Pure Ruhe in den Tirasbergen
Glücklicherweise kommen wir gänzlich unbeschadet aus dem Sandsturm raus. Wir sind auf Kurs landeinwärts, fahren auf derselben Route zurück, wo wir gestern hergekommen sind. Es ist die einzige Strasse, die Lüderitz an das restliche Land anbindet. Das Landschaftsbild ändert sich – langsam weichen die grauen Sanddünen einer steinigen, gelblichen Wüste, bis schliesslich nach 120 Kilometern das von reizvoller Berglandschaft umrahmte Aus auftaucht. Unsere Idee, hier einen Zwischenstopp einzuschalten, müssen wir schnell begraben, denn der wundervoll gelegene Camping ist leider ausgebucht.
Schade, aber somit fahren wir eben bereits heute in die Tirasberge, die wir nach knapp zwei Stunden gemächlicher Fahrt auf der nordwärts führenden Schotterpiste erreichen. Die Gästefarm Tiras liegt am Rande des genannten Gebirges – leider sind auch hier die Campingplätze schon besetzt. Aber die aufgeschlossene Frau Koch weiss schnell Rat und bietet uns an, auf dem grossen Vorplatz des unbesetzten Gästehauses zu campieren und dessen Bad und Küche zu benutzen. Wir geben uns mit ihrer Ersatzlösung dankend zufrieden, blicken wir auch hier in die makellose, unverbaute Bergwelt.
Die Tirasberge sind zwischen dem Gebirgsabfall des Hochlandes und den roten Dünen der Namib-Wüste gelegen. Das Granitmassiv erhebt sich aus einer unendlich weiten Landschaft, die höchsten Berge sind knapp 1900 Meter hoch. Das ganze Gebiet ist Farmland. Die deutschstämmigen Bauern haben sich zusammengeschlossen und die Gegend zum Naturpark erklärt, wo sie nun Unterkünfte und Ausflüge im kleinen Rahmen anbieten. Diese Farmen bieten jeweils nur wenige Zimmer und Campingstellplätze an. Hoffentlich bleibt die Region noch lange ein Geheimtipp für Wanderlustige und Naturliebhaber. Aber nun trage ich selber nicht dazu bei, dass der Geheimtipp geheim bleibt…
So schnell kriegen uns die Tirasberge nicht los. Die Fahrt entlang der schroffen Gebirgszüge ist einsam, kaum ein anderes Vehikel ist auf Achse. Ein Schild weist den Weg nach Numis. Das Tor steht weit offen, aber eine Farm ist weit und breit nicht in Sicht. Wir fahren bis zum Fusse der Berge, wo sich ein einfacher Campingplatz mit Plumsklo und Feuerstelle befindet. Uns gefällt es auf Anhieb – wir bleiben. Aber wo bitteschön können wir dafür bezahlen? Gegen Abend taucht der flotte Farmer auf. „Eigentlich ist der Camping nicht in Betrieb, das Tor war heute nur zufällig offen, da es hier zu tun gibt“, enttäuscht er uns. „Ihr möchtet hier übernachten?“ Er drückt ein Auge zu. Bezahlen sollen wir morgen auf der zehn Kilometer weit entfernten Farm bei seiner Frau, die für die Finanzen zuständig sei. Am knisternden Feuer lassen wir den Tag ausklingen. Tausende Sterne leuchten hell vom pechschwarzen Nachthimmel.
Durch starke Verwitterung ist eine spektakuläre Berglandschaft mit erstaunlichen Felsskulpturen entstanden, die zum Klettern animieren. Kein Wanderweg ist markiert, aber Roland leitet uns geschickt über die grossen, rauen Felsbrocken, bis wir schliesslich nach knapp zwei Stunden auf einem Gipfel stehen. Der Ausblick von hier oben auf die weite Tiras-Fläche ist traumhaft – die Sandwellen der Namib, die in verschiedenen Farbtönen rot leuchten, verschmelzen mit dem Horizont.
Ulrike, die energische Farmersfrau, lädt uns auf ein kühles Erfrischungsgetränk ein. „Ihr habt nun also in Numis übernachtet – ein wunderschöner Fleck“, schwärmt auch sie. Erst vor drei Jahren ist sie von Deutschland nach Namibia gezogen, der Liebe wegen. Nun taucht auch ihr Mann Wilfried auf und verwickelt uns in einen Schwatz. „Das Land ist sehr trocken, wir warten sehnlichst auf Regen“, klagt er. „Wieviele Rinder leben auf eurer Farm“, fragt Roland interessiert. Wie aus der Pistole geschossen belehrt ihn Ulrike: „Das fragt man nicht, sowie man auch nicht nach dem Kontostand fragt.“ Wir möchten uns lediglich ein Bild der Dimensionen einer hiesigen Farm machen, denn selten sieht man Viecher weiden. „Die Farm ist 33’000 Hektaren gross. In der hier meist herrschenden Trockenheit benötigt ein Bauer im Vergleich zu Europa ein Vielfaches an Weideland, damit alle Rinder satt werden“, erklärt uns das ältere Farmerpaar stattdessen. Das leuchtet irgendwie ein…
Wir sind offen für weitere Tage in den Tirasbergen. „Meinem Sohn gehört die Farm Koiimasis, die liegt hier gleich um die Ecke“, schlägt uns Wilfried vor. Nach zwei Stunden Fahrt auf der staubigen Piste und einer 20 Kilometer langen, sandigen Zufahrtsstrasse, sind wir „gleich um die Ecke“ angekommen. Die vier Campingplätze sind lieblich angelegt und in die Natur integriert. Es gibt ein paar ausgeschilderte Wanderwege, was uns selbstverständlich losziehen lässt. Aber bereits um Sieben in der Früh verfügt die Sonne über viel Energie und lässt unsere Energie hingegen schnell schwinden. Der Weg übers Geröll führt steil in die Höhe, vorbei an hübschen Sukkulentengewächsen, die wie Kakteen anmuten. Der Gipfel spornt uns an und wir meistern die 300 Höhenmeter bald. Erneut offenbart sich uns eine atemberaubende Sicht auf die endlose Weite. Die Berge in der Ferne wirken wie aus dem Nebelmeer ragend.
Wir haben die Abgeschiedenheit und Ruhe der Tirasberge sehr genossen und die weite Landschaft mit den verwitterten Granitfelsen aus verschiedenen Blickwinkeln gewürdigt. Aber heute ziehen wir endgültig weiter. Auf der Fahrt zurück zur Hauptpiste winkt uns eine Herde Oryx zum Abschied. Wir halten an und beäugen die kräftigen Antilopen. Sogar ein paar Jungtiere vergnügen sich auf der spärlich mit Gras bewachsenen, sandigen Weide. Ein typisches Bild im südlichen, trockenen Namibia…
Ein beeindruckendes, wunderschönes Titelbildfoto und ein toller Reiseberich. Ja, etwas öde sehen die Fotos aus, aber was da trotzdem wächst und blüht sind schon kleine Wunder in dieser fast Wüstenlandschaft, da haben Kühe und Rinder etwas trockene Kost zum fressen, ob bei diesen
Landwirten wohl auch der Fett und Eiweißgehalt verrechnet und abgezogen wird?! Sonst beeindruckt mich diese Landschaft, diese Bilder, sie sind sehr schön und es ist sicher ein Erlebnis
von oben herab auf das blaue Meer zu blicken. Ich danke Euch für diesen Bericht und hoffe, dass es Euch Zuhause im grüneren Bereich ebenso wohl ist wie hier in den, aus den Ferien. Eduard
Baumgartner
Hallo Eduard
Ja, es ist unglaublich, wie die Rinder (zum Teil vom Simmental) in dieser Einöde überleben können. Die Kargheit von Namibia fasziniert uns. Es ist aber auch erstaunlich, wie sich diese Halbwüsten nach einem Regen in ein grünes Meer verwandeln.
Viele Grüsse
Roland und Christine