Abel Tasman – von Bucht zu Bucht
Der Abel Tasman Nationalpark ist nach dem Holländer benannt, der hier vor der Küste 1642 als erster Europäer Neuseeland erblickte. Weil sein Schiff von Maori angegriffen wurde, hat er sich schnell davon gemacht und keinen Fuss an Land gesetzt. Schade eigentlich, denn er hätte an der reizvollen Landschaft bestimmt seine Freude gehabt… Goldene Sandbuchten mit glasklarem Wasser, durch Granitfelsen voneinander abgetrennt und von üppigem Busch umgeben. Der paradiesischen Verhältnisse wegen ist der kleinste der neuseeländischen Nationalparks sehr beliebt und zieht jede Menge Besucher an, die in Wanderschuhen oder im Kajak die Gegend erkunden. Ein Glück, ist die Hochsaison vorbei…
Mit jeder Kurve fahren wir etwas tiefer in die grauen Wolken hinein. Steil schlängelt sich die Strasse den Takaka Hill hoch. Endlich die Passhöhe auf rund 800 Metern erlangt, gilt es umgehend, die Haarnadelkurven auf der anderen Seite des Berges zu meistern. Zurück im Sonnenschein biegen wir später in der Ortschaft Takaka östlich in Richtung Küste ab. Schon bald bieten sich spektakuläre Ausblicke auf abgelegene Buchten. Die letzten Kilometer stauben wir über eine Schotterpiste und erreichen nachmittags Totaranui, im nördlichen Teil des Abel Tasman Nationalpark gelegen.
In Totaranui gibt es einen riesigen DOC-Campingplatz, ansonsten nichts, ausser Natur pur. Es ist die einzige über eine Strasse erreichbare Übernachtungsmöglichkeit im Nationalpark. Zu den anderen Zeltplätzen gelangt man lediglich zu Fuss oder mit dem Kanu, teilweise nur in mehrtägigen Touren… Nur ein paar Schritte trennen uns vom Strand. Die sichelförmig geschwungene Bucht ist eine Augenweide. In der Nachmittagssonne leuchtet der grobe Sand gold-orange. Am Ende der langgezogenen Bucht steigt ein schmaler Weg im Zickzack bergan, führt uns durch dichten Wald, hinunter zur nächsten Bucht. Wir schustern weiter südwärts bis zur Waiharakeke Bay, wo uns die immer näher heranrückende Dämmerung zum Umkehren zwingt. Der Abend ist mild, es ist gemütlich draussen zu sitzen. Wären da nicht die uns ständig plagenden Sandfliegen, deren Stiche äussert lästig sind und jeweils noch tagelang jucken…
Enttäuscht pressen wir unsere Nasen an die Fensterscheibe, können es kaum wahrhaben. Wolken hängen am Himmel, versprühen Regen. Der Wetterfrosch versprach doch Gutes! Als wir um zehn Uhr für die geplante Wanderung bereit sind, nimmt der Spuk zu unserer Erleichterung auch schon ein Ende. Heute nehmen wir den Küstenpfad in Richtung Norden unter die Füsse, stiefeln erneut von Bucht zu Bucht. Der ausgeschilderte Wanderweg führt auf und ab, bietet immer wieder grandiose Ausblicke auf das tiefblaue Meer. Im Wald verschluckt das laute Zirpen der Grillen beinahe das Zwitschern der Vögel. In den malerisch von Felsen eingerahmten Buchten ist es friedlich. Das kristallklare Wasser plätschert sanft vor sich hin, glänzt in verschieden grünblauen Farbnuancen. Eine traumhafte Idylle, die wir mit erstaunlich wenig anderen Menschen teilen.
Nach zweieinhalb Stunden erreichen wir den Separation Point, ein ins Meer hinausragender Zipfel. Zu beiden Seiten präsentieren sich sagenhafte Blicke auf bizarre Felsformationen und den weiten Ozean. Das Zuhause einer Robbenkolonie. Lautstark machen sie auf sich aufmerksam. Bei unserem Mittagsschmaus können wir die wilden Tiere bestens beobachten. Während sich die einen auf einem Felsbrocken genüsslich die Sonne auf den Pelz scheinen lassen, stürzen sich die anderen für eine Abkühlung in die Fluten. Immer wieder strecken die Robben ihre Flossen in die Luft – ihre graziösen Bewegungen muten wie ein Wasserballett an. Dank des klaren Wassers können wir sie sogar noch während ihres Tauchgangs verfolgen. An Land robben die walzenförmigen Viecher ziemlich unbeholfen voran, sind offensichtlich eher fürs nasse Element geschaffen…
Ein unglaubliches Spektakel. Die Sonne brennt gnadenlos, zwingt uns in den Schatten. Überwältigt machen wir uns bei mittlerweile stahlblauem Himmel auf den Rückweg. Wir überwinden erneut die bewaldeten Küstenhügel, gelangen von Bucht zu Bucht zurück. Gemächlich schlendern wir dem Totaranui Beach entlang, lassen den wunderbaren Tag ausklingen. Bevor sich der lachende Sonnenball jedoch gänzlich verabschiedet, huschen wir heim, spülen Sand und Schweiss vom Körper. Der einfache Campingplatz wartet zwar mit Duschen auf, doch das Wasser fliessen nur kalt – eiskalt…
Zurück auf der Hauptverkehrsachse in Takaka. Der kleine touristische Ort liegt am südlichen Ende der Golden Bay. Im grünen Landstrich weiden Kühe, grasen Schafe, spriessen gelbe Blumen. Für Augenblicke fühlen wir uns in die heimatliche Schweiz zurückversetzt, doch nur bis der Ozean wieder auftaucht. Zwei Stunden später liegt die Nordspitze der Südinsel vor unseren Rädern. Gegen Osten erstreckt sich eine unbesiedelte Landzunge noch 25 Kilometer weit ins Meer hinaus. Die riesige Sandbank aus mächtigen Dünen bietet ideale Lebensbedingungen für zahlreiche Vogelkolonien. Farewell Spit – ihren Namen erhielt der lange Sandstreifen im Jahre 1770 von Kapitän Cook, der damit das Ende seines Besuchs markierte.
Das Meer hat sich weit zurückgezogen, es ist Ebbe. Der flache Sandstrand ist breit, grauweiss mit silbern glänzenden Körnern durchsetzt. Sanddünen türmen sich auf, sind oft mit grünen Gräsern bewachsen. Wir fühlen uns wie Winzlinge in einem gigantischen Sandkasten, der endlos scheint und sich in der Ferne mit dem Wasser und Himmel vereint. Der Wind frischt auf, im Nu sind unsere Spuren verweht. Vorbei an Schafweiden gelangen wir wieder zum Ausgangspunkt der Rundwanderung zurück – wir hätten nicht gedacht, dass der schmale Landrücken zwischen den beiden sandigen Küsten so saftig grün bewachsen ist.
Nur wenige Fahrkilometer trennen uns vom Cape Farewell, dem nördlichsten Punkt der Südinsel. Von hohen Klippen blicken wir in die Tiefe, bestaunen den von Wind und Wasser geschaffenen Felsbogen weit unter uns. Westlich davon spazieren wir über Wiesen und steigen über losen Sand zum wellenumtosten Wharariki Beach hinunter. Die grosse Bucht ist vorwiegend ihrer imposanten Felsformationen wegen berühmt, findet den Weg in jegliche Broschüren. Unter einem Felsvorsprung entdecken wir dösende Robben. Auch wir sind müde, klettern über die Sanddünen zurück in die grünen Hügel, wo wir auf dem Campingplatz nächtigen. Eigentlich ist es eher ein Parkplatz, die Stellplätze so dicht beieinander, es fühlt sich fast an wie in einer Sardinenbüchse. Trotzdem zahlen wir nicht weniger als anderswo, die Dusche kostet extra und sogar der Abfall muss wieder mitgenommen werden – eine Frechheit. Wohin damit? Es bleibt uns nichts anderes übrig, wie den Müll auf dem nächsten Campingplatz zu entsorgen. Wir berappen wohl die exklusive Lage in der abgelegenen Hügellandschaft…
In einer Sackgasse gelandet, reisen wir am nächsten Tag wieder südwärts. In der Nähe von Takaka vertreten wir uns bei den Pupu Springs unsere Füsse. Es sei die grösste Süsswasserquelle der südlichen Hemisphäre – pro Sekunde spuckt sie 10’000 Liter Wasser aus. Ihr Wasser ist kristallklar und schimmert in verschiedenen Farbtönen. Eindrucksvoll, wir können die Pflanzen im Wasser bestens ausmachen und bis auf den Grund hinab blicken. Früher war sogar Tauchen möglich, doch heute leider streng untersagt… Es folgen die wohlbekannten engen Schleifen über den steilen Takaka Hill, wo sich heute prächtige Aussichten entfalten. Vorbei an Reben und Weingütern gelangen wir nach rund 150 Kilometern in die Region Nelson zurück. In der Sonnenstube der Südinsel geniessen wir den lauen Abend im kleinen Ort Mapua an der Küste draussen auf dem Campingstuhl…
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