Regenreiche Westküste – mit Sonne verwöhnt
Noch 100 Kilometer trennen uns von der Westküste, der feuchtesten Region Neuseelands, von sturzbachartigen Regenfällen tropischer Intensität geprägt… Von Murchison düsen wir dem Buller River entlang durch die gleichnamige Schlucht. Die meist kurvige Strasse ist streckenweise schmal und wurde an manchen Stellen in den Fels gehauen. Nach knapp zwei Stunden rollen wir an Westport vorbei. Über 400 Kilometer führt der Highway nun küstennah in Richtung Süden. Die aufgewühlte Tasman See nagt an der Küstenebene, die landeinwärts von Steilwänden eingeengt wird. Das Rückgrat der Südinsel bilden die Neuseeländischen Alpen, welche die Westküste zugleich bestimmen und isolieren. Der Küstenstreifen ist an keiner Stelle breiter wie 40 Kilometer und nur sehr dünn besiedelt – eine grüne wilde Landschaft.
Nach wenigen Fahrminuten treffen wir bereits auf einen imposanten Küstenabschnitt. Cape Foulwind verdankt seinen Namen Kapitän Cook, der hier im Jahre 1770 mit den Launen des Wetters zu kämpfen hatte… Etwas erhöht über einer grossen Bucht mit schwarzem Sandstrand duftet es verführerisch, ein gemütliches Café mit Terrasse lockt. Wir können der Versuchung nicht widerstehen – vor unserer geplanten Wanderung kommt uns eine süsse Kalorienbombe wie gerufen.
Mit vollen Bauch spazieren wir über hohe Klippen, die meist bis hinab zum weissen Sandstrand grün überwachsen sind. Gelb blühende Blumen setzen Farbakzente, der Ozean ein tosendes Schaumbad. Das perfekt inszenierte Landschaftsbild lässt unsere Herzen höher schlagen… „Eure Sprache verstehe ich nicht!“, dreht sich ein älterer Neuseeländer mit hochgezogenen Augenbrauen fragend zu uns um. Ein kurzer Wortwechsel nimmt seinen Lauf und der aufgeschlossene Herr will wissen, ob wir unsere Reise geniessen. „Bei diesem Sonnenschein auf jeden Fall“, schmunzle ich. Auch er ist vom heutigen Wetter begeistert und ich frage nach, wie der Sommer war. „Welcher Sommer?“, klagt er empört, „der hat heute gerade erst angefangen“. Unser Glück. Trotzdem bläst eine tückische Biese, ständig schälen wir uns aus einer Kleiderschicht, um diese Minuten später wieder überzustülpen.
Auf den ersten Blick spotten wir von der Aussichtsplattform keine Tiere, wir sind enttäuscht. Die hier angesiedelte Robbenkolonie scheint ausgezogen zu sein. Doch dann, beim genauen Hinsehen können wir gut getarnte „Würste“ auf den grauen Felsen weit unter uns ausmachen. Manche faulenzen in der glühenden Sonne, andere spielen vergnügt im kalten Wasser. Leider sind die Pelzrobben für unser blosses Auge fast zu weit entfernt… Fur Seals verfügen über zwei pelzige Schichten – eine innere zum Warmhalten, wie Thermowäsche, und eine äussere mit langen Haaren zum Schutz. Mit rasantem Tempo von bis zu 30 Stundenkilometern segeln sie auf maximal 250 Meter hinab und fischen in dunkler Tiefe bis zu zehn Minuten lang – beeindruckend.
Noch weiter gegen Süden, ins nahegelegene Charleston. Heute ein winziges Kaff, in den 1860er-Jahren eine boomende Goldstadt mit 18’000 Einwohnern, 80 Hotels, drei Brauereien und Hunderten durstigen, hoffnungsvollen Goldsuchern. Davon zeugt heute kaum etwas und für uns ist der Ort sowieso nur interessant wegen des Campingplatzes… Ein neuer Tag erwacht, wir auch. Und bald grinst auch die Sonne wieder von einem klaren Himmel. Unser nächster Zwischenhalt an der Westküste gilt dem Paparoa Nationalpark mit dem gleichnamigen 1500 Meter hoch aufragenden Gebirgszug. Auch der dazugehörige Küstenstreifen wartet mit fantastischen Felsformationen auf. Mit voller Wucht brechen gewaltige Wellen am Strand, die Flut hat ihren Höchststand bald erreicht. Ideale Bedingungen für den Besuch der Pancake Rocks…
Menschen wuseln herum, Fahrzeuge wohin das Auge reicht. Die Hauptattraktion des Nationalparks zieht massenhaft Touristen in ihren Bann. Die uralte Erosionslandschaft erinnert mit hohen Türmen verwittertem Kalkstein tatsächlich an aufeinander gestapelte Pfannkuchen. Die schwarzen Felsen, teilweise grün überwachsen, wurden im Verlaufe der Jahre von Wasser und Wind geschliffen und durch die starke Brandung ausgehöhlt. Bei Flut und hohem Wellengang werden grosse Wassermassen durch die riesigen Löcher gepresst, welche in hohen Fontänen grollend aus den sogenannten Blowholes schiesst. Das Donnern lässt uns und bestimmt auch die spektakulären Pancakes erzittern, erinnert lautstark daran, dass Mutter Natur hier der Boss ist.
Der weitere Streckenverlauf erfolgt meist unmittelbar der reizvollen Küste entlang, bis nach einer Stunde das Ortschild „Greymouth“ vor uns auftaucht. Es ist die grösste Stadt der Westküste, ihr wirtschaftliches Zentrum. Nördlich davon nehmen wir den kurzen Walkway zum Elizabeth Point unter die Wanderschuhe. Der schmale Pfad führt durch lauschigen Küstenwald mit Nikau-Palmen und Farnbäumen, über uns ein Dach an subtropischen Gewächsen. Saftig grün, Baumstämme sind oft mit feinen Blättchen überzogen. Vom Elizabeth Point gucken wir weit über die wild schäumende Tasmansee. Hier kreuzen manchmal Wale oder Delfine auf – lediglich weit entfernt entdecken wir eine einzige Robbe, aber immerhin.
Südlich von Greymouth breitet sich ein recht einsamer Küstenabschnitt aus. 40 Kilometer weiter, im nächsten Ort Hokitika blinken wir landeinwärts und lassen uns von unserer plaudernden Navi-Susi an den Lake Kaniere lotsen. Hier trifft das hügelige Hinterland auf Ausläufer der Neuseeländischen Alpen. Am Ostufer bestaunen wir die zauberhaften Dorothy Falls, deren herabstürzendes Wasser über moosige Felsen in ein grün schimmerndes Becken fällt – ein fabelhafter Fleck.
In der Hans Bay klammert sich ein einfacher DOC-Campingplatz an einen grasigen Hang, stellt ohne Duschen und Strom zwar kein Luxus, jedoch ein sagenhafter Ausblick über den See zur Verfügung. Wir freuen uns, einst wieder auf einen wunderbar in die Natur eingebetteten Übernachtungsspot gestossen zu sein… Darauf stossen wir an, gönnen uns ein Gläschen Wein. Mit Wonne geniessen wir die Abendsonne, die sich hinter dem See stimmungsvoll dem Horizont entgegen neigt. Nur eines trübt unsere Idylle, die nervigen Sandfliegen. Doch wenigstens hält unsere indonesische Mückenspirale das stechende Ungeziefer etwas fern.
Am kommenden Morgen dauert es eine Ewigkeit, bis die Sonne die hinter uns emporragenden Berge erzwungen hat. Bis dahin bleibt es im Schatten und in unserem Daheim bitterkalt. Wir fahren ein paar Meter bis ans Seeufer und frühstücken genüsslich direkt am klaren Gewässer. Wow, in der Ferne zeichnen sich sogar Schneegipfel vom blauen Himmel ab. Wir lassen uns Zeit und tanken Wärme. Geniessen den Vormittag, bis uns massenhaft Insekten plagen und zur Weiterfahrt drängen…
Zurück auf der Hauptverkehrsachse verläuft die Strecke im Landesinneren, schnurgerade Strecken wechseln sich mit geschwungenen Schleifen ab. Das Wetter ist in bester Laune, Blicke auf die hohen Alpen sind zu erhaschen. Pinkelpause an einem See. Das Wasser des Lake Ianthe ist kristallklar und zaubert makellose Spiegelungen auf seine glatte Oberfläche. Neuseelands Gewässer faszinieren uns immer wieder aufs Neue…
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