Giganten des Komodo Nationalparks
Die fischreichen Tauchreviere des Komodo Nationalparks zählen zu den besten der Welt – die artenreichen Korallengärten gelten als wahres Wunderland. Die Inseln Komodo, Rinca und Padar sowie unzählige kleinere Eilande bilden ein verzweigtes Labyrinth aus Inseln und Meeresstrassen, wo verschiedene Strömungen aufeinander treffen, was Grossfische anlockt. Mantas und Haie fliegen vorbei und gleiten durch immense Mengen von Riffbewohnern. Das aus dem Süden strömende kältere, nährstoffreiche Wasser beeinflusst auch die Wassertemperaturen, welche stark schwanken, sowie die Sichtweiten, die im besten Fall bis zu 40 Meter betragen… Auch wenn die Sicht unter Wasser momentan nicht sagenhaft ausfällt, beschert uns das Abtauchen ein Eintauchen in eine berauschende Unterwasserwelt mit gigantischen Begegnungen!
Schon seit einer Weile ist es hell, als uns morgens um sechs das Frühstück auf unsere Veranda gebracht wird. Eine Stunde später ist bereits Treffpunkt in der Tauchbasis, von wo es zusammen mit den anderen Tauchern zum nahegelegenen Hafen geht, wo die Crew des Tauchboots uns bereits erwartet. Auf dem geräumigen Holzschiff machen wir es uns in den weichen Sitzkissen auf dem schattigen Oberdeck bequem. Die Fahrt verläuft ruhig, der im Sonnenlicht schimmernde Ozean wirft kaum Wellen. Die friedliche Anfahrt zu unserem ersten Tauchplatz im zentralen Teil des Nationalparks nimmt fast zwei Stunden in Anspruch. Wir sind etwas angespannt, wie meistens vor einem ersten Tauchgang an einem neuen Ort, insbesondere mit Mietausrüstung. Oft ist es schwierig, einwandfreies und vor allem passendes Material zu erhalten. Die kleinste Grösse des vorhandenen Neopren-Anzugs sitzt zwar satt um meine Beine, nicht jedoch am Oberkörper. Beim Sprung ins Meer läuft mir das Wasser kalt die Brust und den Rücken herunter – kein gutes Zeichen.
Mit unserem englischen Tauchguide, dem Energiebündel Lisa, tauchen wir langsam ins tiefe Blau. Auf Anhieb sind wir beeindruckt von den wunderschön bewachsenen Korallenriffen, sind umgeben von Tausenden von Fischen. Haie ziehen anmutig an uns vorbei. Grosse Schildkröten verharren fast reglos im Riff, gönnen sich wohl eine Pause. Meistens können wir uns von einer leichten Strömung treiben lassen, doch urplötzlich ändert diese manchmal ihre Richtung. Dann müssen wir härter in die Flossen kicken, um gegen die uns entgegendrückenden Wassermassen anzukommen, oder auch unsere Richtung ändern. Erste Umrisse eines Mantas lassen sich ausmachen. Langsam steuert der riesige Rochen auf uns zu, dreht majestätisch seine Runden, bevor er wieder im leicht trüben Wasser verschwindet. Wir sind mit fantastischen Tauchspots gesegnet, und trotzdem ist es für mich nur ein halbes Vergnügen. Weil ständig Wasser durch den zu weiten Tauchanzug spült, friere ich auch im 28 Grad warmen Meer schon innert Kürze. Nach einer Stunde steige ich schlotternd aufs Deck. Immerhin lacht die Sonne und wärmt unsere Körper bald wieder auf.
Neuer Tag – neues Taucherglück. Ein deutsches Paar leiht mir netterweise eine Kopfhaube, wodurch am Hals kaum mehr Wasser in den Anzug dringt und meine Körperwärme weniger schwinden lässt. Ich bin sehr dankbar und kann unsere heutigen Tauchabenteuer auch richtig geniessen… “Alle tauchen hinter mir”, weist unser lokaler Tauchguide Hila uns beim Briefing des Tauchplatzes eindringlich an. Er kennt sich mit den hier herrschenden Strömungsverhältnissen bestens aus und kann uns davor bewahren, in die an zwei Seiten der grossen Felsnadel vorbeiziehende starke Strömung zu geraten. Dagegen ankommen kann man kaum und die Gefahr, irgendwo in den Weiten des Ozeans zu enden, wäre gross. Deshalb halten wir uns brav hinter Hila, der uns im Strömungsschatten der Felswand im Zickzack dem Riff entlang führt. Inmitten reizender Korallen tummeln sich nebst Millionen Fischlein auch grössere Exemplare wie Süsslippen oder Napoleons. Wir sind inmitten eine Fischsuppe geraten – es wimmelt nur so von Flossen!
Der Tauchspot “Manta Point” erweist seinem Namen bereits vor dem Abtauchen alle Ehre. Wie aus dem Nichts kreuzt eine riesige Schule Mantas auf, schwebt nur knapp unter der Wasseroberfläche an unserem Boot vorbei. Einige von uns springen sofort mit Schnorchel ins Nass, wir betrachten das unverhoffte Spektakel von oben. Später stürzen wir uns mit Tauchausrüstung in die Fluten und rechnen damit, die Teufelsrochen auch unter Wasser noch begrüssen zu können. Die Sichtweite ist leider begrenzt, so lassen sich die Mantas erst spotten, wenn sie schon fast zum Greifen nah sind. Aber immer wieder taucht einer der Giganten neben uns auf und segelt elegant vorbei – wie ein fliegender Teppich. Vom Schwanz einmal abgesehen, ist ihr Körper breiter wie lang – die Spannweite von einer Brustflossenspitze zur anderen beträgt bis zu sieben Meter. Es ist der reine Wahnsinn – noch nie haben wir so viele dieser tonnenschweren Rochen auf einmal gesichtet…
Heute erwarten uns anstelle eines dritten Tauchgangs die sogenannten Komodo-Drachen. Diese Warane mit einer Länge von bis zu über drei Metern bringen bis zu 150 Kilogramm auf die Waage. Die gigantischen Landechsen leben hauptsächlich auf den Flores westlich vorgelagerten Inseln Rinca und Komodo, daher auch ihr Name. Auf Rinca ist die Wahrscheinlichkeit, Warane zu sichten, höher als auf Komodo, denn hier leben relativ viele Tiere auf einer kleineren Fläche. Zudem ist Rinca nur zwei Bootsstunden von Labuan Bajo entfernt und wird häufiger angefahren wie Komodo, das doppelt so weit weg liegt… Mit dem Tauchschiff legen wir am kleinen Holzsteg von Rinca an, wo bereits mehrere Boote vor Anker liegen. Das zerklüftete Hügelland verrät den vulkanischen Ursprung der Insel, die durch Brände fast sämtliche Wälder eingebüsst hat. Übrig geblieben ist eine trockene Savannenlandschaft. Die Grassteppe ist das Weidegebiet wilder Hirsche und Schweine sowie gewichtiger Büffel, die hin und wieder den Komodo-Waranen zum Opfer fallen.
Eine Backofenhitze schlägt uns entgegen, die Sonne brennt gnadenlos auf unsere Köpfe. Nach wenigen Minuten im herbeigesehnten Schatten des Besucherzentrums angekommen, werden uns Ankömmlingen sofort zwei Ranger zugewiesen. Wanderungen ins Landesinnere sind nur in Begleitung von Führern der Naturschutzbehörde möglich, welche uns mit langen Holzstöcken bewaffnet, vor den gefährlichen Drachen behüten. Bereits nach wenigen Schritten stossen wir noch im Ranger-Camp auf die ersten Reptilien, faul liegen mehrere unter einem Stelzenhaus im Schatten. “Dies ist unsere Küche”, erklärt Sarif, der unsere Truppe anführt, “der Geruch von Essen zieht sie an.” Die Frage, ob die Warane gefüttert werden, verneint er vehement, was wir jedoch bezweifeln. Die Riesenechsen bewegen sich kaum. “Nur von sechs bis acht in der Früh sind die Tiere aktiv, danach ist es ihnen zu heiss – wie uns Indonesiern auch”, schmunzelt Sarif leicht verlegen. “Auch wenn sie einen trägen Eindruck erwecken, erreichen sie eine Geschwindigkeit von knapp zwanzig Stundenkilometern. Davonrennen ist also zwecklos.” Wir haben Zeit, die Warane zu beobachten, bevor es auf einen kleinen Spaziergang durch das angrenzende Waldstück geht. Die vor sich hin dösenden Drachen beeindrucken uns nicht sonderlich, haben wir sie uns noch grösser und vorallem imposanter vorgestellt…
Ein Rascheln im Laub. Gespannt bleiben wir stehen. “Ein Weibchen”, verrät uns Sarif. Auf Rinca leben wegen den heissen Temperaturen mehr Männchen wie Weibchen, wäre es etwas kühler, gäbe es mehr Weibchen. Somit streiten sich die vielen Männchen um die wenigen Weibchen. Hat ein Kerl erfolgreich eine Dame erobert, dauert der Paarungsakt etwa fünf Stunden. “Die Männchen haben sogar zwei Penisse, einen kurzen und einen langen – denen geht es gut!”, sprudelt es fast etwas neidisch aus Sarif. Die Komodo-Warane sind Kannibalen und fressen sich gegenseitig ihre Eier oder ihre Kleinen auf. Deshalb leben die jungen Warane in den ersten Lebensjahren vorwiegend auf Bäumen, wo sie sich meistens in Sicherheit befinden.
Zurück im Ranger-Camp bringt eines der Männchen Energie auf und stapft zu unserer Freude schwerfällig zwischen den Bäumen umher. Seine dicke, gespaltene Zunge schiesst in regelmässigen Abständen aus seiner Klappe. Sarif warnt, uns nicht zu weit von ihm und der Gruppe zu entfernen und einen genügenden Sicherheitsabstand zu bewahren. “Die Augen und Ohren der Warane sind nicht besonders gut ausgebildet, doch sie besitzen einen exzellenten Geruchssinn und können eine Beute bereits aus einer Distanz von fünf Kilometern wahrnehmen”, versetzt uns der indonesische Ranger in Staunen. “Ihr Schädel hat zwar nur eine geringe Beisskraft, doch ihr Speichel ist so giftig, dass ein Biss mittelfristig jedes Tier tötet. Selbst bullige Tiere wie Büffel sterben nach ein paar Tagen an einer Blutvergiftung.” Die spannenden Erläuterungen von Sarif imponieren, genauso wie die zum Leben erwachte Riesenechse. Wenn sich die urzeitlichen Geschöpfe bewegen, erregen sie mehr Aufsehen, wie wenn sie nur träge herumliegen – fabelhaft.
Die Tage auf dem Boot mit drei Tauchgängen und den sich dahin ziehenden Anfahrten sind lang, erst abends um fünf oder sechs sind wir wieder zurück im Hafen von Labuan Bajo. Salzverkrustet freuen wir uns auf eine Dusche, müde fallen wir bald ins Bett. Deshalb gönnen wir uns stets einen Ruhetag, bevor wir das nächste Mal wieder zu Unterwasser-Streifzügen aufbrechen… Heute peilen wir die nördlich gelegenen Tauchreviere an, wo die Strömung oft heftig zieht. Unser Guide Robby beschreibt uns ausführlich, was uns am ersten Tauchplatz mit dem verheissungsvollen Namen “Hexenkessel” erwartet. “Nach dem Abtauchen auf eine Sandfläche werden wir von einem Sog erfasst und können uns treiben lassen”, brieft er uns euphorisch, “und dann Rock’n’Roll!” Etwas aufgeregt machen wir uns bereit und sinken in die Tiefe. Nach einer Weile drückt Strömung gegen uns und Robby deutet mit Handzeichen an, uns um 180 Grad zu wenden. Gemütlich paddeln wir anstelle eines rasanten Drift-Dive dem entzückenden Korallengarten entlang. Wieder zurück auf dem Schiff erklärt uns Robby aufgebracht: “Die Strömung hat leider zwischenzeitlich die Richtung gewechselt – sorry, no Rock’n’Roll.” Auch die weiteren beiden Tauchgänge sind nicht actiongeladen wie prophezeit, aber dennoch überwältigend. Die Strömung ändert hier manchmal blitzschnell, genauso wie das Wetter. Graue Wolken verfolgen uns, die sich am Ende des Tages nicht mehr zurückhalten können. Immerhin öffnet der Himmel seine Schleusen erst, als wir wieder Festland unter den Füssen spüren. Es giesst wie aus Kübeln und für einmal fällt der ansonsten stets stimmungsvolle Sonnenuntergang buchstäblich ins Wasser…
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