Hobarts kolonialer Charme
Unverhofft taucht am Flughafengate aus der wartenden Menschenmenge ein bekanntes Gesicht auf. Spielen uns die Augen einen Streich? Das gibt es doch nicht – schmunzelnd steuert Rolands Cousine zielstrebig auf uns zu. Einmal mehr erscheint uns die Welt winzig klein. Für die nächste Verblüffung ist bereits gesorgt, sitzen Ursi und Jan genau in der Sitzreihe vor uns. Wir auf unserer Weiterreise, von der Südsee zurück nach Australien – die beiden auf dem Heimweg nach Sydney, wo wir sie vor acht Monaten besuchten. Gute vier Stunden später setzt der tonnenschwere Düsenjet behutsam auf der Landepiste auf. Wie letztes Mal reisen wir ohne Schlangenstehen in Down Under ein, wird der nötige Papierkram heutzutage blitzschnell von einem schlauen Automaten erledigt. Schon trennen sich unsere Wege wieder. Wer weiss, wann und wo wir uns wiedersehen…
Es dunkelt bereits ein, als wir verspätet in Richtung Süden abheben und das australische Festland hinter uns lassen. Zwei Stunden verflogen, schlägt uns in Tasmanien – „under Down Under“ – kühle Luft entgegen. Australiens grösste Insel ist gleichzeitig der kleinste Bundesstaat, der weniger als ein Prozent der gesamten Landmasse einnimmt… Als wir im Taxi durch die nächtlichen Stadtlichter brausen, begrüsst uns Hobart mit feuchter Miene. Auch unser erster Tag zeigt sich in einem graunassen Kleid. Das Thermometer klettert kaum über 15 Grad – im Vergleich zu Fidschi haben sich die Temperaturen halbiert. Am liebsten würden wir die warmen Federn unseres Hotelbettes überhaupt nicht verlassen, doch den ganzen Tag zu fasten, behagt uns nicht. Böenartiger Wind peitscht uns den Sprühregen von allen Seiten entgegen. Die Kapuze der Regenjacke tief ins Gesicht gezogen, huschen wir zum nächsten Supermarkt. Zusammen mit Käse und Salami schnabulieren wir das knusprige Brot in unserem modern in Weiss gehaltenen Schlafgemach, dem wir für den restlichen Tag nicht mehr entweichen.
Die Hauptstadt Tasmaniens ist vom Wasser geprägt, die Lage zwischen Meer und Berghängen fantastisch. An den Ausläufern des 1250 Meter hohen Mount Wellington gelegen, dessen Gipfel im Winter eine Schneemütze trägt. Ansonsten oft wolkenverhangen, wie auch heute, wo Nebelschwaden alle umliegenden Hügel umarmen. Ein erster Stadtrundgang. Auf dem Weg ins nahegelegene Zentrum fallen uns viele Ahornbäume ins Auge, die heimatliche Gefühle wecken. Die Strassen der kompakten Innenstadt sind im Schachbrettmuster angelegt, wo uns die Orientierung entsprechend einfach fällt. Viele historische Sandsteingebäude aus dem 19. Jahrhundert prägen die gut erhaltene Altstadt, nur wenige Betonklötze verschandeln das Stadtbild. Hobart strotzt vor kolonialem Charme – das britische Erbe ist in Tasmanien stärker präsent als im restlichen Land. Tasmanien verzeichnete kaum Einwanderungswellen aus dem restlichen Europa, die meisten Tasmanier sind gebürtige Australier britischer Abstammung.
Erste Sonnenstrahlen tanzen über den Ozean. Blitzblanke Schiffe schaukeln, spiegeln sich im glatten Wasser. Das Herz von Hobart schlägt im Naturhafen Sullivans Cove, gemütlich schlendern wir durch das zentrale Uferviertel. Ans südliche Ende des Kais grenzt der Salamanca Place, der im Jahre 1860 fertiggestellt wurde. Von der rauen Hafenatmosphäre der damaligen Walfängerzeiten ist heute nichts mehr zu spüren. Den langgezogenen Platz säumen malerische Zeilen vierstöckiger Lagergebäude – ein Schatz an klassischer Kolonialarchitektur. Die ehemaligen, liebevoll restaurierten Lagerhäuser beherbergen heute Galerien, Läden und Restaurants. In einem einladenden Café stopfen wir unsere hungrigen Mäuler. In der Mittagssonne ist es mittlerweile brütend heiss, im Schatten jedoch empfindlich kühl.
Jeden Samstag findet auf dem Salamanca Place ein grosser Markt statt. Hunderte von Ständen reihen sich hautnah aneinander. Der legendäre Salamanca Market ist gut besucht, man könnte meinen, die halbe Stadt sei auf den Beinen. Im Grossraum Hobart leben 200‘000 Einwohner, was rund 40 Prozent der tasmanischen Bevölkerung ausmacht… Strassenkünstler und Musik runden das lebhafte Geschehen ab, es geht zu und her wie auf einem Volksfest. In gemächlichen Schritten lassen wir uns mit den Massen treiben und inspizieren das teilweise originelle Angebot. Händler bieten allerlei Kreatives feil – von Holzschnitzereien über Strickwaren und von Schmuck bis Keramik. Kulinarische Köstlichkeiten kommen nicht zu kurz, gilt Tasmanien als Produzent für lokale Frischprodukte höchster Qualität und hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer Feinschmecker-Destination entwickelt. Nebst Bio-Produkten, Konfitüren, Käse und Gebäck werden auch Leckerbissen aus aller Welt angepriesen. Flammkuchen und Empanada – die elsässischen und südamerikanischen Spezialitäten feiern in unserem Magen gemeinsam ein Fest.
Nicht nur des Schlemmens wegen ein wunderbarer Tag. Auch das Wetter hält uns bei froher Laune, trägt es heute bei 25 Grad sein Sommerkleid zur Schau. Nach einer Siesta im Schatten erklimmen wir die schmale Treppe, die hinter den schmucken Lagerhäusern auf eine Anhöhe führt. Schnaubend erlangen wir den Stadtteil Battery Point, der Mitte des 19. Jahrhunderts ein lebendiges Hafenviertel darstellte. Heute verströmt die alte, fast unverändert erhaltene Seefahrersiedlung pure Ruhe. Die friedlichen Gassen entzücken mit schnuckeligen Häusern mit Erkern oder schmiedeeisernen Verzierungen. Niedliche Vorgärten oder Verandas blicken auf die Gehsteige. Pflanzen wuchern an Häuserfassaden, Rosenbüsche ranken sich um die Zäune. Hohe Strommasten machen mit einem Wirrwarr an Kabeln auf sich aufmerksam. „Wie im tiefen Asien“, kichert Roland kopfschüttelnd.
Südlich an das hinreissende Quartier Battery Point schliesst sich der Stadtteil Sandy Bay an, wo wir hausen. Der Wasserfront entlang flanieren wir am schillernden Jachthafen vorbei. Dahinter, an den Hängen des Mount Nelson, breitet sich die angeblich schönste und teuerste Wohngegend der Stadt aus. Ein weiterer Prachtstag. Unseren eigentlichen Plan, den höchsten Berg von Hobart – den vorgängig erwähnten Mount Wellington – zu besteigen, haben wir enttäuscht verworfen. Zufälligerweise fanden wir gestern heraus, dass heute Sonntag ein Halbmarathon seinen Lauf nimmt. Deshalb bleibt die Zufahrtsstrasse morgens gesperrt und das entsprechende Gewusel wäre uns sowieso zu gross.
Alternativ peilen wir den Mount Nelson vor unserer Nase an, der im Vergleich nur eine lächerliche Höhe von 340 Metern aufweist. Doch meine Muskeln danken, ist es die erste Wanderung seit Wochen. Durch trockenen, lichten Eukalyptuswald schustern wir aufwärts. Stetig lotst uns der Pfad bergan, bis wir eineinhalb Stunden später mit Schweissperlen auf der Stirn vom Gipfel staunen. Trotz des niedrigen Berges ist die Aussicht phänomenal, insbesondere auf die umliegenden Inseln und Halbinseln, die sich aus dem Tiefblau des Meeres erheben. Auch die weite Decke über uns protzt mit reinem Himmelblau, Wolken gehören der Vergangenheit an. Hundemüde erreichen wir nachmittags wieder unser Daheim, schmeissen die Schuhe in die Ecke und plumpsen glücklich aufs weiche Bett. Das Frühsommer-Wochenende fühlte sich auf eine Art an wie zuhause – die Exotik der tropischen Südsee verschwunden, kommt uns das Grün der westlichen Zivilisation wohl heimisch vor…
Juhuuu…. ihr seid wieder in Australien. Wir wünschen euch viel Spass in Tasmanien. Wieder ein schöner Bericht und für uns die perfekte Einstimmung auf die Insel. Wir dürfen Ende Januar hin.
Gnüsseds und s’feine Esse in Tassie.
Liebe Grüsse aus Brisbane :-)
Hey Reni – unglaublich, dein Kommentar kommt ja postwendend, herzlichen Dank!
Leider hat uns der sonnige Frühsommer momentan verlassen – alles ist grau in grau und es regnet. Aber bei euch in Brisbane vielleicht auch noch immer…
Das feine Essen kam heute aus der Camperküche. Ein Curry mit der Kokosnussmilch aus der blauen Dose – dein Tipp ist Gold wert.
Ganz liebe Grüsse an euch zwei – von Tassie unten an die Ostküste hoch…
Christine & Roland