Entlang der Panorama Route
Nach einer Woche im Krüger Nationalpark sind wir auf „Wildlife-Modus“ eingestellt. Aber kaum das Wildreservat verlassen, holt uns die Welt da draussen wieder ein. Der Verkehr auf den Strassen ist laut und schnell, im Supermarkt drängen sich viel zu viele Leute und an der Tankstelle schwatzen Souvenirverkäufer auf uns ein. Nichts wie weg hier, raus aus dem hektischen Hazyview. Eine kurvenreiche Strasse führt in höhere Gefilde.
Unser Ziel ist Graskop, ein kleiner Ort und guter Ausgangspunkt für die sogenannte Panorama Route. Der Campingplatz „Panorama View“ erweist seinem Namen alle Ehre. An der Kante des Hochplateaus gelegen bietet sich eine grandiose Aussicht auf die senkrecht abfallende Felswand und weit hinaus auf die Talebene. An vorderster Front liegt ein natürlich gestalteter Swimming Pool, der genau die vorgängig beschriebene Sicht bietet. Nur leider ist es für ein Bad zu kalt. Wir befinden uns auf einer Höhe von knapp 1500 Metern und die Temperatur zeigt sich empfindlich kühl. Wir erledigen stattdessen die anstehende Alltagsarbeit – befreien unseren Campervan vom Staub der letzten Tage, schrubben Tisch und Stühle und beladen eine Waschmaschine mit Schmutzwäsche.
Der nächste Morgen präsentiert sich verhangen, Nebelschwaden umarmen uns. Egal, nach einer Woche frühem Aufstehen geniessen wir es auszuschlafen und in den Tag hineinzuleben. Bald aber lichtet sich der Wolkenvorhang. Über einen Pass mit steilen, engen Kurven erreichen wir Pilgrim’s Rest. Der Ort stammt aus den Tagen von Südafrikas erstem Goldrausch. Übrig geblieben ist ein fotogener Strassenzug mit einigen niedlichen, viktorianischen Häusern. Es ist ein Touristenmagnet und etliche Verkäufer preisen ihr Kunsthandwerk oder Essbares an. In einem herzigen Cafe geniessen wir die wärmenden Sonnenstrahlen und lassen uns gerne wieder einmal bedienen und bekochen. Meistens verpflegen wir uns sonst aus unserem Kühlschrank und kochen selber.
Wir kehren zum Parkplatz zurück, wo uns bei Ankunft ein paar Jungs eingewiesen haben. Uns ist klar, dass sie dafür ein Trinkgeld erwarten. „Schaut mal, euer Auto ist wieder blitzblank – wir haben es geputzt“, klärt uns Daniel bei unserer Rückkehr auf. Er fordert überrissene 160 Rand, was etwa zwölf Schweizerfranken entspricht. Roland streckt ihm eine Note von 10 Rand hin, die er bereits fürs Parkieren hervorgekramt hat. Daniel winkt beleidigt ab. „Wir haben nicht verlangt, dass ihr unser Auto putzt“, verteidigt sich Roland, steckt das Geld wieder ein und rollt langsam rückwärts aus dem Parkfeld. Ich bin erstaunt, dass sich die Jungs trotzdem weiter hilfsbereit zeigen, den Verkehr stoppen und uns in die Strasse einweisen. Lächelnd gesellt sich Daniel an die Fensterscheibe und fordert nun doch noch den vorher offerierten Geldschein ein. Na ja, probieren gilt…
Die Panorama Route führt uns weiter zu den spektakulären Aussichtspunkten des Blyde River Canyons, einer gewaltigen Schlucht, die an manchen Stellen bis 700 Meter in die Tiefe reicht. Wir fahren am Rand des imposanten Canyons entlang. Am eindruckvollsten ist der Blick über die Schlucht beim Viewpoint „Three Rondavels“. Drei riesige Felskuppeln in Form afrikanischer Rundhütten ragen hoch über dem Flussbett des Blyde River aus der Felswand auf. Das milde Licht der Nachmittagssonne taucht die überwältigende Kulisse in warme, rotbraune Farbnuancen. Ein atemberaubendes Bild. „God’s Window“ ist einer der weiteren schwindelerregenden Aussichtspunkten. Gott gestattet aus seinem Fenster einen fantastischen Blick auf die hoch aufragenden Felswände und über die endlose Savanne des Tieflandes 1000 Meter weiter unten, die sich bis zum Krügerpark erstreckt.
Heute sitze ich, abgesehen von den friedlichen Strassen des Krügers, das erste Mal am Steuer unseres doch etwas grösseren Gefährts. Kaum einen Kilometer hinter uns – Polizeikontrolle. Und prompt, ich muss rausfahren. Oh je, habe ich etwas falsch gemacht? „Hello Mam, can I see your driving license, please?“ Die runde, schwarze Polizistin würdigt unser Fahrzeug mit kritischen Blicken und kommt dann zum Schluss: „Everything’s ok – do you know your way to go, Mrs Frank?“ Wie freundlich und hilfsbereit, aber danke, wir wissen wo es lang geht. Denn wir fahren heute noch einmal ein Stück der Panorama Route zum Blyde River Canyon, um uns von den „Bourke’s Luck Potholes“ beindrucken zu lassen. Tiefe Auswaschungen im Gestein sind in Millionen von Jahren durch vom Wasser bewegtes Geröll entstanden. Ein Rundweg bringt uns die sonderbaren, reizvollen Felsformationen näher. Wir staunen, was die Kraft der Natur erschaffen hat.
Die Verkehrsstatistik Südafrikas bietet leider traurige Zahlen, was uns aber überhaupt nicht erstaunt. Schnelles Fahren und Überholen, auch an unübersichtlichen Stellen, sind an der Tagesordnung. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt ausserorts sagenhafte 120 km/h, manchmal auf 100 km/h begrenzt, was bei mir ein Kopfschütteln auslöst. Gleichzeitig warnen Schilder wie „Stay alive while you drive“ oder „Don’t kill one of us“ vor zu schnellem Fahren – absurd. Auch heute werden wir ständig von Rasern überholt, trotz der kurvenreichen Strecke, die uns ins Tiefland nach Nelspruit leitet. Dann biegen wir auf die gebührenpflichtige Strasse ein, die ostwärts bis an die Grenze zu Mosambik führt. Es ist aber nicht wie angenommen eine zweispurige Autobahn. Der dichte Verkehr drängt sich auf nur einer Fahrbahn, jedes zweite Fahrzeug ist ein schwerer Lastwagen. Warnschilder wie „Achtung Kühe“ oder „Vorsicht Hippos“ stehen an der Schnellstrasse. Und selbstverständlich auch die runden Tafeln mit dem roten breiten Rand und einer schwarzen 120 in der Mitte. Ich bin froh, können wir endlich auf die Abzweigung nach Swaziland einbiegen…
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