Gluthitze im Fish River Canyon
Nur noch 120 Kilometer trennen uns von der namibischen Grenze. Mittags treffen wir am Grenzposten Vioolsdrif – Noordoewer ein, dem meistbenutzen Grenzübergang im Süden Namibias. Auf Wiedersehen Südafrika – einst kommen wir hoffentlich wieder! Die Einreise nach Namibia verläuft zwar ziemlich speditiv, aber alles andere als freundlich. Schwerfällig hängt die schwarze Grenzbeamtin im Stuhl, auf ihren Ohren sitzen grosse Kopfhörer. „Alles“, fordert sie hässig und schiebt uns umgehend unsere ausgefüllten Einreiseformulare zurück. Das Feld „Adresse in Namibia“ haben wir absichtlich leer gelassen, denn es gibt ja keine. So kritzeln wir „Campingplatz“ in die Lücke, was der Dame besser gefällt. Mit Schmollmund knallt sie uns den erwünschten Einreisestempel in unsere Pässe. Willkommen in Namibia!
Die Gegend jenseits der Grenze ist sehr karg und staubig, eine richtige Einöde. Und es ist heiss, eine glühende Hitze macht sich breit. Ein grosser Teil des Landes ist trocken und wüstenhaft, insbesondere der Süden, der eher wenig Regen abkriegt. Wir verlassen die Hauptachse in Richtung Norden und folgen dem Wegweiser zum Fish River Canyon, unserem ersten Ziel in Namibia. Die Fahrt geht nun auf einer Schotterpiste weiter, die aber in gutem Zustand ist und uns flott vorankommen lässt. In Namibia sind die wenigsten Strassen asphaltiert, lediglich einige der Hauptverkehrsachsen. Langsam lassen sich erste Blicke auf die gewaltigen Felswände der breiten Schlucht erhaschen.
Bei einem ersten Fotostopp die Ernüchterung – ein Plattfuss! Das gibt es doch nicht, was ist nur los heute? Am Morgen waren wir in Springbok in Südafrika noch in einer Garage, da unser Auto seit vorgestern manchmal ein Quitschen von sich gibt, das wir nicht zuordnen können. Und dann der berühmte Vorführeffekt – das Geräusch stellt sich nicht mehr ein… Noch ist nun etwas Luft im Reifen übrig, aber das Entweichen ist klar hörbar. Es fehlen uns rund 50 Kilometer bis ans Ziel – die Sonne brennt gnadenlos vom Himmel. Roland schliesst den Kompressor an und hofft, mit frisch gepumptem Pneu den Campingplatz zu erreichen. Das klappt zum Glück – spätnachmittags treffen wir nach einem anstrengenden Tag in Hobas ein. Die Leute sind sehr hilfsbereit. Es gibt zwar keine Möglichkeit, den löchrigen Reifen dort zu flicken, aber das Montieren des Ersatzrades wird umgehend von vier flinken Händen für uns übernommen. Doch der Schrecken nimmt kein Ende. Die Einzelteile unseres Wagenhebers fügen sich nicht zusammen und dieser ist so unbrauchbar. „Eigentlich sollten wir den Kompressor und den Wagenheber einmal ausprobieren“, teilte ich meine Gedanken erst gestern mit Roland.
Nun lechzen wir nach einen kalten Sundowner im Schatten. Noch immer zeigt das Thermometer über 30 Grad, warme Windstösse fegen Staub über den Campingplatz. Etwas frustriert stossen wir auf unseren ersten Tag in Namibia an. Morgen gilt es, uns um die Reparatur des Reifens zu kümmern. Nichts desto trotz steuern wir zuerst verschiedene Aussichtspunkte am Fish River Canyon an – ein zweites Reserverad hätten wir ja noch. Ohne funktionstüchtigen Wagenheber nützt dieses zwar auch herzlich wenig. Aber so viel Pech wird uns hoffentlich nicht verfolgen…
Bereits im Verlaufe des Morgens wird es heiss wie in einem Backofen. Von einer Aussichtsplattform bietet sich ein erster Blick in die eindrucksvolle, graubraune Schlucht mit den stufenförmigen Hängen und den weitläufigen Flussschlingen. Der Anblick ist grossartig und erinnert uns an den grossen Bruder, den Grand Canyon. Der Fish River Canyon ist die zweitgrösste Schlucht der Welt – 27 Kilometer breit, 160 Kilometer lang und bis zu 550 Meter tief. Nach ausgiebigen Wolkenbrüchen, die in der Regenzeit manchmal vorkommen, können meterhohe Flutwellen durch den Canyon schiessen. Ansonsten fliesst höchstens ein kleines Rinnsal, wenn überhaupt.
Ein Abstieg oder Tageswanderungen sind strengstens verboten – es gab schon einige Todesfälle wegen Hitzschlag. In der kühleren Jahreszeit kann von April bis September eine 85 Kilometer lange, mehrtägige Wanderung unternommen werden. Aber selbst dann muss man sich in den Tiefen der Fischfluss-Schlucht auf Temperaturen bis zu 40 Grad gefasst machen – definitiv nichts für mich.
Nach einer Stunde Staubpistenfahrt erreichen wir das Roadhouse, wo unser Pneu gestopft werden kann. Der schlaksige Schwarze verschwindet mit dem kaputten Reifen. „Nun dauert es aber auch für Afrika unglaublich lange“, klage ich. Seit bald zwei Stunden warten wir in der brütenden Nachmittagshitze, auch im Schatten ist es schier unerträglich. Aber ja – die Europäer haben die Uhr, die Afrikaner die Zeit. Dann endlich, unser Pneu taucht geflickt auf. Nun rollen wir nordwärts Keetmanshoop, der „Hauptstadt des Südens“ entgegen…
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