Unterwegs in Zambia
Laurent, der französische Besitzer des Guesthouses, chauffiert uns morgens netterweise zum Busbahnhof. Nach fünf Tagen verlassen wir Livingstone, die erste Busfahrt dieser Reise steht auf dem Programm. Unser Ziel, den South Luangwa Nationalpark, nehmen wir etappenweise in Angriff, denn das Tierschutzreservat liegt rund 1200 Kilometer entfernt im Nordosten des Landes. Der erste Reiseabschnitt beträgt knapp 500 Kilometer und bringt uns bis nach Lusaka. Fast auf die Minute pünktlich legen wir los. Der Bus ist bequem und die Fahrt verläuft erstaunlich ruhig – ausser einem hinter uns summenden Kind ist es mucksmäuschenstill. Die vorbeiziehende Landschaft ist saftig grün, geprägt von vielen Maisfeldern. Nach einer angenehmen siebenstündigen Reise erreichen wir spätnachmittags die Hauptstadt des Landes.
Am Busterminal von Lusaka geht es chaotisch zu und her. Taxifahrer stürzen sich wie Geier auf unseren Bus, lassen die Passagiere kaum aussteigen und ihr Gepäck entgegennehmen. Dauernd reden sie auf uns ein. Nur weg von hier! Wir machen uns zu Fuss auf den Weg, denn so weit liegt das Backpacker nicht entfernt. Das Preisniveau in Zambia ist recht hoch und wir zahlen in der Nebensaison für ein schlichtes, etwas heruntergekommenes Zimmer umgerechnet 50 Franken. Die Preise sind mittlerweile doppelt oder dreifach so hoch wie im Reisehandbuch erwähnt. “Zambia ist kein Billigreiseland”, erklärt Kim von der Rezeption, “die Steuerabgaben belaufen sich auf 30 bis 40 Prozent, deshalb sind die Unterkünfte verhältnismässig teuer.”
Die Stadt ist weder eine Schönheit noch gibt es Sehenswürdigkeiten, dennoch verbringen wir hier einen Tag, um die Reise zu unterbrechen. Auf den Strassen herrscht reges Treiben. Im Zentrum gibt es nur wenige Wolkenkratzer, aber eine Menge Müll. Die Stadt hat zwei Gesichter, nebst dem afrikanischen, schmutzigen Gewusel glänzen moderne, saubere Shopping Malls. Wir könnten uns irgendwo auf der Welt befinden – Gegensätze pur.
Frühmorgens lassen wir uns von einem Taxi zum Busbahnhof chauffieren. Kaum ausgestiegen bedrängen uns zahlreiche Männer, wollen unser Gepäck tragen, uns zu einem der vielen Busse zerren. Es herrscht ein noch grösseres Chaos wie bei der Ankunft. Wir haben bereits am Vortag ein Ticket gekauft und möchten nun auch in jenem Bus landen, was sich alles andere als einfach gestaltet. Schlussendlich setzt man uns in einen eng bestuhlten Bus einer anderen Gesellschaft – es wird behauptet, der “richtige” Bus sei kaputt. Immerhin bestätigt eine Frau in der Reihe vor uns dieselbe Geschichte. Die Leute sind aber skeptisch, der Bus füllt sich nur langsam. Die geplante Abfahrtszeit ist längst überschritten, es tut sich rein gar nichts. Aus dem Bus beobachten wir das Geschehen, stellen erstaunt fest, dass auch Einheimische sofort von Schleppern beschlagnahmt und zum Ticketschalter gestossen werden. Ständig drängen Verkäufer durch den schmalen Gang des Busses, preisen lautstark alles nur Erdenkliche an – von Esswaren über Sonnenbrillen und Handys bis Parfums.
Stunden vergehen, unsere Geduld ist gefragt. Nur wenige Fahrgäste nehmen die Situation gelassen hin, viele scheinen auch genervt zu sein. Die geplante Abfahrtszeit ist längst überschritten. Statt um sieben Uhr bewegt sich unser Bus schlussendlich erst um halb elf vom Fleck. Mit dieser grossen Verspätung treten wir die fast 600 Kilometer lange Reise nach Chipata an, wo wir einen weiteren Zwischenhalt eingeplant haben. Ein Gläubiger ergattert das Mikrofon, predigt eine gefühlte Ewigkeit, gibt wohl seinen Segen. Halleluja – nun kann ja nichts mehr schiefgehen.
Musik dröhnt in voller Lautstärke aus den Boxen, zügig zieht die sattgrüne Gegend as uns vorbei. Immer wieder erreichen wir kleine Ortschaften, wo einfaches Landleben seinen Lauf nimmt. Im Bus ist es heiss und stickig, zwischenzeitlich hängt ein unangenehmer Duft verschiedenster Ausdünstungen in der Luft. Es ist bereits finster, als wir um sieben Uhr abends unser Etappenziel nahe der Grenze zu Malawi erreichen. Unser bevorzugtes Guesthouse liegt ein paar Kilometer ausserhalb, wir sind auf ein Taxi angewiesen. Alles geht schnell, schon sitzen wir in einem Auto. Nach einem unangenehmen Zwischenfall sind wir heilfroh, endlich die Unterkunft zu erreichen. Müde und ausgelaugt – eine lange afrikanische Busfahrt hinter uns. Abenteuer oder Tortur? Wir sind uns nicht ganz sicher…
Am nächsten Morgen lassen wir uns für die letzte Etappe der verbleibenden 100 Kilometer nach Mfuwe einen Fahrer vermitteln. “Lewis ist sehr zuverlässig und verlangt einen anständigen Preis”, verspricht die Dame vom Guesthouse. Kurz darauf ist der höfliche Fahrer zur Stelle und wir setzen uns mit einem guten Gefühl in sein Auto. Nach einer Stunde geraten wir in eine Polizeikontrolle. Lewis zeigt seine Papiere, etwas scheint nicht in Ordnung. Mit ernster Miene steigt der Uniformierte in unser Auto und lotst uns zum Polizeiposten. “In ein paar Minuten bin ich zurück”, meint Lewis. Wir warten draussen – aus Minuten werden Stunden.
Zwischendurch lässt sich Lewis einmal kurz blicken, bittet uns um 50 Kwacha, etwa fünf Franken. “Ich habe keine gültige Versicherung”, flüstert er beschämt. Danach sehen wir ihn lange nicht mehr. Wir werden ungeduldig, sind langsam genervt, möchten nicht erst abends an unserem Ziel ankommen. Endlich, er kommt raus, sagt aber nichts. Eine korpulente Polizistin steuert auf uns zu. “Gebt ihm doch endlich das Geld”, schnauzt sie uns unfreundlich entgegen. Wir verstehen nicht ganz. “450 Kwacha, dann könnt ihr weiter”, erläutert sie resolut. Unser Blick schweift zu Lewis, dieser schaut schuldbewusst zu Boden, sagt nichts. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als ihm das Geld zu geben – etwas mehr als uns die Taxifahrt gekostet hätte.
Knapp drei Stunden später können wir endlich weiter. Lewis, am Boden zerstört, entschuldigt sich bei uns. “Normalerweise geben sie sich mit 50 Kwacha zufrieden, aber nicht wenn Weisse im Auto sind”, meint er schulterzuckend. Sein ganzer Verdienst ist im Eimer. Er tut uns einerseits leid, andererseits hat er uns in eine unangenehme Situation gebracht. Die Versicherung koste für ein Jahr soviel, wie er heute bei der korrupten Polizei liegengelassen hat. Mehr erfahren wir von Lewis leider nicht und es bleibt für uns schwierig, die Situation einzuschätzen. Zu gerne würden wir mehr über seine Lebenslage und die gesamten Umstände erfahren…
Der Nachmittag ist schon weit fortgeschritten, als wir nach diesem Zwischenfall Mfuwe, das Tor zum South Luangwa Nationalpark, erreichen. Wir machen uns auf die Suche nach einer geeigneten Unterkunft, nehmen ein paar verschiedene Lodges unter die Lupe. Schlussendlich begeistern wir uns für einem herzigen Bungalow umittelbar am Fluss gelegen. Es ist bereits am Eindunkeln, als wir mit einem Bärenhunger unser neues Daheim für die nächsten Tage beziehen…
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