsere verbleibende Reisezeit nun rasen und das Ende schneller als uns lieb ist auf der Matte stehen. Deshalb versuchen wir, jeden Tag aufs Neue vollends zu geniessen, bevor wir wieder im Schweizer Alltag landen. Die letzten zwei Jahre verstrichen ohne grossen Zwischenfälle, und wir sowie unsere Familien blieben von Schicksalsschlägen verschont. Dafür sind wir unendlich dankbar und schätzen uns glücklich – in der Welt daheim…
Liebe Christine, lieber Roland
Spannend über eure 2 Jahre auf Weltreise zu lesen. Unglaublich, was ihr in dieser Zeit alles erlebt habt. Da sind besimmt tausende von Erinnerungen, die ihr mit nach Hause nehmt.
Es hat uns sehr gefreut, durften wir uns während eurer Reise kennenlernen. Und hey, herzlichen Glückwunsch zum Job. Das ist ja grossartig.
In dem Fall steht einem Wiedersehen im Sommer in der schönen Schweiz ja nichts im Weg :-)
Herzliche Grüsse und geniesst weiterhin eure Reise.
Reni
Liebe Reni
Wie schön von dir zu lesen – herzlichen Dank für deine Worte. Auch uns hat es sehr gefreut, euch in Australien kennenzulernen und etwas Zeit gemeinsam zu verbringen. Ein heimatliches Wiedersehen nächsten Sommer tönt gut…
Geniesst eure Zeit in Down Under – alles Gute für euch zwei!
Liebe Grüsse
Christine & Roland