Melaka – chinesische Gesichtszüge
Vom neuen, modernen Busbahnhof ausserhalb Kuala Lumpurs fahren ständig Busse nach Melaka im Süden des Landes. Zwanzig Minuten nach unserem Eintreffen lehnen wir bereits in breiten Sitzen des mit rotem Teppich ausgekleideten Fahrzeugs. Dekorative Vorhänge zieren die Scheiben, man sitzt wie in einer rollenden Stube. Endlich richtig Busfahren, das erste Mal in Malaysia… Zwei Stunden später am Ziel eingetroffen, harzt es aber schon wieder mit dem Kauf von Fahrkarten. Obwohl wir bereits drei Tage im voraus ein Ticket nach Singapur erwerben möchten, klappt es nicht. Alles ist ausgebucht. Es bleibt uns nichts anderes übrig, wie in einer ersten Etappe bis Johor Bharu, der malaysischen Stadt an der Grenze zu fahren und dort umzusteigen…
Die Altstadt von Melaka besticht mit beschaulichen, chinesisch geprägten Strassenzügen. Schlendernd bewundern wir die restaurierten Fassaden der zweistöckigen Häuser mit hölzernen Fensterläden. Grünpflanzen und chinesische Schriftzeichen hübschen die niedlichen Bauten auf. In den oft farbenfrohen Häusern sind originelle Läden mit Kunsthandwerk oder chinesischer Ware untergebracht, auch schnuckelige Cafés mit nur einer Handvoll kleiner Tische laden zum Verweilen ein. Sehen wir von den vielen Autos ab, die durch die Gassen steuern, macht die schmucke Chinatown einen reizenden Eindruck auf uns.
Inmitten chinesischer Gesichtszüge sind wir daheim. Im alten Chinesenviertel finden sich zahlreiche kleine, familiär geführte Gasthäuser, wo man günstig absteigen kann. Die freundliche Chinesin vermittelte uns ein schlichtes Zimmer im Obergeschoss ihres Reiches. Nassgeschwitzt kehren wir müde von unserem Streifzug zurück, lassen uns in die bequemen Stühle der Sitzecke im offenen Gang fallen und vom künstlichen Wind einlullen. Welch gelungene Erfindung so ein Ventilator ist. Im Zimmer bewegen wir uns nachmittags in schier unerträglichen Temperaturen von weit über 30 Grad…
Die friedliche Atmosphäre von gestern ist etwas verblasst, bereits morgens streunen viele Touristen durch die engen Strassen. Es ist Freitag. Beliebt bei Einheimischen und Besuchern aus Singapur, ist Melaka am Wochenende überlaufen, so wie auch viele andere Orte in Malaysia… Der Sungai Melaka trennt das chinesische vom kolonialen Viertel. Über eine Brücke gelangen wir auf die andere Seite des Flusses zum Roten Platz, wo fast alle alten Gebäude rundherum in roter Farbe gestrichen sind, deshalb der Name. Die Relikte stammen aus holländischer und englischer Kolonialzeit. Hier tummeln sich noch viel mehr Asiaten, vorwiegend auch laut vergnügte Gruppen. Über Treppen schnauben wir auf den hinter dem Platz aufragenden St. Paul’s Hill mit einer Kirchenruine und weiteren Überresten historischer Bauten einer mächtigen portugiesischen Festung, die einst die Stadt beherrschte. Einen weiteren Blick über die Stadt erhaschen wir vom Panoramaturm. Langsam gleiten wir in der drehbaren Kapsel nach oben und erhalten aus 80 Metern Höhe einen Rundumblick. Fast etwas zu schnell kreist die geschlossene Kabine um die eigene Achse – wahrlich schwindelerregend.
Ein Blickfang sind die Fahrradrikschas! Unaufdringlich warten sie am Roten Platz auf Kundschaft. Ihrer schrillen Aufmachung wegen erhalten sie unsere volle Aufmerksamkeit. Jede Rikscha ist üppig geschmückt, jedes Gefährt ein Original. In Pastellfarben im “Hello Kitty-Stil” gehalten, wobei süsses Rosa klar überwiegt. Je kitschiger desto besser, scheint das Motto zu lauten. Reich tapeziert mit Rosen, Plüschtieren, Puppen und Plastikschrott, die Passagiere an Bord gehen vor überreicher Dekoration völlig unter. Mit Stereoanlagen ausgestattet, beschallen sie während der Fahrt krachend ihre Fahrgäste und die ganze Umgebung. Bestimmt Geschmacksache, wobei es unseren weniger trifft. Die schreienden Rikschas wirken deplatziert und stilwidrig, wecken eher “Disney Land-Gefühle”, wie dass sie uns ans alte China erinnern…
Langsam schiebt sich die Menschenmasse durch die Jonker Street der Chinatown. Am Wochenende ist die Strasse abends für den Verkehr gesperrt und ein lebhafter Nachtmarkt nimmt seinen Lauf. Verkauft wird alles, von Kleider über Haushaltsartikel bis Spielwaren. Auch für das leibliche Wohl wird gesorgt. Genüsslich snacken wir uns durch die Stände, probieren scharfe Fischbällchen, grillierter Käsetofu, frittierte Süsskartoffeln und noch mehr. Unsere Geschmacksnerven geraten nicht bei allen Naschereien ins Juchzen, doch die kulinarische Reise gestaltet sich spannend… Am Ende des Nachtmarktes erwartet uns die Krönung – wir trauen unseren Augen kaum. In Reih und Glied aufgestellt blinken die Rikschas pompös um die Wette. Sämtliche Gefährte sind von bunt leuchtenden Lichterketten umschlungen, wirken wie einem Varieté entsprungen. Das ist nun eindeutig zuviel des Guten…
Das Wetter strahlt, der Himmel ist blau wie schon lange nicht mehr. Ein weiteres Mal schustern wir durch die chinesisch geprägten Gassen, halten beim “Cheng Hoon Teng-Tempel” inne. Der älteste Tempel Malaysias wurde 1645 errichtet, steckt heute in einem restaurierten Kleid. In Rot und Gold verziert, versprüht er eine harmonische Atmosphäre. Chinesen beten, entzünden Kerzen und Räucherstäbchen, es duftet himmlisch. Gebannt beobachten wir das Geschehen. Keine Schuhe müssen ausgezogen werden, noch muss ich mich verhüllen, wie angenehm. Hier regiert eine lockere Kleiderordnung, manche Chinesen tragen sogar kurze Hosen.
Nur wenige Häuser weiter geht es strikter zu und her – eine ganz andere Welt, so nah. In der Moschee mit dem pagodenartigen Minarett herrschen strenge Vorschriften, was für islamische Gotteshäuser jedoch nicht weiter verwunderlich ist. Nebst dem Deponieren der Schuhe vor dem Eingang muss Frau sich in einen langen Umhang und Kopfschleier stürzen, um sich der Moschee nähern zu dürfen. Doch nur wenige Schritte weiter ist für Besucher sowieso Schluss. Nichtmuslime sind im Gebetsraum unerwünscht, so tue ich mir die Verkleidung gar nicht erst an… Wenn wir uns die Moschee nicht vor Augen führen können, dann immerhin zu Ohren. In volle Lautstärke bittet der Muezzin dröhnend zum Pflichtgebet auf – in unserem Guesthouse gegenüber meinen wir, er rufe von unserer Zimmerdecke. Na ja, selber schuld, wenn man in muslimischen Gefilden die Umgebung des neuen Daheims nicht erst unter die Lupe nimmt.
Gemächlich spazieren wir am sich durch Melaka schlängelnden Fluss, der an gewissen Stellen leider grässlich stinkt. Der Bummel gestaltet sich um einiges gemütlicher wie die Bootsfahrt gestern. Auf den eng mit schmalen Plastiksesseln bestuhlten Schiffen ist das Fahrvergnügen begrenzt. Beiden Ufern ziehen sich kilometerlange Wege entlang, in der Altstadt gesäumt von ansehnlichen Häusern. Ihre Fassaden sind oft mit grossflächigen Wandbildern farbenfroh bemalt, was der Promenade ein spezielles Flair verleiht. In einem kleinen, ruhigen Lokal am Wasser lachen uns gepolsterte Korbstühle an, eine Verschnaufpause kommt uns gerade gelegen. Der erfrischende Zitronensaft ist eine Wohltat, benetzt unsere ausgetrockneten Kehlen, macht die feuchte Hitze für den Moment etwas erträglicher…
Melaka ist in unseren Augen trotz den vielen Touristen einen Besuch wert. Begeistert haben uns aber vorallem die chinesischen Gesichtszüge der geschichtsträchtigen Stadt – die fabelhaften Gassen und herzigen Lokale der Chinatown haben es uns angetan… Drei Tage später. In einem luxuriösen Bus rattern wir über die Autobahn in Richtung Süden, ein letztes Mal zieht grünes Malaysia an uns vorbei. Drei Stunden später. Am Busbahnhof von Johor Bharu halten wir Ausschau nach einem Bus, der uns über die Grenze nach Singapur karrt – unser nächstes Ziel liegt zum Greifen nah.
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