Regengüsse im Damaraland
Letzte Tropfen prasseln am Morgen auf unser Dachzelt, alles fühlt sich feucht an. Nach einem regenreichen Tag zieht die Front heute nun endlich weiter, und wir auch. Spitzkoppe lassen wir hinter uns und düsen in Richtung Norden, vorbei am Brandberg. Das Gebirge besitzt mit dem Königstein den höchsten Berg Namibias, dessen Gipfelhöhe 2574 Meter beträgt. Die flache Gegend ist nun einer Hügellandschaft mit roter Erde und grünen Büschen gewichen – wir sind im Damaraland.
In der Zeit der Apartheid war diese Gegend das Homeland für die Damara, eine namibische Bevölkerungsgruppe, die zu den frühesten Einwohnern des Landes zählt. Auch heute leben noch vorwiegend Damara in dieser ursprünglichen, dünn besiedelten Region. Das sesshafte Volk lebt in ärmlichen Verhältnissen von Gartenbau und Viehzucht. Immer wieder passieren wir kleine Dörfer mit Wellblechhütten. Die Landschaft dieses weitläufigen Landstriches ist sehr abwechslungsreich und ein herausragendes Merkmal sind die vielen Tafelberge.
Durch die Regengüsse der letzten Tage haben sich auf der Schotterstrasse unzählige Pfützen gebildet, die teilweise die gesamte Pistenbreite einnehmen. Immerhin ist der Wasserstand nicht tief und die Drecktümpel können problemlos durchfahren werden. Nur unsere Autos sehen danach dementsprechend aus… Khorixas, der Hauptort vom Damaraland, ist nicht mehr als ein kleines Kaff. Aber es gibt einen Supermarkt, wo wir unsere Lebensmittelvorräte aufstocken können. Vor und im Laden herrscht ein Gewusel, die Schlangen an der Kasse sind lang. Es möchten wohl alle noch Silvester-Einkäufe tätigen.
Mittlerweile ist es später Nachmittag und der Himmel rabenschwarz. Wir sind westwärts auf Kurs, als sich ein kurzer, aber umso heftiger Wolkenbruch über uns ergiesst. Die Piste führt an den Ugab-Terrassen liegenden Tafelbergen vorbei. Unser heutiges Ziel ist die Ugab Terrace Lodge, wo wir auf dem Campingplatz nächtigen. Abends gönnen wir uns ein Festmahl im weihnachtlich geschmückten Restaurant der Lodge. Bei einem Sundowner auf der Terrasse bewundern wir den stimmungsvollen Himmel, der sich bei Sonnenuntergang in ein kräftiges Orange verfärbt. Nach dem üppigen, aber köstlichen Mahl schaffen wir es nicht, bis Mitternacht durchzuhalten und schlafen somit ins neue Jahr.
Die Lodge thront auf einem Bergrücken und besticht mit einer imposanten Aussicht auf das weite Tal der Ugab-Terrassen und die Tafelberge. Der berühmte Vingerklip ragt 35 Meter über den Hügel, der ihren Fuss bildet, hinaus. Dieser schmale Finger ist alles, was die Erosion von einem Tafelberg übrig gelassen hat. Die Gegend beeindruckt uns sehr und wir beschliessen, eine weitere Nacht anzuhängen. Der kleine Campingplatz ist jedoch ausgebucht und die Besitzerin macht uns eine Übernachtung in einem der stilvollen Bungalows schmackhaft. Sie braucht keine grossen Überredungskünste, um uns von ihrem attraktiven Neujahrs-Deal zu überzeugen. Nach einer kurzen, schweisstreibenden Wanderung freuen wir uns auf das kühle Nass des Pools und einen gemütlichen Nachmittag auf der Veranda unserer Hütte mit dem umwerfenden Ausblick.
Wir haben es genossen, uns wieder einmal an einen gedeckten Tisch zu setzen und uns von Leckereien verwöhnen zu lassen. Auch eine Nacht in einem richtigen, breiten Bett war eine Wohltat, aber trotz allen Annehmlichkeiten frohlocken wir wieder mit dem einfachen Camperleben. Auf der asphaltierten Strasse zurück nach Khorixas kommen wir zügig voran, dies ändert jedoch schlagartig, als unsere Route in Richtung Westen auf Schotter weiterführt. Wir sind immer wieder gezwungen abzubremsen, denn die Regenfälle der letzten Tage haben auf der Strasse offensichtlich Auswaschungen hinterlassen. Durch die ansonsten trockenen Flussbette kann nach ergiebigen Niederschlägen Wasser fliessen.
Auf einem kurzen Zwischenstopp auf der Strecke besuchen wir den „Versteinerten Wald“. Teilweise vollständig erhaltene, versteinerte Baumstämme, deren Alter auf 280 Millionen Jahre geschätzt wird, liegen verstreut in der Gegend. Man meint, Holz zu sehen, aber greift man danach, fühlt es sich in der Mittagshitze heiss und hart, eben wie Stein an. Über die Herkunft gibt es verschiedene Theorien, wahrscheinlich wurden die urzeitlichen, bis zu 30 Meter langen Bäume eines Nadelwaldes, von einer Flutwelle angespült.
Twyfelfontein ist eines der bekannten Touristenziele. Den Besuch der grossen Open-Air-Kunstausstellung sparen wir uns für morgen auf – heute Nachmittag ist es schlichtweg zu heiss. Wir werfen uns in den Schatten, die Lebensgeister erwachen erst abends wieder, als die Sonne tiefer steht. Der Campingplatz beim Mount Mowani ist wunderschön am Fusse der Granitfelsen gelegen, die grossen Stellplätze zwischen riesigen runden Felsbällen eingebettet. Jeder Platz verfügt über ein eigenes Badezimmer und eine Spüle – das ist Camper-Luxus. Bei einem Braai lassen wir den schwülen Abend zu viert ausklingen. Lästige Fliegen schwirren uns um den Kopf, krabbeln in Ohren und Nase…
Wanderpfade führen zu den alten Steingravuren und Felsmalereien in den steinigen Hängen von Twyfelfontain. Die Begleitung eines lokalen Führers ist inzwischen gesetzlich vorgeschrieben, früher konnten die Felsbilder auf eigene Faust bestaunt werden. San oder Damara, die hier lebten, ritzten ihre Kunstwerke mit Quarzsteinen in den Sandstein. Die Motive sind nicht immer eindeutig, oft handelt es sich um wilde Tiere wie Elefanten, Nashörner und Löwen. Über das Alter streiten sich die Experten, Schätzungen liegen zwischen Hunderten und Tausenden von Jahren. Das Landschaftsbild ist perfekt inszeniert, die Felsen der umliegenden Berge leuchten in verschiedensten Farben – von schwarz über braun bis beige, von rot bis gelb.
Ganz in der Nähe faszinieren die Orgelpfeifen – bis zu fünf Meter hohe Basaltsäulen – in einer kleinen Schlucht. Diese Gesteinswunder sind im Zuge vulkanischer Aktivitäten vor über 100 Millionen Jahren entstanden. Etwa zur gleichen Zeit bildete sich auch der „Verbrannte Berg“, ein brandschwarzer Hügel, der in einer Steinlandschaft unterschiedlichster Farbnuancen aufragt. Verblüffend, was Wasser, Wind und die Zeit hier geschaffen hat.
Unsere Reise geht weiter. Die Piste nordwärts ist meist schlecht und wir scheppern über übles Wellblech. Die hügelige Gegend wirkt unberührt und besticht durch bizarre Berge und ein ständig wechselndes, eher karges Landschaftsbild, das manchmal wie eine Mondlandschaft anmutet. Der blaue Himmel weicht bedrohlichen Wolken, böenartige Windstösse wirbeln Staub durch die Luft. Kaum haben wir nach rund drei Stunden Holperfahrt Palmwag erreicht, beglückt uns ein heftiges Gewitter mit einer angenehmen Abkühlung.
Palmwag liegt in einem geschützten Naturpark, wo Elefanten, Spitzmaulnashörner, Giraffen und aller Arten von Antilopen beheimatet sind. Die Elefanten kommen manchmal bis ans Camp, man solle vorsichtig sein. Leider lassen sich aber keine der Dickhäuter blicken, deshalb machen wir uns auf die Pirsch. Auf gekennzeichneten Routen kann ein Teil des Naturparkes in Eigenregie mit einem Geländefahrzeug befahren werden. Die Wege sind schmal und steinig. Grüne Büsche verteilen sich in der rostbraun-schwarzen Steinwüste, die von Tafelbergen eingerahmt ist. Unsere Safari führt uns durch eine sagenhafte Landschaft, die Ausbeute ist jedoch enttäuschend… fünf Zebras, vier Oryx, drei Giraffen und ein Loch im Pneu! Einer der spitzen Steinbrocken hat unseren Hinterreifen durchbohrt. Ruckzuck montieren wir den Ersatzpneu. Die Sonne brennt, der Schweiss rinnt, aber die Fahrt geht weiter.
Es gibt im Camp glücklicherweise eine Autowerkstatt, die sich unserem löchrigen Pneu sofort annimmt. Ein Gummiwurm wird ins Loch gestopft, verklebt und alles ist wieder gut. Mit dem Fahrzeug von Pia und Felix sieht es leider weniger gut aus. Sie haben festgestellt, dass ein Stossdämpfer kaputt ist. Dieses Problem kann die kleine Garage leider nicht bewältigen. Zu allem Übel sind noch immer Weihnachtsferien und eine Reparatur ist auch in einer anderen Werkstatt frühestens in einer Woche möglich, vorher geht gar nichts. Wie weiter? Unsere Pläne, gemeinsam das entlegene Kaokoveld zu bereisen, fallen wohl ins Wasser…
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