Koh Tao – nass von oben und unten
Chumphon ist das Tor zum Süden und liegt an der Ostküste rund 500 Kilometer von Bangkok entfernt. Die Stadt selber ist weder etwas Besonderes, noch bietet sie Sehenswürdigkeiten, aber ist einer der Ausgangspunkte für die Inseln im Südwesten des Golfs von Thailand. Dennoch entscheiden wir spontan, eine zweite Nacht hier zu ruhen. Im saftig grünen Garten lässt sich angenehm sitzen und unseren Blog auffrischen. Später schlendern wir durch die verkehrsarmen Strassen, schlemmen ein köstliches Pad Thai und schlürfen einen Mangosaft, bevor wir uns ein Ticket für die morgige Fährpassage nach Koh Tao besorgen.
Strömender Regen begrüsst uns am nächsten Tag, auf den Gassen tapsen wir vorsichtig an grossen Wasserlachen vorbei. Mittags werden wir im Hotel abgeholt und zum Hafen chauffiert, der eine halbe Stunde ausserhalb der Stadt liegt. Ein durchgeplanter Service, der uns von unserer bisherigen Reise noch völlig unbekannt ist. Wir sind definitiv in touristischen Gefilden angelangt… Die Hochgeschwindigkeitsfähre schaukelt beträchtlich, flitzt über das Wasser, welches weiss schäumend an die Scheiben hochspritzt – wie in einer Waschmaschine. Jeder Sitzplatz ist belegt, auf den Inseln Koh Tao, Koh Phangan und Koh Samui herrscht Hochsaison. Im Gegensatz zur Westküste und zum restlichen Thailand ist hier Trockenzeit, was allfällige Regengüsse zwar nicht ausschliesst, denn schliesslich befinden wir uns in den Tropen… Nach zwei Stunden unruhiger Fahrt legen wir am wuseligen Hafen von Koh Tao an. Viele Schlepper lauern bereits gierig auf eine Beute. Ich erkenne das Eiland kaum wieder, alles ist verbaut – über fünfzehn Jahre sind seit meinem letzten Besuch vergangen.
Die “Schildkröteninsel” erhielt ihren Namen in einer Zeit, als im kristallklaren Wasser noch viele Schildkröten lebten. Leider hat der zunehmende Bootsverkehr fast alle dieser liebenswerten Meeresbewohner vertrieben. In den späten 80er-Jahren entdeckten Reisende die Insel – 1984 öffnete das erste Resort, ein Zimmer kostete damals umgerechnet einen Franken. Die Tauchgründe machten Koh Tao berühmt, die Infrastruktur entwickelte sich stets weiter und heute leben die Einwohner ausschliesslich vom Tourismus – von der Fischerinsel zur Taucherhochburg. Fast nirgendwo auf der Welt ist es so günstig den Tauchschein zu erwerben und in die Unterwasserwelt hinabzugleiten… Heute zählt die Insel sage und schreibe 65 Tauchschulen und über 200 Unterkünfte, misst jedoch in der Länge nur knapp acht und an der breitesten Stelle etwas über drei Kilometer – unglaublich. Die felsige Küste wechselt sich ab mit sandigen Buchten und ist teilweise von einem Korallenriff umgeben. Dichtes Grün wuchert über das hügelige Inselinnere, der höchste Punkt liegt 374 Meter über dem Meer.
Wir halten Ausschau nach einem Taxi, um der Hektik am Pier zu entkommen. Der Fahrer verlangt für den Katzensprung auf die andere Seite der Insel einen hohen Preis, den wir trotz erfolgreichem Feilschen noch überrissen finden. Später kriegen wir immerhin Gewissheit – wir wurden nicht übers Ohr gehauen, dies ist der Tarif der Taxi-Mafia… Auch in der Hochsaison haben wir es gewagt, ohne Reservation anzukommen, und es klappt. Zwar ergattern wir lediglich ein Viererzimmer in einem Doppelbungalow, doch bevor es uns jemand vor der Nase wegschnappt, greifen wir zu, obwohl es etwas teuer ist. Von der Veranda bestaunen wir die sagenhafte Aussicht auf das türkisfarben leuchtende Meer. Abends sorgt eine laue Brise für etwas Abkühlung, doch die Kleider kleben uns noch immer am Leib. Kein Wunder, das Thermometer zeigt wohlige 30 Grad und eine Luftfeuchtigkeit von 80 Prozent an… In meinem Augenwinkel huscht ein Schatten über die Wand des Bungalows, und erstarrt. Uch, was für ein riesiger Gecko – so gross wie eine Gurke! Noch nie haben wir einem solchen Monster-Gecko in die Augen gekuckt…
In der Ao Tanote, unserer kleinen Bucht auf der ruhigen Ostseite, fühlen wir uns auf Anhieb wohl. Der sichelförmig geschwungene Sandstrand ist umgrenzt von Palmen und steil aufragenden, dicht bewaldeten Hängen. An den Enden der Bucht und im Meer verteilen sich malerisch einige grosse Granitfelsen. Das unmittelbar vorgelagerte Korallenriff eignet sich hervorragend zum Schnorcheln und Tauchen, jedoch weniger zum Baden. Deshalb zieht der Fleck tagsüber zahlreiche Besucher bewaffnet mit Tauchflaschen und Schnorcheln an, die das Wasser und den kleinen Strand bevölkern. In der Tanote Bay sind nur eine Handvoll Resorts mit Restaurants sowie zwei Tauchbasen ansässig und somit kehrt abends die Beschaulichkeit der traumhaften Bucht zurück.
Langsam spazieren wir dem Strand entlang, auf der Suche nach einer kostengünstigeren Bleibe. Am anderen Ende der Bucht werden wir schnell fündig. Unser persönliches Bijou bietet keinerlei Luxus, nicht einmal warmes Wasser, doch der Bungalow thront hoch oben, liegt etwas versteckt in den Bäumen und bietet viel Privatsphäre, aber trotzdem eine fantastische Sicht. Und das Gute, trotz gleichem Standard kostet die Hütte über einen Drittel weniger. Am nächsten Tag schleppen wir uns mit unseren Rucksäcken über den Strand und kämpfen uns hinauf in einsame Höhe. Schweissgebadet und völlig ausser Atem werfen wir uns in die geflochtenen Stühle auf der grosszügigen Veranda. Kühlend wirbelt Wind durchs Haar, eine Wohltat. Überglücklich und uns einig – der Umzug hat sich gelohnt. Eichhörnchen huschen über das Geäst, jagen einander hinterher, eine grosse Echse raschelt züngelnd durchs Gebüsch. Die einzige Plage stellen fette Mücken dar, die in der Dämmerung erbarmungslos zustechen…
Die Sonne lacht. Für den Nachmittag schmieden wir Pläne für eine kurze Wanderung zu einem Aussichtspunkt. Erste harmlose Wolken ziehen auf. Ohne Böses zu vermuten, öffnet der Himmel urplötzlich seine Schleusen und ein heftiger Wolkenbruch begräbt unser Vorhaben. Das Wetter ist oft launisch und völlig unberechenbar, verhält sich fast wie in der Regenzeit. Immerhin bleibt es trotz Niederschlägen tropisch warm und unter dem Dach unserer Veranda wähnen wir uns im Trockenen. Bald sind auch die letzten Tropfen versiegt, aber der Himmel bleibt bedeckt. Planänderung… Eine Brise streichelt angenehm über unsere nackte Haut, im Hintergrund rauscht das Meer, ein wohlriechender Duft eines Massageöls kitzelt unsere Nasen. Nicht nur mit kräftigen Händen knetend, sondern auch mit Fäusten, Ellbogen oder Füssen lockern die kichernden Damen gekonnt unsere Muskeln, balancieren sogar mit vollem Körpergewicht auf unserem Rücken und Po. Es ist nicht immer Entspannung pur und wir ahnten nicht, dass man Glieder in so viele Positionen drehen und dehnen kann. Aber es tut gut, seinen Körper so richtig zu spüren und wir geben uns der einstündigen Verwöhnung hin – Thai Massage am Strand.
Schon vor dem Tauchgang sind wir klatschnass – von oben. Das ist nicht weiter schlimm, schade ist jedoch der wolkenverhangene Himmel – kein Sonnenstrahl durchflutet das Wasser, was die Unterwasserwelt farblos erscheinen lässt. Trotz vielen Tauchgängen auf dem Buckel verknurrt uns Dennis, der deutsche Tauchladenbesitzer, zu einem sogenannten Check-Dive: “Bevor ihr vom Boot taucht, möchten wir euch am Riff vor der Haustüre beobachten”. Na ja, so zeigen wir dem Tauchlehrer im seichten Wasser im Sand kniend, dass wir fähig sind, eine geflutete Maske auszublasen – Test erfolgreich bestanden. Anschliessend folgt ein normaler Tauchgang am Hausriff, wo sich einiges an Fischen tummelt, sogar ein kleiner Hai ist mit dabei. Über die nächsten Tage verteilt folgen Ausfahrten mit dem Boot. Mit vielen frischgebackenen Tauchern an Bord steuern wir die weniger besuchten Tauchgründe an der Ostküste an. Da sich die meisten Tauchschulen an der lebhaften West- und Südküste der Insel befinden, sind jene Tauchspots dort stark frequentiert. “Nicht selten machen sich acht bis zehn Boote einen Platz streitig und unter Wasser begegnen einem mehr Taucher wie Fische”, klärt uns Tauchguide Heike mit hochgezogenen Augenbrauen auf, “deshalb bleiben wir meistens im Osten und legen nur dort an, wo noch kein Boot an der Boje hängt.” Darüber sind wir natürlich froh, obwohl wir nach ein paar Tauchgängen etwas Abwechslung herbeisehnen. Doch die Wetterlage verunmöglicht es angeblich, weiter entfernte Tauchplätze im offenen Meer anzupeilen, welche der grösseren Tiefe und Grossfischen wegen die Hotspots von Koh Tao darstellen. Unsere Tauchgänge sind meist sehr flach und wir tümpeln vielfach nur wenige Meter unter der Wasseroberfläche. “Der Sicherheitsstopp stellt fast die maximale Tiefe unseres Tauchganges dar!”, spottet Roland und entlockt mir ein herzhaftes Lachen. Für alle Nichttaucher – normalerweise erfolgt am Ende eines Tauchgangs vor dem Auftauchen ein dreiminütiger Sicherheitsstopp in fünf Metern Tiefe… Auch Wünsche offen lässt die Sichtweite unter Wasser, die momentan mies ausfällt und die Sonne, die mit ihren Strahlen geizt. Doch trotz fehlendem Glanz geniessen wir die Schwerelosigkeit unter Wasser und freuen uns an den kleinen Dingen, wie den bunt gemusterten Nacktschnecken, am gigantischen Makrelenschwarm sowie den hübsch mit Hartkorallen bewachsenen Felsformationen. Auch eine Wassertemperatur von 29 Grad lässt unsere Körper mit der Zeit auskühlen, zumal nur sogenannte Shortys – kurze Anzüge – zur Verfügung stehen. Mit Hühnerhaut klettere ich jeweils zitternd aus dem Wasser, doch Aufwärmen ist nicht garantiert, oft bläst ein fieser Wind. Die Regenjacke hilft, auch gegen die uns schlagartig entgegen prasselnden Schauer- nass von unten und von oben.
Wir machen uns Gedanken über unsere Weiterreise nach Malaysia. Grundsätzlich möchten wir auf dem Landweg einreisen, wissen aber auch, dass die politische Lage der muslimisch geprägten Provinzen im äussersten Süden Thailands als unsicher gilt. Auf der Website des Auswärtigen Amtes mache ich mich schlau – prompt wurde über diese Region eine Reisewarnung verhängt. Sollen wir trotzdem mit dem Zug durchfahren? Oder doch fliegen? Wir diskutieren und einen Tag später schlägt Roland selber noch die Reisehinweise nach, und erschrickt. “Am 11. und 12. August 2016 haben Bombenanschläge in verschiedenen Badeorten mehrere Todesopfer und Verletzte gefordert”, steht da fett und unübersehbar. Und heute schreiben wir den 12. August… Sofort machen wir uns im Internet ein Bild der Anschläge, die auf dem Festland im Osten und Westen, an verschiedenen Orten weit voneinander entfernt verübt wurden. Es ist fassungslos, was in der heutigen Welt abgeht – wo ist man noch sicher? Unsere Frage hat sich somit weitgehend erübrigt. Genauso gut können wir auch ausserhalb den südlichsten Provinzen einer Gräueltat zum Opfer fallen, sei es auf dem Weg zum Flughafen oder irgendwo. Und die weitaus grössere Gefahr stellen immer noch die zahlreichen Unfälle im Strassenverkehr dar…
Erst vor wenigen Tagen haben wir erfahren, dass Aline, eine Nichte von Roland, kurzentschlossen einen Flug nach Thailand gebucht hat. Nach einem kurzen Aufenthalt in Bangkok ist sie gestern auf Koh Tao angekommen, für heute ist ein Treffen geplant. Gemeinsam frühstücken wir erst bei uns im Resort auf der Terrasse, plaudern angeregt bei Meerblick. Noch zeigt sich das Wetter von der Schattenseite, was für den steilen Aufstieg jedoch nicht zu verachten ist. Bei der ersten Verschaufspause mit einem Blick in die Ferne, verschmilzt das graue Meer mit dem grauen Himmel, doch mit der Zeit kann sich die Sonne endlich durchsetzen. Der Schweiss rinnt in Strömen. Oben beim Aussichtspunkt angelangt entschädigt das phänomenale Panorama für die Strapazen. Wir blicken über die Ost- sowie die Westseite der Insel, weit über die üppige Dschungelpracht bis hinaus auf den tiefblauen Ozean – wow! Ebenso steil führt der rutschige Weg auf der anderen Seite herunter. Wir gelangen zum Strand Sai Ri, wo Aline sich eingenistet hat. Der mit knapp zwei Kilometern längste Sandstreifen von Koh Tao ist sehr beliebt und gesäumt von sanft wiegenden Kokospalmen. Hier reihen sich unzählige touristische Institutionen wie Unterkünfte, Restaurants, Diskotheken, Tauchbasen, Geschäfte, Massagesalons und Reisebüros aneinander – es herrscht reges Treiben, leider auch viel Mopedverkehr. In einem Lokal nahe dem türkisblauen Wasser stopfen wir unsere hungrigen Bäuche mit einem Leckerbissen und erfreuen uns der gemeinsamen Zeit, bevor jeder wieder seinen eigenen Weg einschlägt. Wir sind stolz auf Aline, die sich im zarten Alter von Zwanzig allein in die weite Ferne wagt…
Abends heuern wir ein Taxi an, welches uns in die Ao Tanote zurückkarrt. Wir sind froh, können wir der quirligen Westseite den Rücken kehren. Die Entscheidung, uns in der im Vergleich winzigen Bucht niederzulassen, war goldrichtig – gründlicher Recherche im Vorfeld sei Dank. Zufrieden hüpfen wir die 119 ungleich hohen Stufen hinauf in unser Bungalow – an dieses tägliche Fitnessprogramm haben wir uns zwar längst gewohnt, doch ausser Atem bringt es uns noch immer… Wir lieben unsere Hütte in luftiger Höhe, hier können wir fern aller Touristen bei grandioser Aussicht in den Tag hineinleben. Die exponierte Veranda dient als paradiesisches Freiluftbüro, zum friedlich lesen oder einfach vor sich hinträumen. Abends, wenn alle Tagesbesucher abgezogen sind, verbringen wir gerne etwas Zeit unten am Strand, lassen den Abend im romantisch beleuchteten Restaurant über dem Meer bei einem Gaumenschmaus ausklingen. Oder stossen im einfachen Lokal mit einem kühlen Bier an, stecken unsere Zehen in den groben Sand und lauschen bei Mondlicht dem plätschernden Wasser. Welch Hochgenuss so Ferien sind…
Die Tage verfliegen, immer wieder verlängern wir unseren Inselaufenthalt. Und schon müssen wir die uns verbleibenden Tage in Thailand zählen, da wir auch auf einer zweiten Insel noch etwas verweilen möchten… Zehn Tage Koh Tao. Mühelos könnten wir noch länger bleiben, etwas wehmütig reissen wir uns heute los. Im geschäftigen Ban Mae Hat warten wir am Hafen mit Hunderten von anderen Touristen auf die Fähre, die erst mit Verspätung eintrifft. Das Meer wirft hohe Wellen, der Katamaran wankt durch das aufgewühlte Wasser. Grosszügig werden Kotztüten verteilt, und auch benutzt. Nach einer guten Stunde legen wir auf Koh Phangan, der Insel südlich von Koh Tao an. “Sollen wir nicht doch hier aussteigen?”, scherze ich, doch Roland schüttelt nur den Kopf. Ohne zu planen wäre das Timing perfekt, heute steigt auf Koh Phangan die legendäre Vollmond-Party – doch das ist nichts für uns. Die grosse Mehrheit der Passagiere verlässt das Schiff, wir hingegen düsen Koh Samui entgegen. Unsere nächste Insel ist bereits in Sichtweite…
Hallo mitenand
Bald 11 Monate unterwegs und noch kein bisschen „Reisemüde“ – Cool macht weiter so!
Geniesst weiterhin Eure unvergessliche Reise, seit vorsichtig, flexibel und lasst Euch nicht zu sehr von den Anschlägen beirren.
Freue mich auf den neuen Eintrag.
Allerbestä Gruess us St. Gallen
Marco Klein
Hallo Marco
Genau 333 Tage unterwegs – manchmal zwar schon etwas reisemüde, aber an eine Rückkehr in die Schweiz denken wir jetzt noch nicht.
Auf den Inseln im Golf von Thailand haben wir uns erholt und sind mit dem Zug durch die südlichen Provinzen des Landes nach Malaysia gefahren. Es war schon ein komisches Gefühl, als wir zwei Tage vor unserer Zugfahrt wieder von Anschlägen in dieser Region hörten, jedoch war die Taxifahrt nach Kota Bharu viel haarsträubender.
Viele Grüsse aus Malaysia
Roland und Christine