Koh Samui – unter Kokospalmen
In Norden von Koh Samui legt die Fähre am langen Holzsteg am Strand von Mae Nam an. Unsere ausgesuchte Unterkunft liegt in dieser Bucht, nur etwas über einen Kilometer von der Anlegestelle entfernt. “Taxi, Taxi”, rufen Männer der ankommenden Meute entgegen und schwenken entsprechende Schilder in ihren Händen. “Only 300 Baht.” Doch der Preis von umgerechnet neun Franken ist für die kurze Strecke unverschämt hoch. Wir feilschen, sind aber auch nicht bereit 200 Baht zu zahlen, denken, das geht bestimmt noch günstiger und spazieren langsam davon. Doch niemand pfeift uns zurück, keiner macht uns ein besseres Angebot – wir sind sprachlos. So nehmen wir trotz brütender Mittagshitze, schwer bepackt mit unseren Rucksäcken, den Weg zu Fuss in Angriff.
Schweissüberströmt stehen wir an der Rezeption, in der Hoffnung, einen Bungalow zu ergattern. “Yes, we have”, beglückt uns die freundliche Dame, begräbt unsere Freude jedoch umgehend. “Wir vergrössern und haben eine grosse Baustelle nebenan”. Immerhin ist sie ehrlich… Auf Lärm können wir gerne verzichten und nehmen deshalb in der Nähe weitere Resorts in Augenschein. Doch der Wurm ist drin – entweder ausgebucht, verstaubt und unfreundlich oder zu belastend für den Geldbeutel. Ernüchtert kehren wir zurück und checken ein. Der Holzbungalow ist schlicht und nett, und immerhin günstig – kostet nur doppelt so viel, wie für die Taxifahrt veranschlagt wurde. Wir wundern uns über die unverhältnismässigen Taxipreise, fast schon auf Schweizerniveau…
Die weit geschwungene Bucht von Mae Nam ist etwa fünf Kilometer lang und mit Kokospalmen bewachsen. Der Strand sei beliebt bei Ruhesuchenden und zähle zu den schönsten der Insel, meint unser Reisehandbuch. Nur wenige Schritte trennen uns vom goldgelben Sandstreifen, das Meer schimmert türkisgrün. Verschwitzt stürzen wir uns in die Fluten, tauschen Schweiss gegen Salz. Uns gegenüber liegt die Schwesterninsel Koh Phangan, wo heute Tausende zur berühmt berüchtigten Fullmoon-Party pilgern und bis in die frühen Morgenstunden ausgelassen am Strand feiern. Die Nacht ist klar, das Licht des kugelrunden Mondes schimmert auf dem glatten Ozean. In aller Ruhe himmeln wir den Vollmond an, wir brauchen dafür keine Party…
Baulärm dringt in unsere Hütte, und das bereits um halb acht in der Früh. Wir stapfen dem Strand entlang, halten unsere Augen offen für eine neue Bleibe. Die Bucht ist teilweise sehr eng bebaut, ein Resort grenzt unmittelbar an das nächste, und im Resort drängt sich ein Bungalow an den anderen, oft in langen Reihen vom Strand ins Hinterland. Ganz verschiedene Unterkünfte und Restaurants stehen zur Auswahl – von ganz einfach bis luxuriös, von verlotterten Hippie-Lokalen mit abgewetzten Holzbänken bis schicken Pauschaltouristen-Hotels mit Liegestühlen. Ständig sacken wir im groben Sand ein, das Gehen ist mühsam. Unsere Suche endet erfolglos, denn unser Daheim befindet sich ganz klar am reizvollsten Strandabschnitt mit dem dichtesten Palmenbestand, wo es uns am besten gefällt. So entscheiden wir uns, das Hämmern und Bohren vorerst in Kauf zu nehmen.
In einem hübschen Restaurant mit Blick aufs Wasser studieren wir die Speisekarte. “Den Preisen nach zu urteilen, muss das Essen richtig gut sein”, bemerke ich erwartungsvoll. Wir werden nicht enttäuscht, das Grüne Curry ist ein kulinarisches Gedicht. Auch der frische Mangosaft überzeugt und ist jeden Thai-Baht wert, was leider nicht immer der Fall ist. Oft serviert man uns dünne Säfte mit kaum Fruchtfleisch, fast das ganze Glas nur mit Eiswürfeln gefüllt. Aber verlangt werden dafür saftige zwei bis vier Franken… Gesättigt schlendern wir durch die Strassen vom Dorf Mae Nam. Die zahlreichen Läden, Restaurants und Massagesalons wirken ziemlich verlassen. Manche warten auf Kundschaft, andere sind geschlossen, zumindest jetzt am Nachmittag. Manchmal zeugen nur noch leergeräumte, bröckelnde Ladenlokale von einem einstigen Business. Oft sind wir auch unsicher, ob ein Geschäft noch in Betrieb ist oder nicht, der rund herum verstreute Sperrmüll lässt nicht klar darauf schliessen. Doch gewisse Thais scheinen sich in ihrer Unordnung und inmitten von Abfall offensichtlich wohlzufühlen. Auch am Strand gibt es Lokale, die wir stets verwaist antreffen, trotz Hochsaison. Wir fragen uns, ob Koh Samui die besten Jahre wohl hinter sich hat? Doch es wird auch investiert und gebaut, ästhetische Hotelkomplexe schiessen aus dem Boden und alte Anlagen werden aufgerüstet oder erweitert – wie wir es hautnah erleben.
Die Insel wurde in den 70er-Jahren von Aussteigern “entdeckt” und wurde ein Paradies für Rucksacktouristen, bevor 1989 mit der Eröffnung des Flughafens der Pauschaltourismus Einzug hielt. Da Koh Samui von der Tsunami-Katastrophe 2004 verschont blieb, konnte danach ein starker Anstieg der Touristenzahlen verbucht werden. Heute ist die Nord- und Ostküste proppenvoll mit Unterkünften und es gebe mehr Zimmer wie Gäste, lese ich. Jährlich kommen über 1.5 Millionen Touristen auf die Insel, dazu kommen noch 100’000 saisonale Arbeitskräfte aus ganz Thailand, so dass die rund 50’000 Bewohner des öfteren in der Minderzahl sind. Einst waren Fischfang und die Bewirtschaftung von Palmenplantagen die wichtigsten Wirtschaftszweige. Auch heute noch sind die Erzeugnisse der Plantagen nach dem Tourismus die grösste Einnahmequelle. Auf Koh Samui darf nur maximal „palmenhoch“, also in der Regel zweigeschossig, gebaut werden, wodurch grosse Hotelbauten vermieden und das ursprüngliche Flair erhalten werden sollen. Doch viel thailändisches Flair ist an den Hauptstränden nicht mehr zu finden – Westliches reiht sich an Westliches, meist auch von Westlern betrieben. Die Schattenseiten des Tourismus machen sich vor allem für die ursprünglichen Einwohner bemerkbar. Viele beklagen, ihr Land an Unternehmer vom Festland und aus dem Ausland verloren zu haben. Der Weg zu den Stränden, die überall in Thailand öffentlicher Raum sind, ist in den touristisch am stärksten erschlossenen Gebieten durch Unterkünfte behindert oder versperrt. Und die Kokospalmenhaine, die früher die gesamte Küste säumten, sind heute leider bereits vielerorts verschwunden…
Strandleben. Wir betten uns in den weichen Sand im Schatten, blicken hoch ins Blätterdach der Palmen, lauschen dem plätschernden Meer – nur etwas Baulärm stört die Idylle. Stundenlang verbringen wir lesend, ich verschlinge ein Buch ums andere. Die Sonne heizt vom Himmel, immer wieder lockt das kühle Nass… Händler schleppen schwere Körbe über den Strand, grillen mit ihren mobilen Garküchen Maiskolben oder Hühnchenspiesse und schneiden frisches Obst auf. Wir lechzen nach einer süssen Mango, doch müssen uns leider mit einer unreifen zufrieden geben. Die tropischen Früchte sind oft eine Enttäuschung, allen voran die Ananas. Bleich wie Käse, meist geschmackslos oder sauer, unterbieten sie sogar die bei uns erhältlichen Exemplare. Von früheren Thailand-Reisen mögen wir uns an dunkelgelbe, saftige Ananas erinnern, welche den Gaumen zuckersüss verzauberten. Davon können wir diesmal nur träumen. Mittlerweile werden die Ananas angeblich viel zu früh geerntet, damit sie länger haltbar sind – echt schade.
Abends kühlt es kaum ab, im Bungalow herrschen unerträgliche 35 Grad, draussen ist es noch fast ebenso warm. Keine Brise verschafft etwas Abkühlung, doch zuckende Blitze am Himmel und fernes Donnergrollen kündigen ein Gewitter an. Später giesst es wie aus Eimern, Regen fegt quer über die Veranda. Wir flüchten ins Zimmer und legen uns unter den kühlenden Ventilator… Es ist Wochenende, was zwar für uns meist keinen Unterschied macht. Doch diesmal haben wir uns darauf gefreut und gedacht, die Bauarbeiter bleiben uns fern. Doch weit gefehlt, hier wird sieben Tage die Woche geschuftet. Nun haben wir die Nase voll. Wie weiter? Verschiedene Möglichkeiten purzeln uns durch den Kopf. Obwohl wir uns gerne etwas länger am selben Ort niederlassen, entscheiden wir uns schlussendlich, an einen anderen Strand zu ziehen.
Eine Ringstrasse führt in rund 50 Kilometern um Koh Samui, an der breitesten Stelle misst das Eiland 25 Kilometer. Auf der Hauptverkehrsachse teilen sich Autos und Motorräder die Fahrbahn, oft stockt der dichte Verkehr. Das Taxi bringt uns in einer Dreiviertelstunde nach Lamai im Südosten. Die sichelförmige Bucht ist etwa vier Kilometer lang, der Sand weiss und fein. Am nördlichen ruhigen Ende finden wir bald einen Bungalow mit Veranda direkt am Strand. Durch Kokospalmen hindurch sehen wir auf das blau schimmernde Meer – ein wunderschöner Ausblick. Das Wasser ist seicht, bei Ebbe weniger als hüfttief. Doch zum Planschen reicht es aus – wie eine gigantische lauwarme Badewanne… Beim Restaurant der kleinen Anlage gibt es keinerlei Anzeichen für Betrieb, anstelle von einladend wirkt es eher abweisend. Auf der Terrasse stehen drei alte Holztische und eine Handvoll willkürlich verstreuter Plastikstühle. Den Besitzern gelingt es erfolgreich, Gäste fernzuhalten. Auch wir weichen auf die umliegenden Lokale aus…
Gemütlich schlendern wir dem leicht wellenden Meer entlang. Mit der Beschaulichkeit ist es bald vorbei, am zentralen Strandabschnitt geht es lebhaft zu und her. Viele Leute bevölkern das Liegestuhl-Ghetto, tummeln sich im Wasser. Das Angebot an Wassersport ist breit und reicht von Jetski bis Bananenboot und noch weit darüber hinaus. Das Ende der Bucht zieren Felsen, stellen ein beliebtes Fotomotiv dar – Hin Ta und Hin Yai, der Grossvater- und Grossmutterfelsen. Meer, Wind und Regen haben die uralten Steine so geschliffen, dass sie wie ein männliches und ein weibliches Geschlechtsteil anmuten. Die Legende besagt, dass die Felsen an ein hier gestrandetes älteres Ehepaar erinnern, welches vor Tausenden von Jahren vor der Küste Schiffbruch erlitt. Na ja, den Grossvater erkennen wir auf Anhieb, doch wo versteckt sich die Grossmutter?
Geduldig warten wir an der Strasse auf ein Sammeltaxi, ein sogenanntes Songthaew. Auf den Pick-ups sitzen die Passagiere auf zwei niedrigen, sich gegenüber liegenden, überdachten Sitzbänken – Einsteigen und Aussteigen ist überall möglich. Entlang der Ostküste gelangen wir über die Bucht von Chaweng, wo am meisten Touristen wüten, ganz in den Nordosten zur Hauptsehenswürdigkeit der Insel, dem Big Buddha Tempel. In Thailand bekennen sich 95 Prozent der Bevölkerung zum Buddhismus. Zahlreiche Schilder weisen unverkennbar auf die strengen Kleidervorschriften in der heiligen Stätte hin. Ein Mönch kontrolliert, zitiert Frauen mit unbedeckten Schultern zurück, ansonsten nimmt er es nicht so genau. Die sitzende Buddha-Statue ist zwölf Meter hoch und wacht eindrucksvoll über der gleichnamigen Bucht. Flugzeuge düsen laut über den Kopf des goldenen Riesens hinweg, der inmitten der Anflugschneise liegt…
Zurück in Lamai bummeln wir durch die Touristenmeile, die hinter dem Strand verläuft. Wir klappern die zahlreichen Läden ab, jedoch alle verkaufen in etwa dasselbe. Auf unserer Einkaufsliste stehen Badehose und Bikini, doch wir finden nichts Passendes. Auch die Suche nach “Sticky Rice with Mango” endet einmal mehr erfolglos. Wenn wir in einem Restaurant die thailändische Süssspeise auf der Karte entlarven, ist sie bestimmt ausverkauft. “Sorry, no have, finish!” Man schickt uns auf den Markt, aber auf unsere dortige Nachfrage ernten wir nur ein Kopfschütteln. Wir sind enttäuscht – wir lieben den süssen fruchtigen Klebreis! Immerhin sind Mangos im Angebot, die wir in unserem Daheim auf der Veranda verzerren. Und wir hatten bei der Wahl sogar ein gutes Händchen. Die reifen aromatischen Früchte schmecken ohnehin schon göttlich, doch der entzückende Ausblick durch die grünen Palmwedel auf das in der Sonne funkelnde Meer machen unsere Schlemmerei perfekt…
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