Faszinierende karge Karoo
Vom Addo Elephant Nationalpark führt die Strasse in weitenläufigen Kurven hinauf in die östliche Karoo. Die Karoo ist eine Halbwüstenlandschaft, die sich in den Hochebenen nördlich der Küste zwischen Port Elizabeth und Kapstadt ausbreitet. Ein Schild weist darauf hin, auf der Merino Route unterwegs zu sein. Wir befinden uns im Land der Schafzucht. Die Gegend wirkt sehr ausgetrocknet – die wolligen Tiere müssen sich mit dürrem Gras begnügen. Dafür gedeihen die Kakteen prächtig. Grosse Exemplare stehen in voller Blüte, was ein hübsches Bild abgibt.
Nach etwas über 200 Kilometern erreichen wir die erste grössere Stadt, Cradock, in der Region des Bankbergs. Von dort ist es nur noch einen Katzensprung in den Mountain Zebra Nationalpark. Es ist eines der unbekannteren Tierschutzreservate und wurde 1937 gegründet, um die vom Aussterben bedrohten Bergzebras zu retten. Damals gab es nur noch fünf Tiere – vier davon männlich! Heute ist der Bestand auf über 700 angewachsen. Weites Gras- und Buschland breitet sich in der steinigen, bergigen Gegend auf knapp 1300 Meter Höhe aus. Die Landschaft ist karg und trocken, aber in unseren Augen perfekt inszeniert.
Der kleine Campingplatz ist glücklicherweise nicht voll belegt und die Auswahl der Stellplätze gross. Für einmal sitzt an der Rezeption eine weisse Dame – ganz ungewohnt, denn bis anhin waren wir in allen Nationalparks nur mit Schwarzafrikanern konfrontiert. Sie ist voll im Schuss, ihr Computersystem hingegen nicht. Trotzdem bedient sie in aller Hektik, aber freundlich, ihre Kundschaft. Ihr nervöses Getue ertragen wir kaum, wir haben uns wohl an die gemütliche Gelassenheit der Schwarzen gewöhnt.
Verschiedene Schotterpisten führen durch den Park. Einige Schleifen sind für alle Fahrzeuge befahrbar, auf gewissen Strecken sind nur 4×4-Fahrzeuge zugelassen – für uns also Tabu. Wir drehen eine Runde auf dem Rooiplaat-Loop, der über ein Hochplateau verläuft. Hier hat man einen sagenhaften weiten Blick auf die umliegenden Hügel und die offene Savanne, wo die meisten Tiere anzutreffen sind. Oft sind die Herden jedoch nur als kleine Punkte in der Landschaft auszumachen. Mit etwas Glück sieht man natürlich auch Wildtiere in Strassennähe grasen. Die Stars des Parks, die Bergzebras, sind ziemlich scheu und traben oft ein paar Meter davon, wenn wir aufkreuzen. Meistens drehen sie sich aber kurz darauf wieder um und beäugen uns skeptisch. Sie beobachten uns – wir beobachten sie. Bergzebras unterscheiden sich von ihren Artgenossen durch das Fehlen von braunen „Schattenstreifen“. Auch haben sie feinere Streifen am Rücken und das Streifenmuster reicht bis hinunter zu den Hufen. Die grösseren Ohren sind ein weiteres Merkmal.
Das Wildschutzgebiet ist auch von Büffeln, Löwen, Geparden, Pavianen und verschiedenen Antilopen bevölkert. Plötzlich steht eine Oryx-Antilope direkt vor uns. Ihr Kopf ist maskenartig schwarz-weiss gefärbt. Die stark gebaute Antilope wird ihren Hörnern wegen auch Spiessbock genannt. Die geraden spiessförmigen Hörner sind durchschnittlich fast ein Meter lang. Eine stolze Erscheinung… Aber auch die kleinen Tiere ziehen uns in ihren Bann. Eine Manguste mit einem herzigen Baby wuselt im Gras umher. Bald kuckt ein zweiter Winzling aus einem Erdloch heraus. Die tagaktiven Tiere leben in unterirdischen Bauten. Ihr Körper ist schlank und langgezogenen, misst etwa 50 Zentimeter. Nebst den Tierbeobachtungen lohnt sich jede Fahrt auch wegen des grandiosen Panoramas wegen.
Der Fahrtwind lässt uns frösteln. Am frühen Morgen ist es noch empfindlich kühl auf dem offenen Jeep. Wir geniessen es, uns zu den wilden Tieren chauffieren zu lassen und für einmal nicht selber zu fahren. Die Pirschfahrt beinhaltet ein sogenanntes Cheetah-Tracking. Sean, der drahtige Ranger mit den roten Haaren, ist mit einer Antenne ausgerüstet. Er versucht, ein Signal von einem der Geparden zu erreichen, die zu Forschungszwecken ein Halsband mit Sender auf sich tragen. Nach etwa zwei Stunden sind wir auf der richtigen Spur. Seine Antenne sagt ihm, dass ein Raubtier in der Nähe ist. Von nun an geht es zu Fuss durch den Busch. Wir stellen uns auf eine längere Suche ein, aber kaum ein paar Meter zurückgelegt, stolpern wir fast über das Tier. Selbst Sean ist überrascht. Die Gepardendame liegt im Schatten im Halbschlaf. Wir sind erstaunt, wie nahe wir uns heranwagen dürfen. Aber die Tiere, die einen Sender auf sich tragen, sind sich offenbar sehr an die Nähe von Menschen gewohnt. So bestaunen wir das getupfte Tier aus schätzungsweise acht Meter Entfernung. Wir haben den schläfrigen Geparden bestimmt aufgeweckt, denn nun reckt und streckt er sich, dreht sich auf den Rücken und zeigt uns seine Zähne. Er interessiert sich aber überhaupt nicht für uns und schnurrt bald friedlich weiter.
„Da wird sich in nächster Zeit nicht viel ändern“, vermutet Sean und grinst, „ich habe euch ja gesagt, am Samstag hat er seinen freien Tag“. Wie recht er hat – für uns schwingt sich die verschlafene Katze nicht auf ihre Beine. Die Begegnung ist zwar eindrücklich, aber da „arrangiert“ nicht überwältigend. Trotzdem freuen wir uns, einen Geparden aus nächster Nähe betrachten zu können.
Heute Morgen unternehmen wir eine kurze Wanderung. Malerisch liegen rötliche Granitbrocken jeglicher Grösse und Formen in der Gegend verstreut. Es bietet sich eine tolle Sicht auf die weitläufige, buschige Landschaft und die schroffen Bergketten. Der Abschied fällt uns nach zwei Tagen fast etwas schwer. Wir haben uns auf der Stelle in diesen kleinen, aber feinen Mountain Zebra Nationalpark verliebt…
Die Weiterfahrt durch die reizvolle Landschaft der Karoo ist angenehm einsam, kaum weitere Autos oder Lastwagen brausen vorbei. Nach zwei Stunden erreichen wir Graaff-Reinet. Das kleine ruhige Städtchen ist von allen Seiten vom Camdeboo Nationalpark umgeben. Die Hauptattraktion ist das tief eingeschnittene Valley of Desolation. Eine schmale Strasse steigt in vielen Kehren den bewachsenen Hängen empor, bis das Gipfelplateau erreicht ist. Ein Rundwanderweg führt den Klippen entlang. Es bietet sich eine überwältigende Aussicht auf das Valley of Desolation, das Tal der Trostlosigkeit. Der Blick in diese tiefe, schmale Schlucht mit hoch aufragenden, bizarren Felstürmen ist schwindelerregend. Auch die Aussicht auf die Weite der Karoo ist grandios. Die in der Ferne aus der Ebene ragenden Bergketten wirken im weichen Licht der Nachmittagssonne wie eine Mondlandschaft.
Das Wetter ist ein Traum – keine Wolke hängt am tiefblauen Himmel. Die Wanderung auf dem Eerstefontein Trail verläuft durch die Karoovegetation mit kugelrunden Büschen und Steinformationen. Immer im Blickfeld ist der kegelförmige Spandaukop mit seiner markanten Felshaube und einer Höhe von 1316 Meter. Ab und zu flüchtet ein Bergzebra oder eine Herde Kudus vor uns. Der Rundwanderweg ist abwechslungsreich, aber schweisstreibend. Nach 15 Kilometern gelangen wir wieder zurück zum Campervan und sind dankbar für ein kaltes Getränk aus unserem Kühlschrank.
Den Rest des Nachmittages geniessen wir auf dem friedlichen Campingplatz. Dieser ist grosszügig angelegt, von einem Stellplatz sieht man nicht zum nächsten – Privatsphäre ist gewährleistet. Von einer Aussichtsplatform bietet sich ein wunderbarer Blick auf den naheliegenden See, das Grasland mit den weidenden Antilopen und die umliegenden bewachsenen Berge mit den felsigen Kuppen. Eine Augenweide! Die untergehende Sonne versinkt langsam hinter den Bergen und taucht den Himmel später in ein leuchtendes Orange. Bald bricht eine sternenklare Nacht über uns ein…
Die Sonne lacht und wärmt bereits am frühen Morgen. „Sollen wir nicht doch noch einen Tag bleiben?“, frage ich Roland zögernd beim Frühstück. Eigentlich haben wir uns gestern entschieden, unsere Reise fortzusetzen und an die Küste zurückzukehren. Doch die Idylle dieses Campingplatzes und die faszinierenden Landschaften der Karoo bewegen mich, unseren Entscheid in Frage zu stellen. Doch die Zeit läuft uns langsam davon, bald müssen wir uns von unserem fahrbaren Daheim verabschieden. Deshalb ziehen wir heute schweren Herzens weiter.
Einen kurzen Bummel durch das historische Städtchen Graaff-Reinet lassen wir uns aber nicht entgehen. Rund um die imposante Kirche sind die breiten Strassen gesäumt von weissgetünchten viktorianischen und kap-holländischen Häusern. Das „Juwel der Karoo“ – wie die Stadt betitelt wird – ist noch nicht ganz zum Leben erwacht. So können wir die beschaulichen Strassenzüge noch in aller Ruhe auskundschaften.
Geradeaus soweit das Auge reicht. Bis zum Horizont und noch weiter. Hundert Kilometer und mehr. Die bergige Gegend ist einer flachen Einöde gewichen. Die Strasse ist wenig befahren, was uns entgegen kommt. Langsam nähern wir uns der Küste, das Gras ist wieder kräftig grün. Mehrere Gebirgszüge durchziehen die Gegend. Dunkle Wolken kleben über den Bergen. Wie sieht wohl das Wetter dahinter, am Meer aus?
Hallo ihr zwei Globetrotter
So schön mit euch mitzureisen! So viel ist mir bekannt vorgekommen und so viel habe ich einfach vergessen… shame on me! Was mich noch Wunder nimmt – wie geht es dem Camper jetzt nach den gröberen Anfangsschwierigkeiten? Platten sind gemein aber gehören dazu und in diesen Ländern ist das auch nie ein Problem so etwas zu reparieren. Nur bei uns geht das nicht…
Kompliment für die Berichte und die tollen Fotos!
Geniesst es und ich freue mich auf weitere Berichte….. LG aus der weissen Schweiz – gestern hat es das erste Mal bis in die Niederungen geschneit…….
Heidi
Liebe Heidi
Vielen Dank für deinen Kommentar – schön von dir zu lesen. Es freut uns, dass du gerne mit uns „mitreist“ und dir unsere Berichte und Fotos gefallen.
Doch, mit dem Campervan lief es seither reibungslos… das geflickte Loch im Wassertank hält bis heute, die Flicks in den Pneus auch, der Sprung in der Windschutzscheibe ist nicht grösser geworden und an die restlichen kleinen Mängel haben wir uns gewöhnt. Aber morgen sind die gebuchten acht Wochen schon um und wir müssen das Fahrzeug in Kapstadt abgeben.
Ich wünsche dir eine gute Zeit und nicht zu kalt…
Liebe Grüsse Christine, und auch von Roland