03.06. – 29.07.2011

Erlebnisse entlang der Transsib

Die Kulturschätze Chinas…

Unsere Reise beginnt im Fernen Osten. Entgegen den meisten europäischen Touristen starten wir unsere Reise nicht im Westen von Russland sondern im Osten von China, um unter anderem diesem Touristenstrom etwas auszuweichen. Wir landen in Peking, der Hauptstadt Chinas. Frühmorgens hält es sich mit dem tagsüber immensen Verkehr dieser Weltmetropole mit 16 Mio. Bewohnern in Grenzen. Unser schmuckes Hotel befindet sich in einer ehemaligen Tempelanlage mitten im Zentrum. Es ist eine Oase der Ruhe in der sonst eher hektischen Stadt. Wir besuchen die wichtigen Sehenswürdigkeiten wie der bekannte Kaiserpalast, auch Verbotene Stadt genannt, der Himmelstempel sowie weitere imposante Bauwerke. Wir merken bald, in China ist man nie allein. Mit Tausenden von Menschen bestaunen wir die kulturellen Schätze. Ich bin jedoch erstaunt, wie zügig es in den endlos scheinenden Warteschlangen vorwärts geht. Am liebsten benutzen wir die U-Bahn, um längere Strecken zu bestreiten. Die Stationen sind zum Glück nicht nur mit den dekorativen chinesischen Zeichen versehen, sondern auch in unserer Schrift. Es hapert jedoch häufig mit der Verständigung, viele Einheimische sind nur der chinesischen Sprache mächtig. Die Stadt macht auf uns einen sehr modernen und sauberen Eindruck. Die Strassen sind zwar oft vielspurig und verkehrsreich, aber auch die Fussgänger haben breite Streifen abbekommen, das ist angenehm. Im Gegensatz dazu gibt es die alten, verwinkelten Gassen, die sogenannten Hutongs. Hier wohnen die Leute in einfachen Verhältnissen auf engstem Raum. Ich nehme viele öffentliche Toiletten wahr und realisiere erst später, dass dies sanitäre Gemeinschaftsanlagen für die Anwohner sind. Mit einem Führer radeln wir mit Fahrrädern einen halben Tag durch diese Viertel und lernen die Stadt von dieser anderen Seite kennen. Wir sind am Ende unserer Tage fast etwas überrascht, wie gut es uns hier gefällt…

Mit Yang, unserem deutschsprechenden Führer, geht es auf eine dreitägige Tour entlang der Grossen Mauer. Diese gilt als das längste Bauwerk der Erde und zieht sich über eine Länge von 6000 km. Wir besuchen verschiedene Abschnitte dieses gigantischen uralten Meisterwerkes, das an gewissen Stellen noch im Originalzustand erhalten ist. Mancherorts führen Gondelbahnen zur Mauer empor. Um Energie zu sparen, benutzen wir diese auch. Oben angekommen gibt es noch genügend steile Aufstiege zu bewältigen. Die Stufen führen rauf und runter, bei der Hitze bin ich rasch ausser Atem. Die tollen Ausblicke auf die gebirgige Region entschädigen jedoch die Strapazen. Die Mauer ist in der Ferne noch kilometerweit erkennbar, sie windet sich entlang Bergkuppen, in regelmässigen Abständen mit Aussichtstürmen bestückt. Wir wandern stundenlang und es lohnt sich, die eindrucksvolle Erschaffung aus diversen Blickwinkeln zu betrachten.

Zurück in Peking bringt Yang uns noch zum Bahnhof, er meint, im grössten Bahnhof von Asien seien wir ansonsten verloren. Im Zug herrscht bereits Chaos pur! Wir schätzen uns glücklich, reservierte Sitzplätze zu haben, die wir zwar zuerst zurückerobern müssen. Jenste Leute bevölkern die Gänge, es herrscht ein Gedränge. Sechs Stunden später erreichen wir Datong, unser nächstes Ziel. Da die chinesische Stadt auf unserer Route liegt entdecken wir mit Freude auch deren kulturelle Höhepunkte. Am meisten beeindruckt mich das Hängende Kloster, ein Meisterwerk schwindelerregender Architektur. Die reich verzierte Tempelanlage aus Holz klebt hoch über einer Schlucht richtiggehend an der Felswand. Auch nicht zu verachten sind die uralten Felsgrotten geschmückt mit Tausenden in Fels gehauenen Buddhas jeglicher Grösse, von 2 cm bis 17 m Höhe…

Eine weitere Zugetappe in China steht an, diesmal ohne Sitzplatzreservation. Ich bin etwas besorgt, da ich die Fahrt von wiederum 6 Stunden nicht stehend verbringen möchte. Meine Sorge ist aber unbegründet, der Zug halb leer. In Hohhot haben wir viele Stunden Aufenthalt, mit denen wir in dieser grauen, staubigen Stadt nicht viel anzufangen wissen. Abends besteigen wir erstmals einen dieser Transsib-Züge, der uns in die Mongolei bringt. Es gibt viele Leute und noch viel mehr Gepäck. Wir sind erstaunt, was da alles angeschleppt wird. Berge von Taschen, Schachteln und Säcke müssen im Zug verstaut werden. Es wurde in China wohl heftig und günstig eingekauft… Wir reisen in der 2. Klasse, es befinden sich 4 Betten in einem Abteil. Ein Mongole hat sich mit seinem Hab und Gut bereits breit gemacht und wir nehmen den verbleibenden Platz in Anspruch. Er spricht leider nur wenige Brocken Englisch, was ich sehr schade finde. Der Zug rattert vorwärts und rüttelt uns schon bald in den Schlaf. Frühmorgens erreichen wir die Grenze. Da die Gleise in China über eine andere Spurbreite wie in der Mongolei verfügen, müssen die gesamten Fahrgestelle gewechselt werden. Der Zug fahre erst nachmittags weiter, wir sind überrascht und müssen erneut mehrere Stunden in einer öden chinesischen Stadt totschlagen. Danach dauert das gesamte Grenzprozedere mit Ein- und Ausreise auch noch unglaublich lang und es ist bereits wieder Nacht, als der Zug in der Mongolei weiterrollt. Ein weiterer Mongole hat sich inzwischen zu uns gesellt und unser Abteil ist komplett. Zum gemütlichen Rattern des Zuges kommt ein ungemütliches Schnarchen…

Die Steppen der Mongolei…

Tageslicht fällt durch das Zugfenster und die endlos scheinende Steppe der Mongolei zieht vorbei. Nichts trübt das Bild dieser makellosen Landschaft, ich bin fasziniert. Im Gegensatz zum verbauten China mit den teilweise mit Abfall gesäumten Strecken wirkt hier alles so unberührt und sauber. Dieser erste Eindruck ändert sich auch während unseres Aufenthaltes von drei Wochen nicht… Erste Häuser tauchen auf, die Hauptstadt naht. Der Gang im Zug ist bevölkert, das viele Gepäck wird gestapelt, es wird bereits zum Ausgang gedrängt. Wir fahren im Bahnhof von Ulan Bator ein und eine spannende, aber auch strapaziöse Reise nimmt ein Ende. Die Stadt ist weder schön, noch bietet sie viele Sehenswürdigkeiten. Ein Besuch im tibetischen Kloster Gandan vermittelt uns einen kleinen Eindruck in das Leben der Mönche. Wir lauschen ihren monotonen Gebeten und Gesängen, die eine beruhigende Wirkung ausstrahlen.

Die Mongolei zählt zu den am dünnsten besiedelten Ländern der Erde. Das Land mit einer Durchschnittshöhe von knapp 1600 m ist ein typisches Hochland, in dem Wüsten- und Steppengebiete dominieren. Die Tiefsttemperaturen erreichen im Winter bis minus 40 Grad und mit einer Jahresdurchschnittstemperatur von minus 4 Grad ist Ulan Bator die kälteste Hauptstadt der Welt. Im Sommer ist es jedoch warm und in der Wüste Gobi muss mit einer Hitze von über 40 Grad gerechnet werden. Ein Land der Extreme also…

Unsere Entdeckungsreise beginnt mit einem Inlandflug nach Moron, einer Provinzstadt ganz im Norden des Landes. Wir haben grosses Glück mit unserer Begleitmannschaft. Batturga, der Führer, hat seine Deutschkenntnisse während eines 7-jährigen Aufenthaltes in Berlin erworben. Der Fahrer, Churel, hat sich die deutschen Vokabeln selbst angeeignet, was mir sehr imponiert. Die beiden sind ein gutes Team und kein Tag verstreicht ohne Lachen und dumme Sprüche…

Der Russen-Jeep, der vom Design her einen veralteten Eindruck macht, beweist sich als robustes und stabiles Fahrzeug. Oft treffen wir auf solche Modelle, die eher einem VW-Bus wie einem Landrover ähnlich sehen. Ich staune, unsere Kutsche lässt uns nie im Stich, was bei diesen Pisten hier an ein Wunder grenzt. Ganz wenige Strassen im Land sind asphaltiert und auf unserer Route treffen wir kaum auf eine solche. Es gibt viele Schotterstrassen, Dreckspisten, aber oft würde ich die Fahrspur lediglich als Wiesen- oder Wanderweg betiteln. Steine, Schlaglöcher und tiefe Furchen sind an der Tagesordnung. Man schafft es unter diesen Verhältnissen lediglich auf eine Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 35 km/h. Fällt Regen, kann sich die ganze Angelegenheit noch verlangsamen und wird zu einer einzigen Rutschpartie. Des öfteren müssen Bäche oder sogar Flüsse überquert werden. Ich fühle mich oft wie in einem Boot und halte mich ängstlich am Sitz fest. Aber mit unserem erfahrenen und vorsichtigen Fahrer meistern wir zum Glück jede noch so aussichtslose Situation!

Die Nächte verbringen wir fast ausschliesslich in Jurten, den runden weissen Filzzelten, der typischen Behausung der Nomaden. Nebst der einfachen Einrichtung findet sich meist auch ein Ofen, wo wir mit Holz ein Feuer entfachen und die Temperatur angenehm beeinflussen können. Ein sogenanntes Camp zählt einige Jurten, ein Restaurant und zentrale sanitäre Anlagen. Es erinnert an ein Leben auf einem Zeltplatz. Das Essen fällt wider Erwarten sehr gut und reichhaltig aus. Ich habe mich auf eintönige, einfache Kost eingestellt. Was uns aber serviert wird, schmeckt meistens hervorragend und ist abwechslungsreich. Ganz oben auf dem Menuplan steht Fleisch, meist vom Schaf oder Rind, sowie Reis, Kartoffeln und Suppen. Zwischendurch kriegen wir auch verschiedene traditionelle Milchspeisen wie getrocknete Quarkstücke, frische Stutenmilch oder gesalzenen Milchtee offeriert, was meinem Gaumen zwar nicht so mundet…

Die ersten Tage verweilen wir ganz im Norden, unfern der russischen Grenze am Chuwsgul-See. In alpiner Kulisse liegen die Ufer des Sees auf ca. 1600 m Höhe. Das Wasser ist so klar und rein! Die Naturkulisse ist wunderschön, satte grüne Wiesen, Lärchenwälder und Berge prägen die Landschaft. Wir wandern den Ufern entlang, erfreuen uns der verschiedenen Blickwinkel auf den See und der Ruhe. Rentiere sind in dieser Gegend beheimatet. Bei Nomaden können wir diese Tiere aus der Nähe betrachten. Ihre edlen, samtigen Geweihe entzücken mich. Es ist leider oftmals bewölkt, regnet immer wieder und ist empfindlich kühl. Wir sind froh um unsere warmen mitgebrachten Schichten. Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen… dieses unbeständige Wetter wird uns stets begleiten. Immer haben wir auch wieder Glück, die Sonne lässt sich oft zum richtigen Zeitpunkt blicken!

Zwei Tage sind wir unterwegs, fahren durch eine hügelige Landschaft in Richtung Süden. Die Gegend ist grün, oft bewaldet. Immer wieder sind Flussüberquerungen notwendig. Einmal ist die Passierung einer baufälligen Brücke nötig, da der Fluss wegen des heftigen Regens zu einem reissenden Strom angestiegen ist. Ein Schild „Befahren verboten“ ist angebracht. Aber alles geht gut, die Brücke hält stand. Der Blick zurück auf die halb eingestürzte Holzbrücke lässt uns vier in schallendes Gelächter ausbrechen. Die beiden Mongolen haben sich im Vorfeld den Kopf zerbrochen, wie sie uns beibringen sollen, dass es keinen Ausweg gibt. Sie sind erleichtert, dass wir es mit Humor nehmen!

Unterwegs trifft man immer wieder auf Steinhaufen mit blauen Stofffetzen, die sogenannten Owoos, die auf Bergen oder Passhöhen errichtet wurden.  Es sind sichtbare Zeichen der Volksreligion, in der Götter und Geister eine Rolle spielen. Der Passierende umschreitet diese im Uhrzeigersinn und fügt drei neue Steine hinzu. Auch Opfergaben wie Münzen, Geldscheine, Wodkaflaschen und Bierbüchsen – leer getrunkene wohlgemerkt – werden dargelegt. So wird um Schutz und Glück gebeten… Wie der Fahrer immer den richtigen Weg einschlägt, bleibt mir ein Rätsel. Es gibt weder Strassenschilder noch Wegweiser, auch verfügt er über kein Navigationssystem. Meistens gibt es diverse Fahrspuren und Verzweigungen ohne Anhaltspunkte, wenigstens aus meiner Sicht.

In reizvoller Umgebung des Chorgo-Vulkangebietes  und des vulkanisch entstandenen Sees geniessen wir die nächsten Tage. Wandernd erforschen wir die bergige, saftige Natur. Der höchste Vulkan ist 2240 m hoch. Die Umrundung dessen Krater mit einer Tiefe von 100 m ist imposant und es bieten sich tolle Ausblicke. Riesige Yakherden durchmischt mit Ziegen und Schafen ziehen ihre Runden. Jedes dieser zotteligen Hochgebirgsrinder ist anders frisiert und somit ein Unikat. Abgesehen von den Tieren sind wir meist allein und treffen auf wenig Leute, steht die Touristensaison noch am Anfang. Wir geniessen diesen Frieden und die Zweisamkeit…

Die Weiterfahrt ist wie bis anhin gemächlich, es rüttelt und schüttelt. Wir haben Zeit, die vorbeiziehende malerische Landschaft eingehend zu bewundern. Unterwegs statten wir einer Nomadenfamilie einen Besuch ab. Herzlichst werden wir empfangen, uns wird Tee und die bereits früher erwähnten trockenen, steinharten Quarkstücke angeboten. Die Jurte, die gleichzeitig Wohnzimmer, Küche und Schlafzimmer ist, ist nicht gross, aber sauber und ordentlich. Auf engstem Raum leben die Familien zusammen und besitzen wenig Habseligkeiten. Ihr grösster Besitz und das Kapital ist die Herde, seien es Pferde, Rinder, Yaks, Schafe, Ziegen oder Kamele, je nach Region. Wir haben für die Familie etwas Süssigkeiten und für den Herrn des Hauses eine kleine Flasche Wodka mitgebracht. Die Flasche wird sofort geöffnet und ausgeschenkt, das ist so üblich. Es gibt jeweils nur einen Becher und dieser macht die Runde, bis die Flasche leer ist. Dank unserem Führer, der übersetzt, gestaltet sich diese Begegnung als bereichernd, ein eindrucksvoller Moment!

Die grüne, bewaldete, von Hügeln gesäumte Landschaft wechselt allmählich. Eine eher karge, baumlose Ebene offenbart sich. Wir fahren nach drei reinen Fahrtagen in Karakorum, der ehemaligen Hauptstadt Dschingis Khans ein. Die Stadt wird als kultureller Höhepunkt einer Mongoleireise bezeichnet. Es ist die buddhistische Klosteranlage von Erdene Zuu, die den Besuch ausmacht. Umrahmt von über 100 Stupas ist es wohl das grösste und schönste Kloster der Mongolei und die Besichtigung wert. Von der Zentralmongolei führt unsere Reise weiter Richtung Süden in die Wüste Gobi. Die Vegetation wechselt in eine Wüstensteppe. Die flache Kiesebene ist jedoch grün durchsetzt, hat es in den letzten Tagen viel geregnet. Die Steinwüste geht nun langsam in eine Sandwüste mit Erhebungen über, was die Landschaft in meinen Augen etwas spannender erscheinen lässt.

Wir sind für drei Tage mit einem Kamelzüchter und dessen Tieren unterwegs. Das Sitzen auf den zweihöckrigen Viechern gestaltet sich schon nach den ersten Minuten ziemlich unbequem, sind die Sättel doch recht hart und der Gang der Tiere auch. Zum Glück reiten wir meistens im 1. Gang, der 2. Gang, ein Traben, ist kaum auszuhalten. Es sind jedoch fantastische Tage und ein unvergessliches Erlebnis. Langsam und bedächtig bewegt sich unserer kleine Kamelkarawane durch die von Ruhe geprägte Landschaft. Die Wüste mit den verschiedenen Sandformationen und Farbtönen fasziniert mich sehr. Am ersten Abend zelten wir an einem bildschönen Platz. Nach einem kurzen heftigen Sandsturm lassen wir den lauen Abend am Feuer ausklingen. Nach einer klaren Nacht taucht die aufgehende Sonne die Wüste in warmes, neues Licht. Wir schwingen uns erneut in den Sattel. Unter der glühenden Sonne tragen uns die Kamele weiter und weiter… Am zweiten Abend lädt uns der Kamelführer zu sich nach Hause ein und wir dürfen in seiner Gastjurte nächtigen. Er gewährt uns somit einen Einblick in sein Leben. Auch er wohnt in einfachsten Verhältnissen mit seiner Frau und Kindern in einer Jurte. Im Sommer mag das alles erträglich sein, aber oft denke ich daran, wie hart und kalt die Winter bei tiefen Minusgraden wohl sein müssen…

Unser letztes Ziel ist Chongoryn Els, die grössten Sanddünen der Gobi. In einem breiten Streifen von ca. 180 km Länge zieht sich die Dünenkette goldfarben durch die Steppe. Wir erklimmen diesen Sandhaufen und stapfen dem Grat entlang. Bergab bewegen wir uns in grossen Sprüngen. Manchmal kann dadurch ein tiefer, langanhaltender Ton erzeugt werden, fast unheimlich. Es sei ein einzigartiges Phänomen, deshalb werden die Sandhügel auch „Singende Dünen“ genannt. Nun neigt sich unsere Zeit in diesem wundervollen Land dem Ende entgegen. Annähernd 50 Stunden haben wir im Jeep verbracht, haben aber lediglich eine Strecke von ungefähr 1700 km zurückgelegt. Wir stossen mit unseren beiden Begleitern auf die vergangenen Wochen an und kippen schlussendlich ein Gläschen zuviel vom „Wässerchen“. Der Wodka, das Nationalgetränk der Mongolen, hat es in sich…  Mit einer Propellermaschine fliegen wir nach Ulan Bator. Zurück in der Stadt steuern wir, trotz des guten Essens unterwegs, erst einen der vielen Supermärkte an und kaufen, was wir trotzdem vermisst haben… Käse, Joghurt und Schokolade!

Nach diesen drei eindrücklichen Wochen in der Mongolei erwartet uns das nächste Land, Russland. Wir reisen wieder in der lebhaften 2. Klasse und teilen das enge Abteil mit zwei Mongolen, die zu ihren Verwandten fahren. Der eine spricht gut Englisch. Wenn man auf so engem Raum zusammenlebt, schätze ich es sehr, wenn man sich etwas unterhalten und so eine angenehme Atmosphäre schaffen kann. Die Fahrt dauert insgesamt 34 Stunden, darin sind zwei Nächte und ein Grenzprozedere von rund 10 Stunden enthalten. Unglaublich, wie das jeweils dauert! Erst werden morgens an der Grenze auf mongolischer Seite die Pässe eingesammelt. Während dieser Zeit darf niemand den Zug verlassen und das Klo ist abgeschlossen. Nach einer langen Weile erhält man die Ausweise gestempelt zurück, tuckert zwischen den Grenzposten, bis auf der russischen Seite dieselbe Geschichte ihren Lauf nimmt. Dort steuern zusätzlich noch Polizeibeamte mit Hunden durch den Zug und kontrollieren die Waggons und Gepäck. Als endlich auch der russische Stempel im Pass ist, kann der Zug verlassen werden. Bis dieser die Fahrt wieder aufnimmt ist später Nachmittag. Ich habe das Gefühl, unendlich lange unterwegs zu sein, aber kaum so richtig Zug zu fahren!

Die Naturschönheiten Sibiriens….

Wir sind in Sibirien. In Irkutsk, der Stadt nahe dem südlichen Ende des Baikalsees gelegen, sind wir bei einer Gastfamilie untergebracht. Wir kriegen einen Einblick in russische Wohnverhältnisse. In der kleinen 3-Zimmerwohnung wird uns das eine Zimmer überlassen, die Grosmutter nimmt eines in Anspruch und das Wohnzimmer bleibt für das sympathische Ehepaar übrig. Ein paar Brocken Deutsch sowie Englisch tragen zur notwendigen Verständigung bei, für viel mehr reicht es leider nicht.

Für die nächsten Tage fahren wir zum Baikalsee, der eigentlichen Attraktion dieser Region. Mit einer Länge von über 600 km und einer Breite von 20 – 80 km ist er der grösste Süsswassersee der Erde und 58 mal so gross wie der Bodensee. Mit einer maximalen Tiefe von 1637 m ist er auch der tiefste See der Welt. Er bricht alle Rekorde… sei mit seinem Alter von 25 Mio. Jahren auch der älteste See und mit seinem Wasser, dass Trinkqualität aufweist, auch der klarste See. Alle Flüsse dieser Erde bräuchten ein Jahr, um den See zu füllen… ein eindrücklicher Fakt! Im Winter ist der See von Anfang Januar bis Anfang Mai zugefroren und weist eine geschlossene Eisdecke von durchschnittlich einem Meter auf.  Im Sommer erreicht die Wassertemperatur durchschnittlich nur 14 Grad, somit kein Badespass für Warmduscher…

Es regnet in Strömen. Bis wir mittags im kleinen Dorf Bolshoe Goloustnoe die Wanderung starten, ist der Himmel zum Glück nur noch trüb. Der Weg führt entlang den Ufern, der See meist im Blickfeld. Mir gefällt es prima und ich stelle mir vor, wie reizend die Landschaft erst bei schönen Wetter wirken könnte. Aber für heute bleibt es wolkenverhangen und kühl. An einer idyllischen Stelle am Waldrand mit Blick auf den See stellen wir die Zelte auf und Vladimir, unser Führer, fängt über dem Feuer zu kochen an. Dann taucht plötzlich der Ranger des Nationalparkes auf und sein böser Blick verheisst nichts Gutes. Die beiden diskutieren angeregt. Zwar verstehen wir kein Wort, aber wohl ist es mir nicht dabei. Schlussendlich schüttet der Aufseher Wasser über das Feuer und braust davon. Man dürfe hier nicht mehr campen, wir müssen umsiedeln, heisst es. Ich hoffe, mich verhört zu haben, aber weiss insgeheim, es ist nicht so! Die ganze Arbeit der letzten Stunden umsonst… Was bleibt uns anderes übrig, wir brechen die Zelte ab, packen alles ein, lassen das viele gesammelte Holz zurück und wandern einige Meter weiter zum Platz, wo das Zelten gestattet sei. Auch hier sieht es nach keinem offiziellen Campingplatz aus, weder wir noch Vladimir wissen, wo der Unterschied liegt. Als wir die Borschtsch, die traditionelle russische Randensuppe serviert bekommen, ist es bereits spätabends. Glücklicherweise wird es erst eine Stunde vor Mitternacht dunkel. Es ist kalt und ich wärme mich am lodernden Feuer. Die Nacht im Zelt wird keineswegs kuschelig warm, morgens ist das Thermometer auf 7 Grad gesunken. Ich bin erleichtert, als sich die ersten Sonnenstrahlen zeigen. Ein prächtiger Tag steht uns bevor! Heute ist der See tiefblau gefärbt, der Himmel auch und ich bin dankbar, dass es Petrus gut mit uns meint. Die Küstenlandschaft ist traumhaft, wir wandern durch grüne, blumige Wiesen und Birkenwälder. Wir treffen kaum auf weitere Menschenseelen und vom See geht eine ruhige Stimmung aus. Abends kommen wir im verträumten Dorf Bolshie Koty an. In einem familiären Gasthaus kommen wir unter. Um diese vier Wände bin ich froh, regnet es am Tag darauf wieder heftig. Erst spät nachmittags gewährt uns das Wetter einen Spaziergang durch den winzigen Ort. Ein Tragflächenboot bringt uns in Kürze nach Listwijanka, wo es touristischer zu und her geht. Der Ort selber bietet jedoch keine Schönheiten und wir fliehen am nächsten Tag wieder an einsamere Uferabschnitte, um für uns allein zu sein. Wir wandern ein Stück und picknicken an einer der Buchten direkt am Wasser. Roland wagt sogar einen Sprung ins kühle Nass… die Temperatur lag wohl über dem Durchschnittswert! Sagenhafte Tage gehen zu Ende und wir fahren zurück ins Homestay nach Irkutsk.

Um den See noch von einer anderen Ecke kennenzulernen, statten wir der Insel Olchon, in der Mitte des Sees gelegen, einen Besuch ab. Wir fahren mit dem öffentlichen Bus und der Fähre die ca. 300 km lange Strecke Richtung Nordosten. Die trockene Steppenlandschaft zieht sich über das hügelige, ca. 80 km lange Eiland. Die Gegend besticht auch durch schattenspendende Wälder und lange weisse Sandstrände. In diesen Tagen brennt die Sonne vom Himmel und es wird von Tag zu Tag heisser. Wir sind im kleinen Hauptort Chushir einquartiert. Dieser gibt nicht viel her, die Küste hingegen ist reizvoll. Um den heiligen Schamanenfelsen im Wasser ranken sich zahlreiche Mythen. Tagsüber erforschen wir die Gegend zu Fuss oder auf dem Radsattel und erholen uns am sandigen Strand. Die Abende lassen wir auf den Klippen bei sinkender Sonne ausklingen und geniessen die geheimnisvolle Stimmung…

Wieder zurück in unserer Basis in Irkutsk, angeblich der schönsten Stadt Sibiriens, schlendern wir durch die Strassen und halten Ausschau nach den alten typischen, mit Schnitzereien verzierten Holzhäusern. Einige gibt es noch zu bewundern, andere sind am verfallen. Wir verabschieden uns von unserer herzlichen Gastfamilie und besteigen den Zug nach Novosibirsk, der grössten Stadt von Sibirien.

Die unendliche Weite Russlands…

Wir fahren diesmal in der 1. Klasse und verfügen somit über ein Abteil ganz für uns allein. Wir breiten uns aus und machen es uns in unserem Zuhause gemütlich. Ich möchte die Erlebnisse der 2. Klasse auf keinen Fall missen, aber schätze nun unsere Privatsphäre. Die Landschaft braust vorbei, sie ändert sich auch nach stundenlanger Fahrt kaum. Die Taiga mit ihren Nadelbäumen und grünen Wiesen, die manchmal mit farbigen Blumen geschmückt sind, begleitet uns stets. Hin und wieder hält der Zug an und wenn es nach stundenlanger Fahrt einen längeren Stopp gibt, können wir uns auf dem Bahnsteig die Füsse vertreten. Es erweist sich als wertvoll, dass ich mir die kyrillischen Buchstaben eingeprägt habe, kann ich so den Fahrplan im Zug und die Ortsnamen auf den Bahnhöfen entziffern. Denn auch in Russland kommen wir mit der englischen Sprache nicht weit. Lediglich eine Minderheit der Bevölkerung ist deren gewachsen, auch nicht alle Zugbegleiterinnen. Es scheint eine Angewohnheit der Russen, frischfröhlich in der uns fremden Sprache auf einem einzuplappern, obwohl sie längst bemerkt haben, dass wir kein Wort verstehen. Auch wenn die Verständigungsprobleme oft gross sind, fällt mir auf, dass die Mehrheit der Leute ist sehr freundlich ist.

Nach rund 30 Stunden rollen wir in Novosibirsk ein. Das ansehnlichste an dieser Stadt ist wohl der grosszügige, türkis gepinselte Bahnhof mit den edlen Kronleuchtern im blitzblanken Wartesaal. Ein neuer Tag beginnt. Ein Fahrer steuert uns in die rund 4 Stunden entfernte Stadt Tomsk. Die Studentenstadt ist berühmt für ihre hübschen alten, zum Teil aus Holz gebauten Häuser. Wir spüren einige wunderschöne Exemplare mit zahlreichen schmuckvollen Fenstern und dekorativen Dachrinnen auf. Der Zwischenhalt in dieser mit viel Grünflächen beschenkten Stadt erweist sich als lohnenswert. Wir sitzen oft in einem Park. Ich finde es interessant, das vorbeischlendernde Volk zu beobachten. Bunt durchmischt ist es, stolzieren jedoch auffällig viele herausgeputzte weibliche Gestalten mit klappernden Stöckelschuhen und superkurzen Röcken vorbei. Bei uns würden sie auffallen, hier ist es stinknormal…

Wir sind bereit für die nächste, die längste Zugetappe unserer Reise. Moskau ist rund 3600 km und 56 Stunden entfernt. Ich freue mich auf das richtige, ungetrübte Zugfahren, ohne diese lästigen Grenzkontrollen. Wir nisten uns in unserem dekorativ hergerichteten Zweibettabteil wohnlich ein. Wir sind die Einzigen in diesem Waggon mit jeweils neun solchen Abteilen und es ist schon fast gespenstisch ruhig. Unterwegs steigen aber immer wieder Reisende zu, einige wieder aus. Ich geniesse das Unterwegssein… die Zeit vergeht mit Lesen, Beobachten, Plaudern und Essen erstaunlich rasch. Spätabends versinkt die Sonne hinter dem Horizont, wir kuscheln uns in die Schlafsäcke und lassen uns in die Träume rütteln. Am zweiten Tag fahren wir von Asiens nach Europa ein, das Uralgebirge bildet die natürliche Grenze. Aus der sonst topfebenen Landschaft erheben sich nicht wie erwartet Berge, lediglich einige Hügel sind ersichtlich. Und schon bald geht es wieder ähnlich weiter wie die letzten Tausende von Kilometern… flach, grün, bewaldet. Für mich ist es eine Genugtuung, unterwegs zu sein, die Landschaft beeindruckt mich nur mässig.

Die Metropolen Russlands…

Am Ende des dritten Tages erreicht unser Zug seine Endstation, Moskau. Es leben 15 Mio. Menschen hier und sei die grösste sowie teuerste Stadt Europas, lese ich. Das Wetter ist heiss und stickig, der wehende Wind empfinde ich wie ein blasender Haarföhn. Die Temperaturen liegen über 30 Grad, auch nachts gibt es keine merkliche Abkühlung. Träge bummeln wir durch die grosszügigen Strassen umgeben von mächtigen Gebäuden.  Der Rote Platz ist der Touristenmagnet schlechthin und verdient es in meinen Augen auch. Glanzvolle Bauten wie die einzigartige Basilius-Kathedrale mit den Zwiebeltürmen und der bunten Bemalung sowie das wunderhübsche Kaufhaus GUM mit den lichtdurchfluteten Galerien und den darin untergebrachten Luxusläden, zieren den riesigen Platz. Im Kreml, dem Regierungssitz,  sind die goldenen Kuppeln der verschiedenen Kirchen eine Augenweide für mich. Die gepflegte Parkanlage ausserhalb lädt auf den ersten Blick zum Ausspannen ein. Leider gibt es aber kaum Möglichkeiten, die Füsse hochzulagern, stehen die wenigen Bänke entweder an der prallen Sonne oder sind besetzt. Die Rasenflächen dürfen nicht betreten werden, wagt es jemand, wagen es rasch viele, wie auch wir. Es geht nicht lange, ertönt die Trillerpfeiffe der Gesetzesbeamten, man wird auf das Vergehen aufmerksam gemacht und aufgescheucht. Ungemütlich, aber auf diese Situation treffen  wir noch mehrmals und belächeln es mit einem Kopfschütteln…

Mit dem Hochgeschwindigkeitszug düsen wir in knapp vier Stunden nach St. Petersburg, die noch ansehnlichere der beiden Metropolen. Die Stadt, auch Venedig des Nordens genannt,  ist von vielen kanalisierten Flussläufen umgeben. Pastellfarbige, prachtvolle Häuser zieren die Strassen, die zum Flanieren einladen. Etwas ausserhalb beäugen wir die prunkvollen Schlösser, den Peterhof und den Katharinenpalast. Massen von Besuchern, darunter viele grosse Gruppen, schieben sich durch die weltberühmten Anlagen. Es erstaunt uns sehr, dass nur wenige Informationen, die für uns Individualisten wichtig wären, ins Englische übersetzt werden. So raubt uns das Herausfinden der Öffnungszeiten, der Ticketpreise und den verschiedenen Möglichkeiten der Besichtigungsvarianten Zeit und Geduld. Da wir auch auf sprachlicher Ebene oft scheitern, versuchen wir, unsere Logik anzuwenden und realisieren aber, dass Russland anders tickt. Ein Überbleibsel der Sowjetzeit, wird uns später erklärt, es bestehe gar kein Interesse, dass wir es verstehen können… Trotzdem bleibt uns die Stadt an der Ostsee sympathisch und wir erfreuen uns an den langen, hellen Sommerabenden dieser nördlichen Breitengrade. Die Tage sind gezählt, die 8 Wochen Urlaub verlebt und unsere Reise nimmt ein Ende!

Zurück in der Heimat gehe ich in Gedanken nochmals auf diese lange, abwechslungsreiche Reise und schwelge in den Erinnerungen. Die zurückgelegte Strecke misst insgesamt 8500 km. Etwa 170 Stunden Zugfahrt liegen hinter uns, was 7 Tagen und Nächten entspricht. Wir haben eine Menge erlebt, gesehen und einmal mehr ist alles gut verlaufen. Dafür bin ich dankbar sowie auch, dass ich meinen Traum der Transsib mit meinem Schatz verwirklichen konnte…

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Kommentare

Transsib – China, Mongolei, Russland — 2 Kommentare

  1. Hallo Ihr Zwei

    Faszinierende Bilder von Eurer Transsib Reise. Wir sind in Planung eines Roadtrip rund um die Welt. Unsere zweite Etappe planen wir auf dem Landweg von Malaysia in die Schweiz zu fahren. Die Mongolei ist da ein ganz grosser Traum und wir lesen saugen mit grossem Interesse die Infos auf.

    Die frische Stutenmilch und der gesalzene Milchtee klingen ja abenteuerlich… ;-)

    Safe travels,
    Reni

    • Hallo Reni
      Es freut uns, dass du in unseren Blog eingetaucht bist. Unsere Transsib-Reise war wirklich toll und abwechslungsreich – war lange ein Traum von mir. Die Landschaft der Mongolei ist sehr reizvoll, die lokalen Getränke hingegen gewöhnungsedürftig!
      Mit einem eigenen Fahrzeug um die Welt ist bestimmt eine grosse Herausforderung und nimmt einiges an Planung in Anspruch – ganz viel Spass dabei.
      Herzliche Grüsse aus dem Iran
      Christine & Roland

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