Abgetaucht auf den Gilis
Einmal mehr bewältigen wir unsere nächste Reiseetappe mangels öffentlichen Verkehrsmitteln mit dem Taxi. Sind die Autos mit Taxameter ausgerüstet, kann damit jede Ecke von Lombok preiswert erreicht werden. Auch schätzen wir enorm, dass ein hartnäckiges Feilschen um den Preis wegfällt. Am Strassenrand von Senggigi warten wir nur einen Augenblick, schon sind wir unterwegs. Eine halbe Stunde später lädt uns der Chauffeur in Bangsal, im Nordwesten der Insel ab. Der Ort ist der Ausgangspunkt für die vorgelagerten Inseln, die Gilis. Taxis dürfen angeblich nicht bis unmittelbar zum Hafen düsen, für die letzten 500 Meter stehen Pferdekutschen, sogenannte Cidomos, bereit. Berüchtigt fürs Abzocken der Touristen, hat diese aufdringliche Mafia einen üblen Ruf. Stur gehen wir zu Fuss, blenden erfolgreich jegliche Zurufe aus und ignorieren auch jene, die uns ein überteuertes Fährticket andrehen wollen. Dank der Schilderung anderer Reisender wissen wir genau, wie uns zu verhalten und steuern zielsicher den offiziellen Fahrkartenschalter am Hafen an…
Der schwer beladene Holzkahn schwankt beträchtlich. Das Meer ist aufgebracht, grosse Wellen drohen ins Boot zu schwappen. Nebst einem Dutzend Touristen sind vorwiegend Einheimische und stapelweise Waren an Bord. Ich bin froh, erreichen wir nach einer Viertelstunde bereits unsere angepeilte Insel – Gili Air. Am Pier warten Pferdefuhrwerke, das einzige Transportmittel des kleinen Eilandes. Die Kutscher sind alles andere wie geschäftstüchtig, und Handeln lässt sich mit ihnen schon gar nicht. Für weniger wie umgerechnet acht Franken setzen sie ihr Gaul nicht in Trab, dösen lieber genüsslich vor sich hin. In unseren Augen ist der Preis für den kurzen Transfer quer über die Insel überrissen, doch uns bleibt keine Wahl, wenn wir nicht schwerbeladen eine halbe Stunde in brütender Mittagssonne schustern möchten. Und das möchten wir definitiv nicht…
Im ruckelnden Taxi der etwas anderen Art erhalten wir einen ersten Einblick ins verschlafene Inselleben von Gili Air. Im Nordwesten lassen wir uns absetzen, dies ist eine ruhige Ecke der Insel. Wir folgen einem Unterkunftstipp von Freunden. Die Bungalow-Anlage wirkt sehr gepflegt und in der Nebensaison ist das Preis-Leistungs-Verhältnis für unsere geräumige Hütte mit Freiluftbadezimmer einwandfrei. Obwohl das Meer in Sichtweite liegt, lockt im weitläufigen Garten ein Frischwasserpool. Aber anstelle der erhofften Abkühlung bringt uns das Nass beinahe zusätzlich ins Schwitzen – das Schwimmbad entpuppt sich als Schweissbad. Wir schwingen unsere Hintern in die Hängematten am Strand. Träge von der Tropenhitze lauschen wir schaukelnd dem Meeresrauschen, lassen die Seele baumeln und unsere Gedanken mit der Brandung weg tragen…
Noch vor zwanzig Jahren wurden die Gilis als Geheimtipp gehandelt. Travellers auf Bali erzählten sich von drei flachen Inselchen, sogenannten Gilis, vor der Küste von Lombok mit weissen Stränden und kristallklarem Wasser. Sie berichteten von einer entspannten Abgeschiedenheit weitab touristischer Routen. Heute trifft man nicht mehr nur jene Traveller, die in einer Hängematte auf der Veranda einer einfachen Holzhütte entspannen, sondern auch auf Taucher, Nachtschwärmer, Familien und Rentner. Aber dennoch haben die Gilis ihre entspannte Atmosphäre bewahrt… Die grösste und meistbesuchte der drei Inseln ist Gili Trawangan, welche sich als Partyinsel einen Namen gemacht hat und im Westen der Inselgruppe liegt. In der Mitte eingeklemmt liegt Gili Meno, die kleinste und ruhigste der Gilis, und im Osten Gili Air, wo wir gestrandet sind. Es ist die der Küste von Lombok am nächsten gelegene Insel, wo sich Lebhaftigkeit und Beschaulichkeit vermischt.
Motorisierter Verkehr gibt es auf keiner der drei Gilis, glücklicherweise haben wir für einmal Ruhe vor laut knatternden Rollern. Gemütlich schlendern wir auf sandigen Strässchen einmal um das Eiland, welches rundherum fünf Kilometer misst. Gelegentlich überholt uns eine Pferdekutsche oder ein Fahrrad. An vielen Ecken werden Zweiräder vermietet, doch der Sand ist an gewissen Stellen tief, was das Vorwärtskommen erheblich erschwert. Vertrauen wir besser auf unsere Füsse… Rund um die Insel haben sich zahlreiche Unterkünfte und Restaurants angesiedelt, die dichteste Ansammlung finden wir im Südosten, wo auch der Fähranleger liegt. In dieser Gegend modert auch der meiste Unrat vor sich hin, die Brise trägt uns gelegentlich einen übelriechenden Mief in unsere Nasen. Auf der Insel noch mit Sonnenschein gesegnet, präsentiert sich der Blick hinüber aufs Festland – ähm, Lombok ist zwar auch eine Insel! – schwarz verhangen. Der Vulkan Rinjani, der höchste Gipfel Lomboks, zeigt sich dick eingehüllt. Werden sich die fetten Wolkenschwaden auch über den Inseln entleeren? Doch mehrheitlich bleiben wir hier von Niederschlägen verschont…
“Welcome to my office”, juchzt Hendra beim Sprung vom langen Boot. Anstelle die Schule abzuschliessen und später an einem Bürotisch zu enden, bevorzugt unser Tauchguide das Entdecken der Unterwasserwelt. Langsam gleiten wir zu dritt in die Tiefen des Ozeans. Enttäuschung macht sich breit – das Riff wirkt ziemlich farblos, die Sicht ist trüb. Eine sanfte Strömung treibt uns über einen düsteren Korallenfriedhof. Bestimmt sind wir verwöhnt von den fantastischen Korallengärten im kürzlich besuchten Komodo und von weiteren Tauchspots dieser Welt, doch die toten Korallen sind keine Augenweide und stimmen uns auch traurig. Eine Handvoll Schildkröten erhellt unsere Mienen. Oft verharren die fabelhaften Meeresbewohner reglos im Riff und wir können deren mächtige Panzer eingehend bestaunen. Immerhin macht der Tauchplatz „Turtle Heaven“ seinem Namen alle Ehre… Auch der zweite Tauchgang erinnert mich eher an den düsteren kahlen Bodensee, wie an ein Tropenriff. Doch lauwarmes Wasser von nahezu 30 Grad umspült uns angenehm und lässt uns nicht zweifeln, uns in einen Schweizer See verirrt zu haben. Auch wenn die Korallen kein Lob verdienen, begegnen uns immerhin interessante Geschöpfe. Das Aufspüren eines Drachenkopfes ist ein Glückstreffer und stets von neuem ein Highlight, ähneln diese gut getarnten Fische einer Koralle und passen sich farblich ihrer Umgebung an.
Freitag – muslimischer Sonntag. Heute fällt der Tauchgang vormittags aus, denn am Mittag ruft der Muezzin zum wichtigsten Gebet der Woche auf. Am Nachmittag tauchen wir am Hausriff, welches unweit vom Strand vor unserer Nase liegt. Der Tauchspot, getauft auf den Namen „Air Wall“, lässt zweifelslos auf eine Steilwand schliessen. Doch das Korallenriff ist lediglich flachabfallend und verdient seinen Namen in keiner Weise. Auch „Air“ ist nicht ausreichend vorhanden, zeigt Hendra uns nach einer Viertelstunde bereits an, dass er seine Pressluftflasche leergesogen hat. Unglaublich, unser Tauchguide hat vergessen seine Flasche auszutauschen und ist mit einer angebrochenen ins Wasser gehüpft – seine Gedanken waren wohl noch immer bei Allah. Uns Tauchern predigt er eindringlich, die Ausrüstung doppelt zu checken. Etwas gelangweilt warten wir in der Tiefe, bis er auf dem Boot zwanzig Meter über uns eine gefüllte Flasche montiert hat. „Das geht gar nicht“, ärgert sich Roland nach dem Tauchgang kopfschüttelnd.
“Wo ist nur das besagte Wrack?”, frage ich mich ständig, währenddessen wir erneut über ein mehr totes wie lebendiges Riff paddeln. Auch heute läuft vor unseren Augen wieder ein verstaubter Schwarz-Weiss-Film ab. Manchmal erfreuen uns wohlgemusterte Nacktschnecken – kleine Farbtupfer in der Einöde. Nach über einer halben Stunde unter Wasser lassen sich vage die Umrisse eines Schiffs ausmachen. Das versprochene „Bounty Wrack“ gerät endlich in unser Blickfeld. Wow! Das Wrack ist reizvoll mit Korallen bewachsen und wird von bunten Fischen umzingelt. Mehrere Fischschwärme zieren den gesunkenen Kahn, wiegen harmonisch im Wasser. Ein wunderschöner Fleck – wir hätten nicht mehr daran geglaubt, dass dies in den Gilis möglich ist. Erst einen Bruchteil des Wracks in Augenschein genommen, deutet uns Hendra an, aufzutauchen. Dem dritten Taucher in unserer Gruppe droht demnächst, die Luft auszugehen. Das kann es doch nicht sein! Entsetzt bin ich nicht wegen unserem luftsüchtigen Taucher, aber wegen unserem Führer. Ich kann es absolut nicht verstehen, warum wir erst so lange über das öde Riff schwebten, wo uns hier ein glanzvoller Spot erwartet. Mir ist zum Heulen zumute. Was haben wir mit Hendra wohl sonst noch alles verpasst? Ist die Unterwasserwelt hier letztendlich ansehnlicher wie erlebt?
Das Bier vermag unseren Frust etwas hinunterzuspülen. In einem der einfachen Lokale direkt am Sandstrand gönnen wir uns einen Sundowner, räkeln uns in den weichen Sitzkissen. Doch ein stimmungsvoller Sonnenuntergang bleibt uns auch am letzten Abend vergönnt, viele Wolkenschlieren kleben am Horizont. Erst als sich die Sonne längst im Verborgenen verabschiedet hat, geben die grauen Schwaden ein Fenster frei und lassen den Himmel feuerrot aufflammen. Wir geniessen die abendliche Stimmung. Das sanft plätschernde Wasser wird leider meistens von der aus Boxen rieselnden Musik übertönt. Schnell bricht die dunkle Nacht herein. Die sandigen Inselpfade sind nur spärlich oder gar nicht beleuchtet, unsere Taschenlampe lässt uns den Heimweg trotzdem finden…
Die Fülle an Schnellbooten nach Bali ist unüberschaubar, verschiedene Gesellschaften bieten ihre Dienste an. Preise und Abfahrtszeiten variieren jedoch kaum. Wir warten am Hafen, bis unser Schiff aufkreuzt. Hastig kommt der Ticketverkäufer angerannt und verfrachtet uns in letzter Minute auf das Boot eines anderen Anbieters, warum auch immer. Wir sind erleichtert, heute ein glattes Meer anzutreffen und dass die rasante Fahrt ruhig verläuft. Der Ozean zwischen Lombok und Bali ist bekannt für hohen Wellengang, insbesondere in der Regenzeit. Ganz ohne Zwischenfälle überstehen wir die Passage jedoch nicht. Mehrmals streikt einer der Motoren. Mitten auf dem Meer wird geschraubt, bis wir stotternd wieder loslegen können. Diese offensichtlich schlecht gewarteten Schnellboote stehen immer wieder unter Kritik. Tief atmen wir auf, als wir eine gute Stunde später in Amed, an Balis Ostküste ankern. „Are you Christine?“, fragt uns ein sympathischer Kerl lächelnd. Wider Erwarten klappt es sogar mit dem versprochenen, im Tarif inkludierten Transfer. Binnen Minuten sind wir auf Fahrt in Richtung Norden, peilen das nicht weit entfernte Tulamben an. Die Strecke ist regelrecht mit am Strassenrand herumliegenden Abfall verunstaltet – grauenvoll. Wenn diesbezüglich nichts geschieht, wird Bali einst im Müll versinken…
Dear Christine and Roland,
Unfortunately we didn’t see you the day before yesterday after all, but through Google i found your blog. Can’t understand everything, but i can digitally follow you in New Zealand. :)
It was really nice meeting you. I hope your ferry will be ok on Wednesday (it took us over 9 hours, only one of the engines worked).
Take care!
XX Anja (and Marcel)
Dear Anja and Marcel
Hey, what a surprise! Thank you very much for your comment. Yes, we didn’t see each other again on your last evening… Yesterday the ferry came and today we left the islands – so you could have stayed as well!
We wish you happy travel & take care
Christine & Roland