Sossusvlei – ein riesiger Sandkasten
Ein unplanmässig langer Fahrtag nimmt seinen Lauf. Auf der kaum befahrenen Schotterstrasse ziehen die Ausläufer der Tirasberge an uns vorbei, selten kommt uns ein anderes Gefährt in die Quere. Deshalb ist es auch nicht erstaunlich, dass der nächste, auf der Landkarte eingetragene Ort aus nicht mehr als einer Unterkunft, einer Tankstelle, einem kleinen Tante-Emma-Laden und einem Café besteht. Wir stocken unsere Vorräte auf – Grünzeug sowie gekühlte Waren fehlen aber im Sortiment. Dafür lächeln uns an der Theke die Tortenstücke an. Dazu genehmigen wir uns einen eiskalten Milch-Shake – eine Wohltat bei der sengenden Hitze.
Dutzende Oryx-Antilopen sprinten durch die Gegend. „Sind es wilde Tiere oder gibt es hier wohl eine Zucht?“, fragen wir uns gegenseitig. Bald erreichen wir die Drifters-Farm, die Roland einst auf seiner Gruppentour durchs Südliche Afrika kennengelernt hat. Auch auf seiner Reise durch Namibia im 2009 war er wieder dort und möchte nun unbedingt nochmals hin, um die schmucke Umgebung mit mir zu teilen. Aber leider kommt es anders, denn der Campingplatz ist heutzutage ausschliesslich Gruppentouren vorbehalten – der Manager macht leider keine Ausnahme.
So führen wir unsere Fahrt entlang der Namib-Wüste – die dem Land seinen Namen gab – in Richtung Norden weiter. Das eigentlich als übernächstes Ziel geplante Sesriem wird notgedrungen zu unserem heutigen Etappenziel ernannt. Erst waren wir total unschlüssig, ob wir zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt hinfahren sollen oder nicht. Es ist mittlerweile Hochsaison, da die Schulferien in Namibia und Südafrika angebrochen sind und die Einheimischen selber auch gerne reisen und campen. Da Sesriem eigentlich auf unserer Route liegt und später ein grosser Umweg bedeuten würde, fahren wir mit einem etwas unguten Gefühl trotzdem hin. Je näher wir dem Ziel kommen, desto mehr Autos. Von viel Verkehr kann natürlich immer noch nicht die Rede sein, aber immer wieder kreuzt uns nun ein Fahrzeug oder düst in einem Affentempo an uns vorbei. Wir finden uns dann in einer riesigen Staubwolke wieder, sehen für einen Moment kaum mehr, wo es langgeht.
Sesriem ist das Tor zum Sossusvlei, das zu den höchsten Dünen der Welt zählt – der Sand häuft sich bis zu 300 Meter an. Dieser riesige Sandkasten ist Teil des Namib-Naukluft Nationalparks, welcher mit einer Grösse von 50’000 Quadratkilometern grösser als die Schweiz ist. Das Naturschutzgebiet umfasst eine verblüffende Vielfalt von Landschaftsformen – von Bergen über Grasflächen bis hin zu einer Wüste mit den gigantischen Dünen.
Der einzige Campingplatz innerhalb des Nationalparkes ist verhältnismässig klein und oft ausgebucht. Deshalb stufen wir unsere Chance als gering ein, dort einen Stellplatz zu ergattern. Es ist bereits später Nachmittag, viele Leute tummeln sich um die Rezeption. Wie vermutet ist der Camping voll, aber es wird uns ein sogenannter „Overflow Campsite“, ohne Stromanschluss, angeboten. Wir sind happy, denn innerhalb des Nationalparkes zu wohnen ist in unseren Augen das einzig Wahre. Es birgt den Vorteil, morgens eine Stunde vor und abends eine Stunde nach den regulären Öffnungszeiten das Parktor passieren zu können. Dieses öffnet bei Sonnenaufgang (momentan 6 Uhr) und schliesst bei Sonnenuntergang (momentan 19.30 Uhr). Wir geniessen im namibischen Sommer also lange Tage, büssen es dafür oft mit einer mörderischen Hitze. Im Winter verabschiedet sich die Sonne schon um 17 Uhr, dafür ist es weniger heiss. Aber aufgepasst, nachts können dann die Temperaturen unter Null Grad fallen – jetzt erfreuen uns laue Abende.
Für den Sonnenuntergang fahren wir zur Düne 45, die sich nach exakt 45 Kilometern Fahrt vor uns auftürmt und sich zum Klettern gut eignet. Wir gehen dem Grat entlang und versuchen, den mächtigen Sandberg zu erklimmen. Durch den steilen Blickwinkel und die glatte Fläche rückt das „Oben“ nie näher, lese ich später im Reisehandbuch. Genau so fühlte es sich an… Der Aufstieg ist enorm kräftezerrend, stets ringe ich wieder um Luft. Ausgelaugt lassen wir uns irgendwann in den aufgehitzten Sand plumsen. Die glühende Sonne sinkt immer tiefer und wird schlussendlich von einer roten Düne verschluckt – fabelhaft. Am nächsten Tag realisieren wir, dass wir nicht die berühmte Düne 45 bestiegen haben, sondern fünf Kilometer zuvor einen „falschen“, noch viel höheren Sandhaufen erwischt haben. Aber egal, Düne ist Düne – wir taufen sie logischerweise Düne 40.
Am schönsten und von den Temperaturen am angenehmsten präsentieren sich die Dünenberge im weichen Licht der Morgendämmerung. Nur ungern reissen wir uns mit dem Wecker aus dem Schlaf, aber die Tagwache um vier Uhr zahlt sich aus. Pünktlich um Fünf stehen wir am Tor und düsen auf der asphaltierten Strasse 60 Kilometer durch die noch düstere Dünenlandschaft. Die letzten fünf Kilometer nach Sossusvlei führt eine tiefe Sandpiste, die nur mit einem Allrad befahren werden darf. Roland lenkt unser Camper geschickt durch den losen Sand und bewahrt uns vor dem Steckenbleiben. Pünktlich zum Sonnenaufgang stehen wir auf einer für hier charakteristischen Sterndüne, deren Dünenkämme von der Spitze aus wie Krakenarme in alle Himmelsrichtungen verlaufen. Das sanfte Licht der noch tief stehenden Sonne lässt den aprikosenfarbenen Sand aufleuchten – wir geniessen die stimmungsvolle Szenerie.
Noch ist es angenehm kühl. Wir stapfen durch den Sand und erklimmen eine höhere Düne, wo sich ein ausgezeichneter Blick auf das Deadvlei bietet. Ein Vlei ist übrigens eine Senke, in der sich nach Regenfällen Wasser sammelt. Zu unseren Füssen liegt nun eine riesige Salzpfanne mit vertrockneten Kameldornbäumen, deren Alter auf 500 bis 900 Jahre geschätzt wird. Hungrig verzehren wir bereits morgens um Neun unser Mittagspicknick. Schon bald brennt die Sonne gnadenlos auf unsere Köpfe. In grossen Sprüngen hüpfen wir die Sanddüne hinab und schlendern über die blendend weisse Ebene zurück.
Am Nachmittag ist die Hitze erbarmungslos – wir pendeln zwischen Swimming Pool und stickigem, dafür schattigen Restaurant. Als die Temperaturen gegen Abend etwas gnädiger werden, lassen wir uns eine letzte Dünenbesteigung nicht nehmen. Die etwas grün bewachsene Elimdüne liegt unmittelbar hinter dem Parkeingang und ist somit schnell erreicht. Ausgelaugt vom langen, anstrengenden Tag kraxeln wir Meter für Meter den Sandhügel hoch, um das Farbenspiel der unberührten Wüstenlandschaft bei Sonnenuntergang zu geniessen. Der kräftige Wind bläst immer wieder neue Wellenzeichnungen in den Sand und lässt unsere Haut sowie die Kleider richtiggehend panieren. Bald verschwindet die Sonne hinter einer Düne, und wir unter der Dusche…
Kommentare
Sossusvlei – ein riesiger Sandkasten — Keine Kommentare
HTML tags allowed in your comment: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>