Victoria Falls – herabstürzende Wassermassen
Der Fahrer steht schon bereit – überpünktlich. Bei der Buchung des Transfers hat uns der lustige ältere Herr mehrmals ausdrücklich darauf hingewiesen, pünktlich um zehn Uhr bereit zu stehen. Wir verlassen Kasane. Der Grenzposten Kazangula ist nur wenige Kilometer im Osten gelegen. Ehe wir uns versehen, sind wir aus Botswana ausgereist. Auch die Einreise nach Zimbabwe gestaltet sich reibungslos, das Visum erhalten wir vor Ort. Die Grenzbeamten sind erstaunlich freundlich, zu einem Spass aufgelegt. Der eine der beiden spricht zu unserem Erstaunen sogar ein paar Brocken Deutsch, überrascht auch den Koreaner hinter uns mit einem “guten Tag” in dessen Muttersprache.
Immer wieder wirft unser Fahrer einen Blick auf die Uhr, drückt zünftig aufs Gaspedal. Ist er in Eile? Dementsprechend schnell liegen 70 Kilometer hinter uns und Victoria Falls ist erreicht. Er setzt uns beim gewünschten Hostel ab. Wir beziehen ein enges Doppelzimmer, welches jedoch das grösste und mit einem stolzen Preis von 60 US-Dollar – ohne Frühstück! – auch das teuerste ist. In Victoria Falls ist das Preisniveau sehr hoch, von Schweizerpreisen nicht mehr weit entfernt. Die verschiedenen Zimmer sind um einen kleinen, aber liebevoll gestalteten Garten angeordnet, auch ein Swimming Pool und verschiedene Sitzgelegenheiten stehen zur Verfügung. Trotzdem müssen wir uns erst an die neue Situation, die beschränkten Platzverhältnisse des Backpackers und das spartanische Schlafgemach gewöhnen.
Unsere Unterkunft liegt etwas ausserhalb. Gemütlich schlendern wir durch grüne Quartierstrassen, vorbei an eingezäunten oder hinter dicken Mauern liegenden stattlichen Häusern. Wir nähern uns dem Zentrum und schon schwirren aufdringliche Souvenirverkäufer aus allen Himmelsrichtungen auf uns zu, versuchen uns Kunsthandwerk aus Holz oder Schmuck aufzuschwatzen. Zeigen wir kein Interesse, zücken sie ein Bündel Geldscheine. Eine Billion Dollar – die Note steht als exklusives Souvenir im Angebot. Nachdem man immer wieder grosszügig Nullen gestrichen hat, wurde aufgrund der rasanten Inflationsrate des Zim-Dollars die Landeswährung vor ein paar Jahren abgeschafft. Seither wird in ganz Zimbabwe ausschliesslich der US-Dollar genutzt.
Victoria Falls verdankt seine Existenz dem Tourismus, deshalb liegt das Dorf auch gleich neben den berühmten gleichnamigen Wasserfällen. Man findet hier ein reiches Angebot an Unterkünften, Restaurants, Souvernirshops und Aktivitäten für den fetten Geldbeutel – Bootsfahrten, River Rafting, Bungee-Jumping, Helikopterflug und noch vieles mehr. Bald ist das kleine Zentrum, bestehend aus zwei Hauptstrassen, erkundet. Hungrig machen wir uns auf die Suche nach einem einladenden Restaurant, lassen uns im “Mama Africa” kulinarisch verwöhnen. Die lokale Spezialität erinnert an Voressen mit Polenta – es mundet, aber die exotische Duftnote fehlt.
Der wolkenlose Morgen verspricht einen sonnigen Tag, ideal für unser heutiges Tagesprogramm, den Besuch der Victoria Falls. Schon von weitem ist die aufsteigende Gischtwolke der Wasserfälle sichtbar. Ein Fussweg führt entlang der Schlucht zu verschiedenen Aussichtsplattformen, von wo wir die herabstürzenden Wassermassen des Zambezis bestaunen können – ein grossartiges Naturschauspiel. An einigen Stellen führt der Weg durch den Regenwald, wo die Gischt für eine üppig tropische Vegetation sorgt. Der feine Sprühnebel verschafft uns eine willkommene Abkühlung, an gewissen Stellen lässt uns die Gischt aber regelrecht im Regen stehen – wir werden triefend nass.
Der Zambezi entspringt im nördlichen Zambia und ist mit knapp 2700 Kilometern der viertlängste Fluss Afrikas. Der an dieser Stelle 1700 Meter breite Zambezi stürzt sich in eine 100 Meter tiefe Schlucht, die seinen Lauf kreuzt. Die Fälle sind somit doppelt so hoch wie die Niagara Falls in den USA. Rund eine Million Wasser fliesse pro Sekunde in die schmale Schlucht – eine Angabe, die unser Vorstellungsvermögen übersteigt. Wieviel Wasser der Zambezi in die Tiefe wirft, hängt letztendlich aber auch von der Jahreszeit ab – in den Monaten nach der Regenzeit, ab April, fliesst am meisten Wasser. Die Wassergüsse sind aber jetzt schon gigantisch und die Gischt nebelt die Fälle noch nicht vollständig ein, was bei Hochwasser der Fall sein kann.
Nachdem sich die prächtigen Wasserfälle in den breiten Einschnitt ergossen haben, nimmt der Zambezi in einer verengten Schlucht seinen weiteren Lauf. Eine 200 Meter lange Brücke führt darüber und verbindet Zimbabwe mit Zambia – der Fluss bildet die Grenze. Es ist möglich, den Grenzposten zu passieren, quasi vorübergehend aus Zimbabwe auszureisen, um auf die Brücke ins Niemandsland zu spazieren. Wir blicken über 100 Meter in die Tiefe – Mutige stürzen sich mit einem Bungee-Jump in den Abgrund. Von hier bietet sich ein weiterer Blickwinkel auf die eindrücklichen Wasserfälle. Nach einem langen Fussmarsch kehren wir müde ins Backpackers zurück und erholen uns im Tropengarten in der schaukelnden Hängematte. Wir haben unser neues Daheim – zumindest den lauschigen Garten – bereits liebgewonnen.
Auf ins nächste Land – unser Ziel ist Livingstone in Zambia. Ein erstes Taxi bringt uns bis zum Grenzposten in Zimbabwe, ein zweites über die Brücke bis zum Grenzposten in Zambia. Erst wird Fieber gemessen. Zum Glück sind wir gesund und dürfen zum nächsten Schalter weiterrücken. Die Dame stellt uns ein handschriftliches Visum aus, drückt uns einen Stempel in den Pass und weiter geht es mit einem dritten Taxi ins Zentrum von Livingstone. Dass hier 150’000 Menschen leben, kann man kaum glauben. Die Stadt versprüht keinen Grossstadt-Charakter, besteht vor allem aus einer langen, mit Geschäften gesäumten Hauptstrasse und ein paar Marktständen um den Busbahnhof. Das Flanieren ist angenehm, breite Gehsteige säumen die Strassen. Hier spielt sich zwar buntes, afrikanisches Leben ab, aber es herrscht weder Chaos noch Hektik. Die Stadt selbst ist nichts Besonderes und bietet wenig – DIE Sehenswürdigkeit sind die Victoria Falls.
Livingstone liegt gute zehn Kilometer von den Wasserfällen entfernt. Wir sind gespannt, wie sich das Naturwunder von der zambischen Seite präsentiert. Die Fälle donnern auch hier zwischen 70 bis 107 Meter senkrecht in die Tiefe und sind von einem dichten Vegetationsgürtel umgeben. Im Unterschied zur zimbabwischen Seite kommt man viel näher an die herabtosenden Wassermassen heran, da die Schlucht etwas schmaler ist. Umso mehr sprüht die Gischt bis zu den Aussichtspunkten – im Nu sind wir tropfnass. Ein leuchtender Regenbogen spannt sich malerisch über dem Wasser auf. Die Kulisse ist erneut beeindruckend, die Zambia-Seite gefällt uns sogar noch besser. Von hier lässt sich perfekt in die imposante Schlucht blicken und das Wasserspektakel aus verschiedenen Perspektiven geniessen. Wir sind überwältigt…
Unser Guesthouse liegt etwas abseits des Zentrums – eine Oase. Es ist ruhig, kaum andere Gäste sind da und somit haben wir den grünen Garten mit Swimming Pool und Liegen meist für uns allein. Wir nehmen uns ein paar Tage ohne touristisches Programm – Roland sortiert Fotos, ich schreibe Reiseberichte und wir hüpfen ab und zu ins kühle Nass. Wir möchten unseren Blog aktualisieren, was sich einmal mehr als nicht ganz einfach gestaltet. Unterkünfte und Restaurants werben zwar mit kostenlosem Wifi, aber entweder funktioniert es gar nicht oder nur zum Gähnen langsam. So beschliessen wir, uns auch hier eine lokale SIM-Karte zu kaufen und auf mobiles Internet umzusteigen, wie schon in Südafrika und Namibia.
“Your passport, please”, fordert der Angestellte im Fachgeschäft hartnäckig. Muss das sein? Ja es muss, eine Kopie reicht leider nicht. Wir kommen am nächsten Tag wieder, mit Pass. Eine gefühlte Ewigkeit verstreicht, bis wir endlich an die gewünschte SIM-Karte mit Guthaben rankommen. Die Bürokratie nimmt kein Ende. Vier Angestellte sind ins Geschäft verwickelt. Daten werden elektronisch erfasst, Formulare ausgefüllt und fotografiert, auch der Pass wird abgelichtet sowie auf Papier kopiert. Und dann heisst es warten, bis die Karte, die umgerechnet gerade mal 50 Rappen gekostet hat, aktiviert ist und wir diese mit Kwachas füttern können. Kwachas? Sprich Kwatschas – ist die Währung von Zambia. Wegen starker Inflationsrate werden tourismusrelevante Preise zwar oft auch in US-Dollar angegeben und kassiert, zu unserem Erstaunen spucken die Bancomaten jedoch nur Zambian Kwachas aus – eine Wissenschaft für sich.
Es ist feuchtheiss, der Schweiss rinnt. Für den Rückweg wählen wir eine der ländlichen Nebenstrassen, die einem das Gefühl vermitteln, bereits fern der Stadt zu sein. Ein Gewitter kündigt sich an. Die Sonne brennt noch vom Himmel, als dicke Tropfen herabprasseln. Eine Wohltat. Kurz zuvor haben wir uns darüber unterhalten, dass es glücklicherweise schon fast eine Woche nicht mehr geregnet hat, zumindest tagsüber. Trotz den nun aufgeweichten sandigen Strassen flanieren wir noch kurz über den grossen Markt, wo von Obst über Kleider bis Sofas alles zu haben ist. So schnell der Wolkenbruch eingesetzt hat, so schnell ist er auch wieder vorbei. Regenzeit – sofern sich diese in einem solchen Ausmass gestaltet, können wir gut damit leben…
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