Elefantenspektakel im Chobe Nationalpark
Die allerletzte Fahrstunde in Namibia – schon ist der Grenzposten Ngoma erreicht. Auf der anderen Seite erwartet uns Botswana. Wo müssen wir nur hin? Wieder ist nichts gekennzeichnet, wie so oft an einem Grenzübergang, was wir stets mühsam finden. Ist man mit einem Fahrzeug unterwegs, sind jene Formalitäten stets auch noch separat zu erledigen. Wegen der Maul- und Klauenseuche dürfen keine tierischen Produkte, wegen der Obstfliegenplage keine Früchte eingeführt werden. Das Fahrzeug werde durchsucht, die Kühlbox inspiziert. Wir sind darauf gefasst und haben fast sämtliches Verbotene vertilgt. Beinahe wollen wir mit dem Auto die riesige Pfütze umfahren, aber gerade noch rechtzeitig realisieren wir, dass es ein Desinfektionsbecken ist. Unsere Schuhe müssen wir auf einer nassen Matte sauber patschen. Das wars – niemand ist interessiert an unseren Lebensmitteln, wir werden nicht einmal danach gefragt. Umso besser, verhältnismässig schnell ist somit das gesamte Aus- und Einreiseprozedere geschafft.
Schon wenige Meter hinter dem Einreiseposten befinden wir uns im Chobe Nationalpark, der bekannt ist für seine grosse Elefantenpopulation. Eine asphaltierte Strasse führt quer durch das Wildreservat. Diese 60 Kilometer lange Durchgangsstrecke nach Kasane im Osten darf ohne Eintrittsticket befahren werden. Wow, schon bald kreuzt eine erste Elefantenherde gemächlich unseren Weg. Kurz vor Kasane befindet sich der Parkeingang. Im Park selber gibt es ausschliesslich sandige Allradpisten, die in der Regenzeit sehr schlammig sein können. Deshalb waren wir im Vorfeld unsicher, ob ein Besuch überhaupt möglich oder angebracht ist. Wir lassen uns von den freundlichen Parkangestellten überzeugen. “But I must tell you, that no many animals are in the park, because it’s rainy season”, entschuldigt sich der schwarze Wuschelkopf, “I am so sorry!”
Mehrere Pisten ziehen sich durch den nördlichen Teil des Nationalparks, die sogenannte “Riverfront-Section”. Der Chobe Nationalpark hat den grössten Wildbestand Botswanas, denn der Chobe-Fluss sorgt für ideale Bedingungen für Flora und Fauna – grosse Elefantenherden leben hier. Wir wählen jene Sandpiste, die sich dem Wasser entlang zieht. Unglaublich, wir fühlen uns fast in einen Zoo versetzt – das Gebiet strotzt vor wilden Tieren. Wenn das wenige Viecher sein sollen, wie tierreich präsentiert sich der Park erst in der Trockenzeit? Elefanten soweit das Auge reicht. Die grauen Rüsseltiere kommen regelmässig an den Fluss, um zu baden und zu trinken – ein richtiges Elefantenspektakel.
Neben den Elefanten tummeln sich weitere tierische Gesellen in der Ebene des Flusslaufes. Warzenschweine traben mit hochgereckten Schwänzen vorbei, Paviane necken sich gegenseitig, Hunderte von Impalas trippeln elegant und – wir trauen unseren Augen kaum – Flusspferde grasen gierig in der prallen Nachmittagssonne. Das ist ein seltenes Bild, in der Regel fressen die Giganten nachts, um sich vor der Hitze zu schützen. Manche Hippos scheinen aber doch eine Abkühlung dem Fressen vorzuziehen und suhlen sich im nassen Schlamm. Auch spotten wir unsere erste Herde Rappenantilopen, auch Säbelantilopen genannt. Die eleganten Tiere zählen zu den grössten Antilopen und tragen ein langes, nach hinten geschwungenes Gehörn. Die männlichen Tiere sich pechschwarz gefärbt, die weiblichen rotbraun, sie beide tragen eine markante schwarzweisse Gesichtszeichnung.
Wie die Zeit vergeht. Bereits sind mehrere Stunden um, zurückgelegt haben wir erst wenige Kilometer. Der Campingplatz liegt noch 30 Kilometer entfernt. Behalten wir diese Geschwindigkeit bei, erreichen wir unser Nachtlager nicht vor dem Eindunkeln. Zwei Giraffen bremsen uns aus, stehen direkt vor uns auf der Piste – wie riesig sie sind. Unser Fahrzeug scheint sie weder zu beunruhigen, noch schenken sie uns Beachtung. Die zwei Langhälse sind mit sich selbst beschäftigt. “Sind sie in einen bösen Zweikampf verwickelt oder haben sie einfach nur Spass?”, fragen wir uns. Übermütig schlagen sich die beiden die Hälse ein. Immer wieder holen sie weit aus und krachen mit voller Wucht ineinander – ein imposantes Schauspiel.
Noch rechtzeitig treffen wir auf dem Campingplatz Ihaha ein, welcher an einem Hang direkt am Chobe liegt. Auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses befindet sich Namibia. Das Camp ist nicht eingezäunt, wir hausen also mitten im Wildlife. In der Ferne können wir eine Elefantenherde ausmachen. Eine Affentruppe belagert uns, möchte sich an unserem Abendessen beteiligen. Langsam dunkelt es ein. Ein mulmiges Gefühl macht sich in uns breit, denn wer weiss, was sich hinter dem nächsten Busch versteckt. Bald klettern wir hoch in unser Dachzelt. Noch dringt vorwiegend das Quaken der Frösche in unsere Ohren, aber je fortgeschrittener die Nacht, desto vielfältiger die Geräuschkulisse. Elefanten trompeten, Affen brüllen – das Grunzen eines Flusspferdes lässt uns aufhorchen. Wir lauschen, nehmen nun sogar sein Schnaufen wahr. Schleicht das Hippo um unser Nachtlager? Im Zelt oben fühlen wir uns zum Glück sicher.
Der neue Tag begrüsst uns mit einem herrlichen Morgen, die Ereignisse der vergangenen Nacht fern. Wirklich? Ganz sicher bin ich mir nicht, mich beschleicht erneut ein komisches Gefühl. Was wenn das Hippo noch nicht ins Wasser zurückgekehrt ist? Oder der Löwe uns als Futter auserkoren hat? Trotz der wundervollen Ambiente am Fluss halten wir das Frühstück kurz, machen uns erneut auf zur Pirsch. Langsam rumpeln wir an sattgrünen Wiesen mit leuchtend gelben Blumen vorbei, Quellwolken stehen am ansonsten blauen Himmel – das stimmungsvolle Landschaftsbild ist überwältigend.
Elefanten beidseits der Strasse, ganz nah. Hopla, wir sind inmitten eine Herde geraten, schneller als uns lieb ist. Mit den grauen Riesen ist nicht zu spassen. Schon flattert der mächtige Bulle bedrohlich mit den Ohren, schwenkt hektisch seinen Rüssel in unsere Richtung. Ein klares Zeichen – wir müssen weg. Behutsam lenkt uns Roland im Rückwärtsgang langsam aus dem Gefahrenfeld. Mein Puls geht schneller. Solche Begegnungen aus nächster Nähe sind einerseits eindrücklich, aber auch furchterregend. Denn für die tonnenschweren Dickhäuter stellt es kein Problem dar, ein Auto auf den Kopf zu stellen, sollte man ihnen zu nahe auf den Leib rücken. Wir warten geduldig, bis die trottenden Schwergewichte abgezogen sind…
Glücklich und um zahlreiche Tierbegegnungen reicher, treffen wir am späten Nachmittag im kleinen Ort Kasane, dem Tor zum Chobe Nationalpark, ein. Mittlerweile hängen die Gewitterwolken bedrohlich über uns, den Regen kann man bereits riechen. Kaum den Supermarkt verlassen, giesst es in Strömen. Schnell verwandelt sich die Strasse in einen reissenden Bach. Bald ist das Gröbste ausgestanden, doch der Abend gestaltet sich leider weiterhin regnerisch. Eine halbe Stunde von Kasane entfernt, verbringen wir unsere letzte Campingnacht wenige Kilometer südlich von Kazangula. Die Tiere scheinen sich am Nass von oben sowie am beleuchteten Wasserloch beim Camp zu freuen. Kaum ist die Nacht hereingebrochen, wird der Tümpel rege besucht. Von der nahegelegenen Aussichtsplattform können wir das Kommen und Gehen bestens mitverfolgen. Elefanten, Giraffen, Büffel, Impalas, Zebras – sie alle wollen nur das eine: Saufen und Grasen.
Die Räumungsaktion unseres Campers bestimmt den nächsten Morgen. Wir sind beschäftigt mit dem Sortieren unseres Hausrats, machen uns für die heutige Fahrzeugabgabe bereit. Wir nehmen Abschied von unserem fahrbaren Daheim der letzten zwei Monate. Wehmut schwingt mit – es war eine unvergessliche Zeit. Pünktlich steht nachmittags ein Gesandter der Fahrzeugvermietung aus Johannesburg in Kasane bereit und nimmt unser Auto in Empfang. Die Abgabe gestaltet sich problemlos, zwei drei Fragen, ein schneller Rundgang ums Vehikel. Und tschüss, weg ist es – ein komisches Gefühl. Nach vier Monaten nimmt unsere Camperzeit ein Ende und ein neues, uns noch unbekanntes Reiseleben beginnt…
Kasane ist ein kleines Städtchen, das hauptsächlich vom Tourismus lebt. Am Ufer des Chobe reiht sich eine Lodge an die nächste, fast alles hochpreisige Unterkünfte. Hostels oder günstige Gästehäuser sucht man hier vergeblich. Wir steigen für die kommenden drei Nächte in der Chobe Safari Lodge ab, welche für die hiesigen Verhältnisse preiswert und für uns das Paradies ist. Die Anlage ist grosszügig im Grünen angelegt, von unserer Veranda blicken wir auf den Fluss. Wir schätzen das grosse Zimmer im Afrika-Stil, geniessen es in einem breiten, richtigen Bett auszuschlafen…
Wir befinden uns an einem geographisch interessanten Punkt. Es treffen die vier Länder Botswana, Namibia, Zambia und Zimbabwe aufeinander – es sei das einzige Vierländereck der Welt. Auch fliessen hier die grenzbildenden Flüsse Chobe und Zambezi ineinander. Heute Nachmittag steht eine Bootsfahrt auf unserem Programm. Gemächlich schippern wir auf dem Chobe, um die Tierwelt für einmal aus der Wasserperspektive zu beobachten. “Bakang ist mein Name”, stellt sich der Führer seinen Gästen gutgelaunt vor, “aber ihr könnt mich einfach BK nennen”. Es lassen sich viele farbenprächtige Vögel erspähen, aber auch die Wildtiere sind erneut zahlreich vertreten. Elefanten baden in den Sümpfen, bekleckern sich mit Schlamm oder bestäuben sich mit Sand, um sich vor der Sonne zu schützen. Meist sind sie nass und deshalb nicht von grauer, sondern fast von schwarzer Farbe. “Im Chobe leben etwa 100’000 Elefanten, was die höchste Population weltweit darstellt”, verkündet BK stolz, “zum Vergleich, in ganz Afrika leben insgesamt 200’000 Exemplare.”
Die Reflexion der sich langsam senkenden Sonne auf dem Wasser ist zauberhaft. Am Ufer sonnt ein fettes Krokodil im Gras, döst vor sich hin, verdaut sein Mahl. Träge reisst es seine riesige Klappe auf, zeigt uns drohend seine spitzen Zähne. Mit dem Boot kommen wir viel näher an die Flusspferde ran wie mit dem Auto, da sie sich meistens im oder beim Wasser aufhalten. Eine Hippo-Mama mäht mit ihrem Kleinen unmittelbar vor unseren Augen Gras. Das Junge ist bereits mit zwei Monaten ein Dickerchen. Neben seiner Mama, die von hinten wie ein riesiges rundes Fass ausschaut, wirkt es aber fast schon zierlich. Das Bild lässt uns Schmunzeln… “Das Hippo stellt für den Menschen das gefährlichste Tier dar”, macht uns BK mit ernster Miene klar. Darauf äussert sich ein Bootsgast vorwitzig: “Ich dachte, in Afrika seien das die Mücken – die Malaria-Mücken!”
Die Tage vergehen viel zu schnell – wir könnten uns an unser “luxuriöses” Zimmer gewöhnen. Aber Rucksackpacken ist angesagt, morgen nimmt unsere Weiterreise ihren Lauf. Wir sortieren unsere Siebensachen und hausieren mit Campingutensilien, die wir nun nicht mehr brauchen, auf dem zur Lodge gehörenden Zeltplatz. Schnell werden wir Dinge wie Campinglampe, Verlängerungskabel, Schlafsack und einen Haufen Kleinkram los. Ein amerikanisches Paar bedankt sich überschwänglich für unsere Grosszügigkeit, bietet uns ein Glas Wein an. Wir sind einfach nur froh, dankbare Abnehmer gefunden zu haben. Nachdem wir uns die letzten Tage noch vorwiegend vom Rest unserer Vorräte ernährt haben, führt mich Roland zur Feier des Tages in ein Restaurant, wo wir anlässlich meines Geburtstages ein feines Nachtessen schmausen…
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