Atemberaubende Drakensberge
Um die lange Fahrt in die Drakensberge zu unterbrechen, planen wir rund 200 Kilometer südlich von St. Lucia einen Zwischenstopp ein. Ballito ist ein an der Küste gelegener Ferienort und kommt nicht besonders afrikanisch daher. Eine Flut von hässlichen Hotels und Apartmentburgen dominieren den Strand. Das Baden im Meer ist verboten, da es keine Hainetze gibt. Ein paar mutige Surfer reiten trotzdem die grossen, rollenden Wellen. Nur wenige Gehminuten vom Strand befindet sich unsere Oase für diese Nacht – ein begrünter Campingplatz mit vielen Palmen und tropischen Pflanzen.
Von Ballito ist es nur noch einen Katzensprung bis nach Durban, der grössten Stadt von der Provinz KwaZulu-Natal. Wie ein riesiger Häuserteppich breitet sich die Millionenstadt in den Hügeln aus. Uns ist jedoch nicht nach Stadt zumute und wir umfahren Durban grosszügig auf der gut ausgebauten Autobahn. Die Strecke in die Drakensberge führt Richtung Norden und steigt allmählich an. Auf dem Pannenstreifen der dreispurigen Autobahn preisen mehrere Verkäufer grosse Säcke abgefüllt mit irgendwelchen grünen runden Früchten an – bei uns unvorstellbar. Auch Anhalter stellen sich in die Abgasdüfte und versuchen ihr Glück. Es ist Sonntag, aber trotzdem kämpfen sich auffallend viele brummende Lastwagen in die Höhe.
Der Kilometerzähler zeigt über 300 Kilometer mehr an, als wir unser heutiges Ziel erreichen. Der Royal Natal Nationalpark liegt am nördlichen Ende der Natal-Drakensberge.
Das Bergmassiv erstreckt sich über ca. 150 Kilometer entlang der Grenze zu Lesotho und bildet die grösste und höchste Bergkette im südlichen Afrika. Der höchste Gipfel mit 3482 Meter liegt im Königreich Lesotho – der höchste Berg Südafrikas, der Mafadi Peak, ist mit 3446 Meter fast so hoch. Die gesamten Drakensberge bilden ein über 1000 km langer Gebirgszug und erstrecken sich vom Nordosten westlich des Krügerparks bis zur Ostgrenze Lesothos im Süden. Der Namen Drakensberge leitet sich aus früheren Legenden ab, als man meinte, dass Drachen die Bergwelt beherrschten.
Auf dem Campingplatz können wir erste Blicke auf die hoch aufragenden, aber teils wolkenbedeckten Felswände erhaschen. Obwohl wir uns mittlerweile in einer Höhe von rund 1500 Metern befinden, herrscht eine drückende Hitze. Der starke Wind bläst wie ein heisser Fön. Wir sind völlig überrascht, denn wir haben gemässigtere Temperaturen erwartet. Nachts um zehn Uhr zeigt das Thermometer noch warme 27 Grad an.
Das Wanderparadies lockt uns früh aus den Federn. Der Himmel ist stahlblau. Der Parkplatz ist noch leer, wir sind die ersten, die für den Gorge Trail aufbrechen. Die Sonne steht um morgens sieben bereits hoch am Himmel, mir kommt es vor wie mindestens neun Uhr. Schon bald ziehen erste Wolken auf und wir wünschen, wir wären noch früher aufgebrochen. Der gut unterhaltene Wanderweg führt langsam bergauf. Wie friedvoll es ist, lediglich der plätschernde Fluss und das Vogelgezwitscher bilden die Geräuschkulisse. Die Farbpalette der überwachsenen Berge reicht von hell- bis dunkelgrün, durchzogen von verschiedenen Brauntönen. Wir wandern dem landschaftlichen Höhepunkt immer näher entgegen. Bald bieten sich beste Blicke auf die als Amphitheater bezeichnete, fünf Kilometer lange, sichelförmige Bergwand, deren Felsen stellenweise über 500 Meter tief senkrecht abfallen. Auch die weiteren, über 3000 Meter hohen Gipfel bestimmen das Panorama der Bergkette. Ein perfekt inszeniertes Landschaftsbild…
Der Wolkenvorhang zieht immer mehr zu. Wir erreichen die Thukela Gorge, eine gewaltige Schlucht. Eine Eisenhängeleiter führt senkrecht den Fels hinauf, um verborgenere Teile der malerischen Schlucht entdecken zu können. Hätte es genügend Wasser, würde sich ein Wasserfall von der massiven Felswand des Amphitheaters in die Tiefe stürzen. Aber jetzt ist nicht einmal ein Rinnsal auszumachen. Nichts desto trotz, die imposante Schlucht gefällt uns vorzüglich. Nach den anstrengenden Kletterpartien gönnen wir uns eine Pause und stärken uns mit ein paar Leckereien aus dem Rucksack, bevor wir den Rückweg unter die Füsse nehmen.
Das Wetter hat umgeschlagen – die Temperatur heute Abend beträgt nur noch ein Drittel der Temperatur von gestern. Am nächsten Morgen werden wir aber erneut mit einem tiefblauen Himmel entschädigt. Wir begeben uns auf eine zweite Tageswanderung. Der Weg führt direkt vor unserer Türschwelle in die Höhe. Wiederum präsentieren sich grossartige Blicke auf das Gipfelparadies. Wir haben einen der seltener begangenen Pfade ausgewählt und treffen den ganzen Tag auf keine weiteren Wandervögel. Das Minus sind die schlecht unterhaltenen, etwas mühsamen Wegabschnitte, aber wir beissen durch. Endlich nimmt das langgezogene Dooley Tal ein Ende. Wir erklimmen den Little Berg und befinden uns auf etwa 2200 Meter Höhe. Nun sind wir mittendrin in der Bergwelt und geniessen einen freien Blick auf die Felstürme der Dreitausender mit dem Amphitheater. Wow, was für ein grossartiger Weitblick von 360 Grad sich uns bietet – schlichtweg atemberaubend.
Um einen weiteren Blickwinkel der Drakensberge zu gewinnen, quartieren wir uns in Monk’s Cowl, benannt nach einem der hohen Berggipfel, ein. Etwa 50 Kilometer weiter südlich befinden wir uns nun in den zentralen Natal-Drakensbergen. Der alles überragende, flache Gipfel ist der Champagne Castle, der zweithöchste Berg Südafrikas. Trotz seinen stolzen 3377 Metern hält er sich aus unserer Perspektive etwas versteckt. Vom Campingplatz bietet sich aber bester Blick auf den bizarren Cathkin Peak mit 3148 Metern und den umliegenden Gebirgszügen. Ganz allein hausen wir hier, was uns überrascht, aber in keiner Weise stört, im Gegenteil. So geniessen wir die Ruhe, die strahlende Sonne und das grossartige Panorama in vollen Zügen.
Es muss eine sehr kalte Nacht hinter uns liegen, in unserem Schlafzimmer herrschen empfindlich kühle zehn Grad. Wir trauen uns kaum aus den Federn. Ich koche einen Porridge, um uns von innen einzuheizen. Die ersten Sonnenstrahlen wärmen aber bereits kräftig und wir können uns bald aus unseren Kleiderschichten schälen. Ein Prachtstag liegt vor uns. Unser heutiges Wanderziel ist der Blindman’s Corner auf 2100 Metern. Ein steiler Pfad windet sich entlang den Bergen hoch, bis wir auf einer grünen, weiten Ebene angelangen. Leicht bergan führt uns der Weg immer näher den hohen Gipfeln entgegen. Bis weit hinauf sind die Berge bewachsen, wirken wie mit grün schimmerndem Samt überzogen – eine Augenweide. Und dieses Wetter, wir können es kaum glauben. Von morgens bis abends herrscht heiterer Sonnenschein, ohne eine einzige Wolke am Horizont. Ein fantastischer Tag…
Die Drakensberge begeistern uns voll und ganz, aber bestimmt haben wir dies auch Petrus zu verdanken, der uns solches Wetterglück beschert hat. Wo geht es morgen hin? Wir sind hin- und hergerissen zwischen weiteren Tagen in dieser wundervollen Bergwelt oder der Weiterfahrt zurück an die Küste, um unsere Reise in südwestlicher Richtung fortzusetzen. Wir können uns heute nicht entscheiden, so schlafen wir eine Nacht darüber…
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