Auf dem Weg nach Tanzania
Nur wenige Schritte trennen uns vom Hafen. Unsere Bleibe in Nkhata Bay ist für die Anreise mit dem Schiff ideal gelegen – natürlich auch für die Abreise. Somit entscheiden wir uns, den kleinen Ort an der Küste wieder auf dem Seeweg zu verlassen. Auch können wir so eine weitere Fahrt in einem vollgepackten Minibus umgehen, worüber wir nicht traurig sind. Die Fähre hingegen ist viel langsamer unterwegs und wir beanspruchen für die heutige Reiseetappe in Richtung Norden doppelt soviel Zeit – einen ganzen Tag. Aber an Zeit mangelt es uns nicht…
Frühmorgens, pünktlich um sieben Uhr, schnurrt der Motor der alten Fähre – wir legen ab. Wir freuen uns auf die gemächliche Fahrt mit der Ilala, mit der wir bereits vor einer Woche Bekanntschaft geschlossen haben. “Hello my friend”, begrüsst uns der Kellner überschwänglich – er erkennt uns offensichtlich wieder, wir halten einen Schwatz ab. Zu dieser Jahreszeit sind nur wenig Touristen auf der Fähre unterwegs und deshalb fallen wir natürlich auf. Während Roland ein paar Bilder schiesst, bittet mich ein Passagier um ein Foto. Stolz lächelt der Mann in die Kamera, winkt uns noch mit auf das Bild. Begeistert betrachtet er sich im Display und möchte, dass wir ihm die Fotos senden. Gerne, kein Problem – wir geben ihm unsere E-Mail-Adresse und er verspricht, sich bei uns zu melden.
Geruhsam gondeln wir nahe dem Ufer entlang. Die Landschaft ist gebirgig, grüne Bergketten ziehen gemächlich an uns vorbei. Leider ist es bewölkt, von der Sonne fehlt jede Spur. Vor uns macht sich die graue Wand immer breiter, wir schippern inmitten ein Unwetter. Plötzlich giesst es in Strömen, wir steigen vom offenen Oberdeck in die geschützten vier Wände des Speisesaals, um nicht klatschnass zu enden. Uns umgibt mittlerweile ein dichter grauer Vorhang – wir harren der Dinge. Nach einer Weile versiegt der Regen endlich und wir klettern an Deck, um wieder frische Luft zu schnappen. Das Wetter bleibt den ganzen Tag verhangen, das Wasser aber immerhin ruhig. Heftige Stürme mit einem aufgebrachten Malawisee sind nämlich keine Seltenheit – das Gewässer gilt als heimtückisch.
Immer wieder stoppt das Schiff in kleinen, abgelegenen Dörfern an der Küste, zu denen keine oder nur eine schlechte Piste führt. Für viele Einheimische ist die Ilala somit DAS Transportmittel. Heute sind nebst zahlreichen Passagieren noch 100 schwere Säcke Mais an Bord – die Fähre fungiert auch als Versorgungsschiff. Die Entladung nimmt viel Zeit in Anspruch, wir handeln eine Verspätung ein. Aber einmal mehr ist es spannend, das afrikanische Treiben von oben zu beobachten. Mittlerweile bricht die Nacht herein, noch immer gleiten wir nordwärts unserem Ziel sowie dem Endziel der Ilala entgegen – Chilumba.
Bei Dunkelheit legen wir abends um acht im Hafen an. Die Suche nach einem Taxi stellt sich als mühsames Unterfangen heraus. Der Herr der Lodge entgegnete am Telefon auf meine Bitte, uns einen Fahrer zu schicken: “Da warten genügend Taxis, kein Problem.” Nach einem Fussmarsch gelangen wir in eine düstere Strasse mit kleinen Läden und Bars, wo uns vermeintliche Taxifahrer zwar ihren Service anbieten, aber gleichzeitig ein Bier in der Hand halten. Eine unangenehme Situation – was nun? Nichts überstürzen und in aller Ruhe entscheiden, wem wir am ehesten vertrauen können. Schlussendlich sitzen wir in einem Auto, ein schlechtes Gefühl mit dabei, und lassen uns zur rund zwanzig Kilometer entfernten Unterkunft chauffieren. Manchmal ist das Reisen abenteuerlicher als einem lieb ist…
Erst am nächsten Morgen lässt sich sehen, wo genau wir eigentlich gelandet sind. Die südlich von Chilumba gelegene, kleine Lodge breitet sich in einer Bucht unmittelbar am Malawisee aus. Eine Handvoll hübscher, rustikaler Bungalows liegt leicht erhöht am Hang, das Restaurant und die Sitzgelegenheiten unten am Sandstrand. Wieder einmal sind wir die einzigen Gäste und haben das ganze Reich für uns allein. Nebst einem erfrischenden Bad im blauen Nass widmen wir uns vor allem unserem Blog und machen uns schlau über den weiteren Verlauf unserer Reise – zwei ruhige, entspannte Tage verstreichen in Nu.
Noch 120 Kilometer trennen uns von der Grenze zu Tanzania. Minibus oder Taxi? Wir erkundigen uns in der Lodge nach dem Preis eines Fahrers und erhalten wider Erwarten ein günstiges Angebot, welches wir nicht ausschlagen können. Unser junger Fahrer Tovtov pflegt einen umsichtigen Fahrstil, was wir zu schätzen wissen und hierzulande keineswegs selbstverständlich ist. Durch die geöffneten Autoscheiben bestaunen wir die wundervolle Hügellandschaft und bereuen für einen Augenblick, das Hochland aus unserer Reiseroute gestrichen zu haben. Die Erreichbarkeit ist jedoch schlecht, die rauen Schotterstrassen in der Regenzeit in einem noch schlechteren Zustand wie sonst. Und die uns entgegenkommenden überladenen Minibusse erinnern uns schnell wieder daran, weshalb wir uns vor allem auf den Schiffsverkehr konzentriert haben…
Auf unserer Fahrt in nördlicher Richtung passieren wir sage und schreibe sechs Polizeikontrollen. Meistens wird Tovtov nach einem kurzen Wortwechsel durchgewunken, aber einmal fürchten wir, wieder auf dem Posten zu landen. Aber der sympathische Fahrer erfüllt vollumfänglich – Führerschein, gültige Versicherung, Pannendreieck, Feuerlöscher – der Beamte ist zufrieden und wir sind beeindruckt. Tovtov ist ein aufgeschlossener Kerl und wir plaudern mit ihm über dies und das. Kurz vor der Grenze meint er: “Malawi is a poor, but peaceful country”. Ja, das ist es wohl – so haben wir das Land in den vergangenen drei Wochen zumindest erlebt.
Das Ausreiseprozedere gestaltet sich reibungslos. Es gibt sogar eine Wechselstube und somit können wir auf einen Geldtausch bei den Schlitzohren auf der Strasse verzichten. Aus einem dicken Bündel Kwachas wird ein etwas weniger dickes Bündel Schilling. Die Tanzanischen Schillings weisen zwar noch eine Null mehr auf, aber immerhin entspricht die grösste Note nicht nur einem sondern fünf Dollar – wir sind erleichtert. Am Grenzposten auf der anderen Seite erhalten wir unser Visum blitzschnell, sogar mit einem Lächeln und ein paar netten Worten. Karibu – willkommen in Tanzania!
Für die Weiterfahrt in die nächste Stadt – Mbeya – gibt es Minibusse. Aber zu unserem Erstaunen ist der Bus gar nicht so mini wie in Malawi und fährt kurz nach dem Einsteigen los, obwohl er noch halbleer ist. Ein Kerl macht vor Roland die hohle Hand und fordert einen überrissenen Fahrpreis – das Zehnfache. Wir realisieren natürlich nicht, dass es sich nicht um den Ticketverkäufer handelt, sind auch mit der neuen Währung noch nicht vertraut, fragen aber skeptisch: “Is this really the price?” Die Leute rund um uns erfassen die Situation bald und halten uns von einer Zahlung ab. Der dreiste Typ ist nix wie weg und im Bus bricht über unsere Köpfe hinweg eine grosse Diskussion aus. Die lokalen Passagiere sind aufgebracht und scheinen noch entsetzter wie wir selbst…
Auf der Strecke hält der Bus immer wieder an, Menschen steigen ein und aus, stehen zeitweise auch dicht gedrängt im Gang, aber man gönnt uns stets einen igenen Sitzplatz. Das heutige Busfahren gestaltet sich somit viel angenehmer wie in Malawi, was uns natürlich lieb ist. Die Fahrt führt durch eine atemberaubende Gegend, wir kurven in hügeliger, üppig grüner Landschaft, in der Ferne lassen sich hohe, schroffe Bergketten ausmachen. Bananenbäume soweit das Auge reicht – so erstaunt es nicht, dass bei den Stopps überall Bananen durchs Busfenster angeboten werden. Auch wir langen zu und stillen unseren Hunger mit einem Bund der kleinen süssen Schalenfrüchte.
Nach drei Stunden treffen wir gegen Abend müde am Ziel ein. Mbeya ist eine Grossstadt mit mehreren hunderttausend Einwohnern, was wir zwar kaum glauben können. Das Zentrum der Stadt ist erstaunlich grün und wirkt schon fast ländlich, weder viel Verkehr noch eine Hektik sind auszumachen. Gemütlich lässt sich durch die Strassen flanieren, viele Bäume blühen in einem kräftigen Gelb – eine Augenweide. Die Stadt liegt auf rund 1700 Metern und ist von Bergen umrahmt. Am Abend kühlt es etwas ab, Temperaturen von 20 Grad bringen uns bereits zum frösteln. Nach vielen Wochen um die 30 Grad – tagsüber wie auch nachts – ist dies wohl nicht weiter erstaunlich.
Reich an Sehenswürdigkeiten ist die Stadt nicht. Wir machen hier lediglich Halt, da wir ein Zugbillett für den legendären Tazara nach Dar es Salaam ergattern möchten. Die Schlafwagenabteile der ersten Klasse seien jeweils gut gebucht, aber wir versuchen unser Glück für die Fahrt von übermorgen. Am zentralen Busbahnhof besteigen wir den entsprechenden Minibus, quetschen uns hinein, was ohne Gepäck ein leichteres Unterfangen ist. Der Bahnhof liegt ein paar Kilometer ausserhalb des Zentrums. Am Bahnschalter hat man eine gute sowie eine schlechte Nachricht für uns. Eine Reservation für das gewünschte Abteil ist zwar noch möglich, aber kaufen müssen wir die Tickets am Morgen der Abfahrt – der Zug soll aber erst abends abfahren. Der freundliche Herr am Schalter kritzelt unsere Namen auf ein Blatt Papier und legt es in einem dicken Ordner ab – wenn das nur klappt.
Für die lange Zugfahrt möchten wir uns mit ein paar Esswaren eindecken. Vergebens halten wir Ausschau nach einem Supermarkt. Schlussendlich finden wir nebst den kleinen Shops mit Biskuits und Seife einen Laden mit importierten, teuren Produkten, wo wir uns etwas Käse, Datteln und Dosen mit Thunfisch leisten. Für frisches Obst und Gemüse suchen wir den Markt auf. Das Angebot ist reich, verglichen mit Malawi, wo es an Frischem mangelte. Wir schlendern durch die Stände, die tropischen Früchte wie Mangos und Ananas lachen uns verführerisch entgegen. Die Verkäufer sind aufgestellt, reissen sich um ein Foto und präsentieren sich stolz vor ihrer Ware.
Wahrscheinlich gehören Touristen hier nicht zum alltäglichen Marktgeschehen…
Ihr lieben,
Schön von euch zu lesen! Reise gerne in Gedanken mit und bin immer wieder gespannt, was ihr erlebt!
Seid lieb umarmt!
Pia
Liebe Pia
Herzlichen Dank für deinen Kommentar. Es freut uns, dass es dir Spass macht, unsere Erlebnisse auf unserem Blog mitzuverfolgen. Was wir immer wieder Neues erleben, sind wir jeweils selber gespannt…
Machs guet und ganz en liebe Gruess
Christine & Roland