“Sesshaft” in Dubai
Wir sind im Landeanflug – unter uns das funkelnde Lichtermeer von Dubai. Wieder Boden unter den Füssen, umhüllt uns ein erfrischender Wind. Die Temperaturen liegen bei 25 Grad, eine Wohltat nach dem feuchtheissen Afrika. An den Einreiseschaltern geht es zügig voran, kein Ausfüllen eines Einreiseformulars ist nötig. “Holidays?”, fragt der Beamte kurz angebunden. Zackig drückt er einen Stempel in unsere Pässe. “Welcome”, sein zweites und letztes Wort. Und schon sind wir in der Vereinigten Arabischen Emirate eingereist – ohne jegliche Bürokratie.
Nach einem halben Jahr Linksverkehr holt uns das Fahren auf der rechten Strassenseite wieder ein. Auch schlechte Strassen oder Schotterpisten gehören der Vergangenheit an, hier braust der Verkehr auf vielspurigen Autobahnen durch die Stadt. Alles gewöhnungsbedürftig – zum Glück sitzt der Taxifahrer am Steuer. Aber auch er ist überfordert, findet unser Hotel nicht auf Anhieb. Zu unserem Erstaunen wird hier meistens nicht der eigentliche Strassennamen, sondern eine nächstgelegene grosse Strasse sowie ein markantes Bauwerk angegeben. Aber damit klarzukommen, scheinen nicht mal die Einheimischen. So drehen wir ein paar Extrarunden, bevor wir uns nach einem langen Reisetag endlich aufs Ohr legen können.
Warum Dubai? Ursprünglich war es nicht geplant, überhaupt nach Dubai zu kommen. Wir dachten lange, ein Teil unseres “Rückfluges”, Dar es Salaam – Istanbul, zu nutzen. Ein Rückflug haben wir lediglich gebucht, weil das Oneway Ticket teurer war. In Anbetracht der jetzigen Lage in der Türkei, verwarfen wir jedoch nach langem Hin und Her unsere ursprünglichen Pläne, von Istanbul auf dem Landweg in den Iran zu reisen. Diesen Entscheid bestärkten die neuen Einreisebestimmungen des Irans, die besagen, an gewissen Flughäfen ein Visum “on arrival” für 30 Tage zu erhalten. Ein günstiger Direktflug von Zanzibar nach Dubai und weiter in den Iran, brachte uns auf die Idee, in der Wüstenmetropole eine “Reisepause” einzuschalten…
Das Mankhool-Viertel im lebhaften, älteren Stadtteil Bur Dubai bietet viele preiswerte Apartmenthotels. Dies kommt uns gelegen – wir nisten uns häuslich in einer kleinen Wohnung ein. Nebst einem Schlafzimmer stehen uns eine Stube mit Essecke, eine Küche und eine Waschmaschine zur Verfügung. Wir freuen uns darauf, einen Kühlschrank zu füllen und für einmal selbst am Herd zu stehen, zumindest ich. Der Herr freut sich jedoch über meine Kochkünste und übernimmt jeweils den Abwasch – wie früher in der Heimat. Die Aussicht von unserem Apartment beschränkt sich zwar an die öde Fassade des nächsten Wohnblocks, aber dafür ist die Lage in einer Seitenstrasse erstaunlich ruhig. Wir fühlen uns hier wohl, ein Stück Alltag nimmt seinen Lauf, lässt uns fast vergessen, eigentlich in der weiten Welt unterwegs zu sein. Aber der Schritt vor die Haustüre in den Hotelgang erinnert uns schnell daran, in Dubai in einem Apartmenthotel abgestiegen zu sein.
Etwas heimisch sein tut gut und gibt uns die Möglichkeit, in aller Ruhe, das Reisekapitel Afrika abzuschliessen und uns auf die nächste Reiseetappe in Asien vorzubereiten. Auch stehen verschiedene Erledigungen an – Einkäufe tätigen, Laptop neu aufsetzen, Reiseblog aktualisieren, Mails schreiben, Skypen, Kleider waschen, Visum einholen – und uns ausserdem einigen Sehenswürdigkeiten zu widmen. Das ganze Touristen-Programm spulen wir jedoch nicht ab, da wir vor knapp sechs Jahren Dubai im Rahmen eines Stopover-Aufenthaltes bereits besuchten. Bestimmt fühlt sich deshalb alles bald vertraut an, was uns für einmal recht ist.
Der Zufall will es, dass sich Romina (mit ihr habe ich beim Globetrotter zusammengearbeitet) und Marco zur selben Zeit in Dubai aufhalten. Eine Verabredung kommt auch nur zustande, da sich Romina kurz zuvor eingehend in unseren Blog vertiefte, aber auch weil Roland ausnahmsweise unseren Aufenthalt in Dubai schon vorgängig in der Route erfasst hat. “Seid ihr in Dubai?”, erreichte uns kurzfristig ihre Mail, “wir fliegen morgen nach Dubai”. Zwei Tage später treffen wir uns somit mit zwei vertrauten Schweizergesichtern. Wir geniessen es sehr, nach einem halben Jahr wieder Zeit mit Freunden zu verbringen und uns auf Schweizerdeutsch auszutauschen…
Zusammen flanieren wir durch das alte Viertel Al Fahidi, welches einen Eindruck vom Dubai der Vergangenheit vermittelt. In den labyrinthartigen, engen Gassen des hübsch restaurierten Bezirks stehen noch etwa 50 historische Gebäude. Das Viertel wurde im frühen 20. Jahrhundert von Perlen- und Stoffhändlern aus Persien gegründet, die nach Dubai kamen, um von hier gewährten Steuervergünstigungen zu profitieren. In den niedrigen, sandfarbenen Häusern, deren Windtürme als natürliche Klimaanlagen fungieren, sind heute Museen, Kunstgalerien und Innenhofcafés untergebracht. In einem dieser lauschigen Restaurants gönnen wir uns eine Verschnaufpause.
Mit einer Abra gondeln wir auf die gegenüberliegende Seite des Creeks. Die Wasserstrasse im Herzen der Stadt ist eine langgezogene Bucht des Persischen Golfes. Das öffentliche, motorisierte Holzboot fährt erst los, sobald alle Plätze belegt sind, was jedoch heute Freitag, dem arabischen Sonntag, nur einen Augenblick dauert. Der Stadtteil Deira ist chaotisch und staubig, wird von Indern und Persern geprägt. Wir stürzen uns ins Gassengewirr des Souks. Im überdachten Markt legen sich die Händler ins Zeug und preisen aufdringlich Textilien, Schmuck, Haushaltsgegenstände und Wasserpfeifen an. Exotische Gewürze und Heilkräuter verströmen wohlriechende Düfte. An den Ufern des Creeks werden bunte Frachtboote mit Ware beladen, die für den Iran, den Sudan und andere Regionen bestimmt sind. Wieder zurück in Bur Dubai lassen wir den Abend in einem der vielen Restaurants direkt am Wasser bei einem arabischen Nachtessen gemütlich schnatternd ausklingen…
Die Vereinigten Arabischen Emirate sind sieben kleine unabhängige Staaten, einer davon Dubai. An der Spitze eines jeden Staates steht ein Scheich als absoluter Herrscher. Das gesamte Land ist von einem ungewöhnlichen Bevölkerungsaufbau geprägt, denn rund 80 % der Einwohner sind Arbeitsmigranten, die in der Hoffnung auf ein besseres Leben hierher gezogen sind. Die Zuwanderer stammen vorwiegend aus weiteren arabischen Ländern, Iran, Indien, Philippinen und Westeuropa. Somit präsentiert sich uns auf den Strassen Dubais ein bunter Mix und wir fallen in der multikulturellen Masse nicht auf – glauben wir zumindest.
Wir sind jedoch nicht stets auf Achse und verbringen viel Zeit in unseren temporären vier Wänden. Da wir uns in den letzten Monaten nicht sehr viel bewegt haben und der Sport etwas zu kurz kam, nutzen wir die hier vorhandenen Möglichkeiten. Roland stärkt seine Muskeln im Fitnesscenter, ich bevorzuge das grosse Schwimmbecken auf dem Dach. Schnell ist eine Woche um und wir möchten den Aufenthalt in unserer Bleibe verlängern, auch die kommenden zehn Tage noch hier verbringen. Die Rechnung, dass unser Hotel an gewissen Tagen ausgebucht sein könnte, haben wir nicht gemacht. Schade, nun sind wir erneut gezwungen, uns auf Wohnungssuche zu begeben. In der Nähe klappern wir preiswerte Apartmenthotels ab, entscheiden uns, und ziehen am nächsten Tag um. Eine Odyssee beginnt…
Tags zuvor wurde uns die wohl schönste, hellste Wohnung gezeigt, so dass wir nun negativ überrascht über die uns zur Auswahl gestellten Apartments sind. Was solls, wir geben uns vorerst zufrieden. Aber die erste Nacht wird zum reinsten Alptraum… Bereits um Mitternacht plagen Roland Dutzende juckende Stiche. Wir haben eine böse Vorahnung und entlarven auch ziemlich schnell ein erstes Biest – eine Bettwanze. Dick mit Blut vollgesogen wälzt sie sich auf unserem Leintuch. Das darf doch nicht wahr sein! An Schlaf ist nicht mehr zu denken. Um drei Uhr nachts wird es uns zu bunt. Nach sieben gezählten Bettwanzen und Blutflecken im Bett sucht Roland erzürnt die Rezeption auf, zeigt seine rot gefleckten Arme. “Bettwanzen?”, davon will der Hotelangestellte zwar noch nie gehört haben, vermittelt uns aber umgehend ein anderes Apartment. Wir sind aufgebracht und finden erst frühmorgens etwas Schlaf. Diese dunkle, schmutzige Bleibe wollen wir auf keinen Fall behalten und kämpfen am nächsten Morgen übernächtigt um eine freundlichere Wohnung. Stinkesauer verlangen wir auch eine “Entschädigungsreduktion” von 30 Prozent, die zu unserer Überraschung sogar ohne Widerrede gewährt wird. Auch haben wir es geschafft, endlich eines der Apartments zu ergattern, welches uns bei Besichtigung vor Augen geführt wurde. Weitere nächtliche Attacken von beissendem Ungeziefer bleiben jetzt zum Glück aus!
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