Hoch hinaus in Singapur
Malaysia südlich vorgelagert liegt Singapur – der Inselstaat ist durch einen künstlichen Damm mit dem malaysischen Festland verbunden. Kurz vor der Brücke befindet sich der Grenzposten, wo uns der öffentliche Bus ausspuckt. Die riesige Abfertigungshalle mit zahlreichen Schaltern erinnert eher an einen Flughafen. Trotz Menschenmassen sind wir rasch ausgestempelt und zurück im Bus, der uns auf der anderen Dammseite für die Einreiseformalitäten in Singapur ablädt. Die Grenze ist rund um die Uhr geöffnet, auch hier geht alles flink voran. Nun trennt uns noch eine halbe Busstunde vom Stadtzentrum. Ausgehungert auf der Fahrt einen Muffin verschlingend, mache ich mich grundsätzlich strafbar. In Singapur ist vieles streng reglementiert. Werden Verbote missachtet, drohen hohe Bussen – Essen und Trinken in öffentlichen Verkehrsmitteln erleichtert die Geldbörse um 500 Dollar, Rauchen sogar um satte 1000 Dollar. Aber natürlich lasse ich mich nicht erwischen…
Den letzten Kilometer nehmen wir unter die Füsse. Mit Schweissperlen auf der Stirn stehen wir an der Rezeption des vorgebuchten Hotels, wo uns eine erfrischende Dusche und ein weiches Bett erwarten. Nach einer erholsamen Nacht gilt unsere erste Tat dem Einholen des Visums für Indonesien. Die Botschaft ist gut organisiert, geduldig warten wir, bis unsere Nummer aufgerufen wird. Bevor uns die Dame am Schalter eines Blickes würdigt, streckt sie uns ihre offene Hand entgegen. Während wir ihr die vorbereiteten Unterlagen zustecken, plappert sie mit ihrer Arbeitsgefährtin munter weiter. Nur zwei Tage später sind wir stolze Besitzer des beantragten Visums, welches uns berechtigt, 60 Tage in Indonesien zu weilen. Dies gewährt uns mehr Flexibilität, wie das verlängerbare 30 Tage-Visum, welches wir bei Ankunft erhalten hätten. Glücklich marschieren wir zurück zur Metrostation und düsen durch den Untergrund…
Bevor wir in unser ideal gelegenes Hotel im Quartier Bugis zurückkehren, lassen wir uns durch das nördlich gelegene Little India treiben, wo ein Grossteil der indisch-pakistanischen Bevölkerung zu Hause ist. Vielleicht stellt das Viertel die sauberste Gegend Indiens dar, auch wenn hier etwas mehr Abfall am Boden liegt, wie im Rest des blitzblanken Singapurs. Bunte alte Häuserzüge mit liebevoll restaurierten Fassaden und Fensterläden prägen die Strassen. In einem Hindu-Tempel halten wir einen Moment inne, gucken den Gläubigen bei ihren Ritualen über die Schulter. Das Essen in einem der unzähligen einfachen Strassenlokale ist ein Glückstreffer – die scharfen Saucengerichte und das noch warme Naan, ein typisches indisches Fladenbrot, sind ein wahrer Gaumenschmaus, und erst noch günstig.
Immer wieder kam uns im Vorfeld zu Ohren, wie teuer Singapur ist. Und es stimmt. Stehen wir vor den Regalen im Minimarkt, entsetzen uns die Preisschilder. Ein Bier kostet etwa doppelt soviel wie in einer Schweizer Beiz, für Joghurt oder Schokolade fällt der zweifache Betrag der Migros an. Oft sind die Preise in etwa gleich hoch wie in Malaysia, aber mit dem relevanten Unterschied, dass dort der Betrag von Zehn nur knapp zwei Franken fünfzig entsprach, hier jedoch gute sieben Franken ausmacht. Doch für das leibliche Wohl muss man nicht überall tief in die Tasche greifen. Verpflegen wir uns in den Foodcourts, den Fressstrassen der Shopping Malls, wo sich Imbissstand an Esslokal reiht, oder in sogenannten Hawker Centren, den überdachten Foodcourts im Freien, kommen wir preiswert und trotzdem lecker über die Runden.
Singapur ist ein kleines Land. Die Hauptinsel ist lediglich 42 Kilometer lang und 22 Kilometer breit – die Grösse des Stadtstaates ist in etwa so gross wie der Kanton Glarus. In Singapur leben fünfeinhalb Millionen Menschen, wovon nur knapp vier Millionen Staatsbürger sind, davon drei Viertel Chinesen. Den Rest bilden überwiegend Gasstarbeiter aus anderen asiatischen Ländern. Die Bevölkerungsdichte mit rund 8000 Einwohnern pro Quadratkilometer ist eine der dichtesten weltweit – im Vergleich dazu steht die Stadt Zürich mit 4300, die Schweiz mit 200 oder Namibia mit lediglich 2 Einwohnern pro Quadratkilometer… Glitzernde Wolkenkratzer, ultramoderne Konsumtempel und durchstrukturierte Wohnblocks beherrschen das Bild, das aber immer wieder durch blühende Grünflächen unterbrochen ist, welche fast die Hälfte des Staatsgebietes einnehmen.
Aufgeschüttetes Land bildet die Basis der Marina Bay, ein vor ein paar Jahren völlig neu entstandenes Stadtviertel. Bei unserem Rundgang entlang dem Wasser fällt der Blick auf die hoch aufragenden Wolkenkratzer des Geschäftsdistrikts. Der Himmel zeigt sich heute milchig grau, die eigentlich imposante Kulisse besticht überhaupt nicht. Wir kommen zwei Tage später noch einmal – nun mögen Sonnenstrahlen die hohen Riesen besser in Szene setzen. Der weisse Merlion im Vordergrund wirkt verschwindend klein. Asiatische Besucher tummeln sich vor dem offiziellen Wahrzeichen der Stadt. Ein Foto mit der acht Meter hohen, wasserspeienden Statue – halb Löwe, halb Fisch – scheint ein Muss. Auf der gegenüberliegenden Seite der Bucht dominiert das überwältigende Marina Bay Sands. Drei markante 55-stöckige Hoteltürme formen den extravaganten Bau, gekrönt von einer modernen Version der Arche Noah. Auf den in 190 Metern Höhe miteinander verbundenen Dächern befindet sich eine öffentlich zugängliche Aussichtsplattform sowie der knapp 150 Meter lange Überlaufpool, der den residierenden Gästen der über 2500 Zimmer vorbehalten ist.
Über die futuristische Helix-Fussgängerbrücke bummeln wir dem Komplex des Marina Bay Sands entgegen. Die Brücke, ein architektonische Meisterwerk aus Stahl und Glas, soll der menschlichen DNA nachempfunden sein. Über das glitzernde Einkaufszentrum, vorbei am Spielcasino und durch das Luxus-Hotel gelangen wir schlussendlich zum Garden of the Bay, einer gigantischen, milliardenschweren Parklandschaft. Viel Grünzeug ist hier zu bewundern, doch die spektakulärsten Bäume bestehen aus Stahl und Beton – die Szenerie mutet wie eine Landschaft eines Science-Fiction-Films an. Die Stämme dieser Super Trees sind mit verschiedenen Pflanzenarten üppig bewachsen. Die 25 bis 50 Meter hohen, echten Bäumen nachempfundenen Stahlkonstruktionen dienen nicht nur als vertikale Gärten, sondern auch als Regenwasserspeicher, Belüftungsschächte für die Gewächshäuser und mit Solarzellen versehen als Stromlieferanten. Die insgesamt 18 Superbäume sind teilweise mit luftigen Laufstegen verbunden oder sogar mit einem Restaurant ausgestattet. Ein verrückter botanischer Garten!
In zwei gewaltigen Gewächshäusern sind Pflanzen aus der ganzen Welt beheimatet. Der Flower Dome verfügt über ein gemässigtes Klima, hier haben unter anderem Gewächse aus dem Mittelmeerraum eine Heimat gefunden. Da heute zwecks Unterhaltsarbeiten geschlossen, begeben wir uns in die feucht-kühle tropische Berglandschaft des Cloud Forest. Den Mittelpunkt bildet ein künstlicher Nebelberg samt 35 Meter hohem Wasserfall. Seinen Gipfel erklimmen wir mit dem Fahrstuhl und bewundern die vielfältige Pflanzenwelt am Berg. Runter geht es über Stufen und Stege zu Fuss – eine Wahnsinnskonstruktion. Die Gewächshalle ist stark klimatisiert, es fühlt sich an wie in einem bewaldeten Kühlschrank. Vielleicht aber auch nur, weil uns die Sonne einmal mehr im Stich lässt…
Abends sind die Super Trees beleuchtet, den Höhepunkt stellt eine von Musik untermalte Lichtershow dar. Wir legen uns unter einen der Stahlkolosse, gucken himmelwärts und lassen uns von den gelungenen Effekten, passend zum Zusammenschnitt verschiedener Musicals, verzaubern – ein wahres Spektakel, wenn auch etwas kitschig.
Viele Wolkenkratzer erheben sich beidseits der Mündung des Singapore Rivers, dort wo früher einmal der historische Stadtkern lag. Im Schatten der schillernden Hochhäuser stehen vereinzelt gepflegte koloniale Bauwerke, Kirchen und Tempel – eine Mischung aus modern und traditionell, die uns gefällt. Langsam schlendern wir der Flusspromenade entlang, versuchen uns zu erinnern, wie es hier bei unserem ersten Besuch vor vielen vielen Jahren ausgesehen haben mag. Im alten Hafenviertel bilden die restaurierten chinesischen Ladenhäuser heute eine Ausgehmeile mit unzähligen Restaurants und Bars, dahinter ragen die neueren glänzenden Bauten kontrastreich in die Lüfte.
Unseren Spaziergang weiten wir ins chinesische Viertel aus, das sich südlich des Flusses erstreckt. Von der alten Chinatown sind nur noch Bruchstücke erhalten, farbenprächtige Strassenzüge zieren das Quartier. Die restaurierten, eigentlich reizvollen Häuser sind leider oft durch grosse Warenstände und Esslokale verdeckt und es erweckt den Anschein, Chinatown sei nichts weiteres, wie ein riesiger Marktplatz. Das Angebot zielt vorwiegend auf die sich durch die engen Gassen schiebenden Touristen ab. Eine Oase abseits der Hektik stellen die alten Tempel dar, wo wir in harmonischer Atmosphäre verschnaufen können… Anstelle unsere Bäuche chinesisch zu füttern, suchen wir Erich’s Würstelstand auf. Der Österreicher wirbt mit der letzten Bratwurst vor dem Äquator, welche wir uns nicht entgehen lassen. Mmmhh, die Curry-Wurst schmeckt köstlich, ist nur leider etwas klein geraten…
Hoch hinaus, hinauf ins 1-Altitude! Die Bar befindet sich auf dem Dach des 63-stöckigen Hochhauses – eines der höchsten Gebäude Singapurs. Im Eiltempo bringt uns der Lift in die angeblich höchstgelegene Freiluftbar weltweit. Der Eintrittspreis von 30 Singapur Dollar ist – der Bar entsprechend – hoch, doch in den umgerechnet 22 Franken ist immerhin ein Drink enthalten. Und heute Mittwoch ist sogar Ladies Night, was mir und allen anderen Damen einen kostenlosen Zutritt schenkt. Der Ausblick aus 280 Metern Höhe ist der Hammer, sozusagen unbezahlbar. Von hoch oben blicken wir über die Millionenstadt und die grünen Flecken der Insel, bis hinüber nach Malaysia. Genüsslich schlürfen wir einen Singapore Sling, ein fruchtig-aromatischer Cocktail aus Gin, Kirschlikör und weiteren Zutaten. Wir geniessen die Vogelperspektive – die Wolkenkratzer rund um uns wirken beinahe winzig. Langsam sinkt die Sonne dem Horizont entgegen, taucht die Dächer unter uns in sanftes Licht. Die Dämmerung bricht ein, schnell wird es dunkel und ein Lichterfunkeln überzieht die faszinierende Metropole. Singapore by Night – wir sind überwältigt…
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