Multikulturelles Kuala Lumpur
Am Rande der Chinatown in Kuala Lumpur ist es spätnachmittags kein leichtes Unterfangen, ein williges Taxi aufzuspüren, um uns dem Verkehrschaos zu entschleusen. Der Fahrer plappert vergnügt während der ganzen Fahrt – trotz Englisch verstehen wir kaum ein Wort. Ohne Umwege chauffiert uns der alte Chinese durch den dichten Verkehr, bis vor unsere gebuchte Unterkunft. Über ein Buchungsportal reservierten wir in einer Residenz ein kleines Apartment. Etwas nervös schreiten wir zusammen mit der verhüllten Dame der Rezeption durch den Gang und hoffen, in der virtuellen Welt des Internets eine gute Wahl getroffen zu haben. Mittlerweile wissen wir, dass die Beschreibungen oft mehr versprechen, wie die Unterkünfte in Tat und Wahrheit bieten…
Eine düstere Wohnung empfängt uns, fünf Meter neben dem Fenster ragt bereits das nächste Gebäude auf. Wo bleibt nur die versprochene Aussicht? Nicht dass wir dafür mehr bezahlt hätten, aber es stand im Beschrieb klar und deutlich. Erst eine faule Ausrede suchend, telefoniert die Muslimin nun wohlgesinnt und lotst uns in die 15. Etage in ein anderes Apartment. Tageslicht schlägt uns hell entgegen, durch die riesige Fensterscheibe der guten Stube erblicken wir Hochhäuser der Grossstadt. Wow, hier bleiben wir – gut haben wir uns gewehrt. Sogar vom Bett des Schlafzimmers lässt sich auf die Metropole blicken. Das Wohnzimmer ist Essecke, Küche und Waschküche zugleich – klein, aber fein. Zufrieden lassen wir uns ins weiche Sofa sinken, freuen uns riesig auf die kommende Woche in unseren “eigenen” vier Wänden.
Haare im Bett? Bei der ersten Strähne verschwende ich noch keine weiteren Gedanken, aber als uns noch mehrere frech angrinsen, rufen wir nach neuer Bettwäsche. Entschuldigend wird diese schleunig ausgewechselt. Zufälligerweise lesen wir kurz darauf in einem Artikel, dass in einem Drittel besserer Hotels die Laken nach dem Auschecken der Gäste nicht gewechselt werden – bedenklich. Auch um das warme Wasser, das nur kalt fliesst, kümmert sich das Personal rührend und repariert am nächsten Tag den kaputten Übeltäter. Auch wenn wir nicht alles angetroffen haben, wie es sein sollte, drücken wir bei einem so freundlich speditiven Service beide Augen zu…
Das Wasser läuft uns im Mund zusammen. Gierig füllen wir im nahen Supermarkt den Einkaufskorb und später daheim den Kühlschrank. Uns für eine Weile selbst zu verpflegen, schätzen wir enorm. Morgens ein Müesli frisch zu mixen oder am Herd Spaghetti al dente mit unserer Lieblingssauce zuzubereiten, ist eine willkommene Abwechslung zum ständigen Essen und Warten in Restaurants… Zum knackigen Salat gönnen wir uns etwas Salami, doch die Enttäuschung könnte grösser nicht sein. Die ungeniessbaren Wurstscheiben triefen vor Fett und stinken penetrant nach Fisch – noch jetzt plagt uns ein schlechtes Gewissen, weil wir die teure Salami schlussendlich dem Mülleimer verfütterten. Bis wir Essen wegschmeissen, braucht es viel…
In der Hauptstadt Malaysias leben knapp zwei Millionen Einwohner – von den meisten wird sie einfach KL genannt. Allerlei Kulturen und Religionen sind vertreten, man sieht Minarette der Moscheen, chinesische Pagoden, indische Tempel und christliche Kirchtürme über die gesamte Stadt verteilt. Die Bevölkerung besteht aus 52 Prozent Chinesen, 39 Prozent Malaien und 6 Prozent Indern, hinzu kommen Araber, Sri Lanker, Europäer, Indonesier und Philippiner – ein bunter Kulturenmix… Das koloniale KL wird heute überragt vom KL des Technologiezeitalters. Moderne Türme aus Glas und Beton schiessen in die Höhe, durchsetzt von gepflegten kolonialen Bauten oder bröckelnden alten Strassenzügen – eine Mischung aus Ost und West.
Der Kern des in den 90er-Jahren erbaute Wirtschaftszentrum Kuala Lumpur City Centre, abgekürzt KLCC, bildet eine grosse, von Hochhäusern umringte Parkanlage, eine der grünen Lungen der Stadt. In der Sonne heben sich die Petronas Twin Towers glitzernd vom Himmel ab. Die silbernen Zwillingstürme sind das Wahrzeichen Kuala Lumpurs. Sie waren bei ihrer Fertigstellung 1996 mit 452 Metern das höchste Gebäude der Erde – das war einmal… Der Hochgeschwindigkeitsaufzug eilt himmelwärts. Im 41. und 42. Stock ist das Wolkenkratzerpaar durch eine Stahlbrücke miteinander verbunden. Von 170 Metern gucken wir hinab auf die sich wie ein Hochhausteppich ausbreitende Millionenstadt. Noch spektakulärer gestaltet sich der Blick von der Aussichtsplattform der 86. Etage, von wo uns auf schwindelerregenden 370 Metern eine fantastische Rundumsicht geboten wird.
Das lebendige Stadtviertel Bukit Bintang schläft kaum. Aus unserem Daheim gestolpert, stehen wir in einem Haufen von Restaurants und Shoppingzentren – ideal um unsere Einkaufsliste abzuarbeiten. Stundenlang irren wir durch schillernde Konsumtempel, legen frustrierende Kilometer zurück. In einer riesigen Mall wird nur Elektronik feilgeboten, doch die Läden sind klein und alle verkaufen fast dasselbe. Die Jagd nach einer neuen passenden Tastatur fürs iPad ist vergebens. Auch eine neue Brille finde ich nicht, der Geschmack der Asiaten deckt meinen kaum, und passt mir endlich eine vom Design her, ist sie zu breit und passt mir nicht ins Gesicht. Immerhin glückt Roland endlich die Suche seiner gewünschten Fotokamera. Nun hoffen wir, der Kauf zahlt sich aus und die Freude hält an, wenn wir die ersten Bilder betrachten…
In der Jalan Alor herrscht abends Hochbetrieb. Entlang der für den Durchgangsverkehr gesperrten Strasse reihen sich einfache Restaurants und Essensstände mit überwiegend chinesischen Spezialitäten aneinander. Gemütlich schlendern wir der verführerisch duftenden Fressgasse entlang, probieren hier und da verlockende Leckereien und beobachten gespannt das rege Treiben. Die meisten Menschen sind von asiatischen Gesichtszügen gezeichnet, für uns jeweils schwierig zu beurteilen, ob es sich um Einheimische oder Touristen handelt. Denn die grosse Mehrheit der Besucher kommt aus Asien…
Streifzug durch Chinatown. Wir tauchen ein in das alte chinesische Geschäftsviertel, wo es multikulturell zu und her geht. Ein farbenfrohes Nebeneinander der verschiedenen Religionen – Muslime stellen 46 Prozent der Stadtbevölkerung dar, Buddhisten 36 Prozent, Hindus 9 Prozent und Christen 6 Prozent… Der mit hinduistischen Gottheiten geschmückte Tempel liegt nur wenige Schritte vom chinesischen Guan Di Tempel entfernt. Im alten taoistischen Heiligtum hält soeben ein traditioneller Drachentanz Einzug, dem wir gebannt beiwohnen. Von kostümierten Männern an Stöcken geführt, fliegt der rosarote Drache gelenkig durch die Luft, begleitet von rhythmischen Trommelwirbeln und Gongschlägen. Im Gegensatz zur westlichen Mythologie wird der Drache in Asien als Glücksbringer mit übernatürlichen Kräften verehrt.
Ein wenig von der kolonialen Vergangenheit wird bei unserem Bummel durch das angrenzende historische Zentrum sichtbar. Den Merdeka Square, auf dem 1957 die Unabhängigkeit ausgerufen wurde, säumen reizende Kolonialhäuser, dahinter ragen moderne Bauten auf. Ein Blickfang ist das schmucke Sultan Abdul Samad Gebäude mit seinem über 40 Meter hohen Glockenturm, wo früher der oberste Gerichtshof tagte. Unweit davon glänzt das Dayabumi Hochhaus, ein 157 Meter hoher Wolkenkratzer mit 35 Stockwerken. Es ist eines der ersten modernen Gebäude von KL und mittlerweile über 40 Jahre alt. Auffallend viele Landesflaggen stechen uns ins Auge, sie tapezieren zahlreiche Bauten. Sind die Malaysier sehr patriotisch oder zeugen die Fahnen vom vergangenen Malaysia-Day? Schon wieder war Feiertag, und nicht zu verwechseln mit dem erst kürzlich über die Bühne gegangenen Nationalfeiertag am 31. August… Unser Weg wird ständig von Baustellen abgeschnitten, die unser Sightseeing beeinträchtigen. Auch der Zugang zur im orientalischen Stil erbauten Jamek-Moschee bleibt uns wegen Restauration leider verwehrt… “Halleluja, halleluja!” Auf unserem Heimweg erklingen zwischen Hochhäusern und schattenspendenden Bäumen vertraute Klänge. Ein Kreuz an der Wand – ein weiteres Gotteshaus im multikulturellen Mix.
Die folgenden Tage geniessen wir vorwiegend in unserem ruhig gelegenen Apartment. Es gibt einiges zu Erledigen und Recherchieren, auch die Fütterung vom Blog nimmt Zeit in Anspruch. Doch es macht uns Spass, die Tage verfliegen. Etwas Bewegung verschaffen wir uns im Fitnessbereich im 26. Stock oder eine Etage höher auf dem Dach, wo uns ein wunderschöner Poolbereich verwöhnt. Stilvoll gestaltet, von Palmen und Pflanzen umgeben, bereitet das Schwimmen doppeltes Vergnügen. Auch abends sind wir oft daheim, genehmigen uns in unserer persönlichen Skybar ein Bier und lassen an der Fensterfront die nächtlichen Lichter der Stadt auf uns wirken.
Den letzten Abend verbringen wir nicht hinter der Scheibe, sondern in luftiger Höhe, in der Heli Lounge Bar im 34. Stockwerk. Der Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach des Hochhauses wurde zu einer Bar umfunktioniert und zieht zum Sonnenuntergang zahlreiche Besucher an. Das Wetter hat heute leider eine bewölkte Miene aufgesetzt, doch die freie 360 Grad-Sicht ist trotzdem imposant. Die Petronas Twin Towers und der Fernsehturm sind zum Greifen nah. Genüsslich einen Cocktail schlürfend, bewundern wir das Wolkenkratzer-Panorama und lassen uns von den vereinzelt herabfallenden Regentropfen die Laune nicht verderben…
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