Königliches Swaziland
Das Überqueren der Grenze bei Jeppe’s Reef – Matsamo ist eine schnelle Angelegenheit. Ohne grosse Bürokratie werden unsere Pässe mit einem südafrikanischen Ausreisestempel versehen, ebenso rasch verläuft die Einreise nach Swaziland. Kaum in Fahrt überholt uns ein schwerer Laster in übersetzter Geschwindigkeit und donnert an uns vorbei. Die Sicherheit auf den Strassen lässt auch hier zu wünschen übrig. Die Geschwindigkeitsbegrenzung von 80 km/h ausserorts wird grösstenteils ignoriert – eine Übertretung werde selten geahndet.
Gemütlich kurven wir durch die beschauliche, ländliche Gegend im Nordwesten des Landes mit verstreut liegenden einfachen Häusern und Rundhütten. Die kleinen Siedlungen wirken ärmlich, an der Strasse winken uns immer wieder Kinder zu. Wir müssen uns vor den streunenden Ziegen und grasenden Kühen am Strassenrand in Acht nehmen. Die grün bis rotbraune Hügellandschaft ist durchzogen von malerischen Granitfelsen. Im Westen liegt eine schroffe Bergkette mit den höchsten Erhebungen des Landes. Nach ein paar Stunden Fahrt gelangen wir auf eine gut ausgebaute, vierspurige Autobahn. In weiten Kurven verläuft sie die steilen Hügel ins Tal hinab. Roland fällt sofort die übertriebene Beleuchtung auf – Strassenlampen folgen in einem Abstand von etwa 50 Metern. Es herrscht ein grosses Verkehrsaufkommen – schleichende Lastwagen wechseln sich mit waghalsig rasenden Sammeltaxis ab. Die moderne Hauptstadt Mbabane breitet sich in den Tälern der umliegenden Hügel aus. Die aufragenden Wolkenkratzer haben nichts mit der ländlichen Szenerie von vorhin gemeinsam.
Der kleine Binnenstaat Swaziland wird auf drei Seiten von Südafrika und im Osten von Mosambik umschlossen. Das Königreich ist mit ca. 17’000 Quadratkilometern nicht einmal halb so gross wie die Schweiz. Der heute regierende Monarch hat das absolute Sagen über die rund 1.4 Millionen Einwohner. Er vergnügt sich mit zwölf Ehefrauen und zwei Verlobten. Jeder seiner Gattinnen hat er einen Palast erbaut. Derweil ist das Land bitterarm. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 40%, die Rate der Aids-Infizierten bei 35% (die höchste der Welt!) und 70% der Swazi müssen mit einem Dollar oder weniger am Tag auskommen.
Seit 1903 war Swaziland unter britischer Hohheit und erlangte1962 die Unabhängigkeit. Heute präsentiert das Land eine Mischung als kolonialem Erbe und afrikanischem Selbstbewusstsein. Die Hauptattraktion ist jedoch die Natur selber. Es gibt sechs verschiedene Schutzreservate, die besucht werden können. Wir entscheiden uns für das Mlilwane Wildlife Sanctuary. Das Tierschutzgebiet liegt in einem Talkessel der hügeligen Ausläufer der Berge in der Mitte des Landes. Unser Reisehandbuch lockt mit entspannter Atmosphäre und einer faszinierenden Ebene voller wilder Tiere. Hier leben in erster Linie Pflanzenfresser, darunter Zebras, verschiedene Antilopenarten und Warzenschweine. Im kleinen Stausee gebe es auch ein paar Krokodile und Flusspferde. In den frühen Morgen- und späten Abendstunden soll man sich mit äusserster Vorsicht im Restcamp bewegen. Unser idyllischer Campingplatz liegt etwas versteckt am Waldrand, bietet aber gute Sicht auf das umliegende Grasland. Erstaunlicherweise sind wir fast allein, wir müssen den Campingbereich mit nur wenigen anderen Besuchern und ab und zu aufkreuzenden Warzenschweinen teilen. Wie friedlich es hier ist.
Mehr als 40 Kilometer an Strassen ermöglichen die Wildtierbeobachtung vom Auto aus, aber auch zahlreiche Wanderwege führen durch das Schutzgebiet. Wir entscheiden, unserem Fahrzeug eine Ruhepause zu gönnen und in Eigenregie zu Fuss loszuziehen.
Dank einer übersichtlichen Wanderkarte und Beschilderung der Wanderpfade ist dies gut möglich. Für alle Wege muss man sich bei einem Ranger abmelden. „Ausser den Big 5 können alle wilden Tiere euren Weg kreuzen“, klärt uns der Parkschützer auf. Wir notieren unsere Namen und Routenpläne in ein grosses, dickes Buch. So wissen die Ranger, wer allein im Park unterwegs ist und falls man sich nach Einbruch der Dunkelheit nicht zurückgemeldet hat, machen sie sich auf die Suche. Das tönt doch beruhigend, denn nebst den Big 5 – Elefant, Nashorn, Büffel, Löwe, Leopard – könnte uns immerhin noch ein Flusspferd begegnen.
Wir entscheiden uns trotzdem für den Hippo-Trail. Es ist unwahrscheinlich, tagsüber ein Flusspferd ausserhalb des Wassers anzutreffen. Trotzdem beschleicht mich entlang des Weges oft ein leicht mulmiges Gefühl. Auch könnte uns an einem Flusslauf ein Krokodil auflauern… Anfangs verläuft der Weg durch weite hügelige Ebenen vorbei an saftig grünem Gras. Kaum die ersten Meter zurückgelegt grasen gemütlich Zebras, die wir aus nächster Nähe beobachten können. Ein Junges ist noch etwas unsicher auf seinen Beinen, stakst neben seiner Mama her. In der Ferne erspähen wir eine Herde Gnus und neben uns in den Büschen legen Antilopen elegante Sprünge hin. Wir sind überrascht, über die reiche Ausbeute unseres Gamewalks innert kürzester Zeit.
Der Nyonyane Peak – Todesfelsen genannt – erhebt sich unübersehbar im Norden des Reservats. Wir folgen dem Summit Trail, der uns zu diesem Gipfel aus Granitfelsen führt. Erst führt der Weg nur leicht bergan, wird dann aber stets steiler und unwegsamer. Es weht eine angenehme Brise und macht den Aufstieg erträglich. Oben angelangt erwartet uns eine atemberaubene Aussicht auf die umliegenden Berge und Täler. An einem Platz im Schatten stärken wir uns mit einem Picknick, bevor wir den Abstieg in Angriff nehmen. Mittlerweile ist die Hitze brütend. Nach sieben Stunden gelangen wir erschöpft, aber glücklich und unbeschadet wieder ins Camp zurück.
Spontan verlängern wir unseren Aufenthalt, um ein weiteres Mal zu Fuss loszuziehen. Auch heute ist bald wieder eine kleine Herde Zebras an unserer Seite. Langsam und möglichst leise schleichen wir uns näher. Die Tiere kennen wenig Scheu, wir kommen nah an sie ran. Sie halten zwar stets einen Sicherheitsabstand, aber nur von etwa zehn Metern. Eine faszinierende Begegnung… An einem kleinen Wasserloch schart sich eine Welt verschiedenster Antilopen sowie Gnus. Auf offenem Grasland entdecken wir ein Warzenschwein. Wir wagen uns etwas näher. Das Tier rennt stets ein paar Meter weiter, bleibt aber immer wieder stehen. Plötzlich verharrt es an Ort und Stelle. „Es hat sich etwas bewegt – ich glaube, die Sau hat Junge“, spekuliert Roland. Und siehe da – zwei süsse Schweinchen kommen nun aus der mutterbeschützten Höhle raus und alle drei traben flink davon.
Sind die Flusspferde wohl ausgeflogen? Die letzten beiden Tage haben wir kein einziges Hippo gesichtet, weder über noch unter Wasser. Beim Verlassen des Parks werfen wir einen letzten Blick in den Tümpel. Aber das Wasser ist spiegelglatt – keine Luftblasen, kein Grunzen, keine grauen Ohren ragen raus. Sie sind offensichtlich nicht daheim…
Unsere heutige Etappe führt erst gegen Osten und dann südwärts. Die Umgebung wird zunehmend flacher und trockener. Der Süden ist dichter bevölkert wie der Norden, es liegt viel Abfall verstreut in der Gegend herum. Ausgedehnte Zuckerrohrplantagen bestechen das Landschaftsbild, langsam tuckern Lastwagen mit hoch aufgetürmtem Zuckerrohr vor uns her. Nach nur wenigen Stunden Fahrt sind wir ganz im Südosten angelangt und haben Swaziland in insgesamt 300 Kilometern durchquert. Wir erreichen den Grenzposten Lavumisa – Golela. Die Ausreise gestaltet sich genau so unkompliziert wie die Einreise. Südafrika, wir sind zurück!
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