“Welcome to Iran!“
Unter uns leuchtet das blaue Wasser des Persischen Golfes, welchen wir bald überflogen haben. Schon ist wieder Land in Sicht – wüstenhaft und gebirgig. Nur eine Flugstunde trennt Dubai von Shiraz, einer geschichtsträchtigen Stadt im Süden des Irans gelegen. Wir sind etwas angespannt, freuen uns jedoch, sind auch neugierig. Wie wird das Reisen in diesem uns noch völlig fremden Land? Wie fühlt es sich für mich als Frau an, in der Öffentlichkeit stets ein Kopftuch zu tragen? Wird bei der Einreise alles wie erhofft klappen? Gemäss den neuen Einreisebestimmungen erhalten wir bei Ankunft ein Visum für 30 Tage – wissen das die Beamten auch?
In den letzten Wochen sind von unseren Freunden ganz verschiedene Reaktionen auf unsere iranischen Reisepläne eingetroffen. Von positiven Bemerkungen: “Soll toll sein, habe nur Gutes gehört.” – “Iran muss wirklich eine Reise wert sein, alle kehren begeistert zurück.” Bis hin zu skeptischen Kommentaren: “Habt ihr euch das gut überlegt? Man hört nichts Angenehmes von dort.” – “In den Iran würde ich nie freiwillig gehen…” Die Medien vermitteln klar ein einseitiges Bild über das Land. Wir haben in vielen Reiseberichten und Reiseblogs geschmökert – alle Autoren sind durchwegs begeistert und schwärmen von einem überaus gastfreundlichen Iran. Nun machen wir uns selbst ein Bild und sind gespannt, was uns in den nächsten Wochen erwartet.
Bevor wir das Flugzeug verlassen, gilt es, das obligatorische Kopftuch anzulegen – ein komisches Gefühl. Binnen einer Stunde erhalten wir das gewünschte 30 Tage-Visum. Wir sind erleichtert, hat das ganze Prozedere reibungslos geklappt. Das Geldwechseln gestaltet sich schon etwas schwieriger, nirgends ist eine Wechselstube auszumachen. Wir werden an einen Coffee Shop verwiesen, offensichtlich existiert hier nur ein Schwarzmarkt. Der Kurs ist miserabel und wir wechseln vorerst nur wenig. Fast die Hälfte des Geldes, 20 Franken, investieren wir umgehend im selbigen Café, wohl sozusagen als Lehrgeld. Der bestellte Saft und der vermeintlich offerierte Kuchen kosten ein Vielfaches wie erwartet. Wir können es kaum glauben, wissen zu jenem Zeitpunkt auch nicht, ob wir übers Ohr gehauen wurden oder der Flughafen völlig überteuert ist. Später ist sonnenklar, das letzteres der Fall war…
“Welcome to Iran”, begrüsst uns einer der wartenden Taxifahrer – ein Satz, den wir in den kommenden Tagen oft zu Ohren bekommen. Der freundliche Herr findet unser gewünschtes Hotel in einem verwinkelten Altstadtviertel auf Anhieb. Wir haben Glück, überhaupt ein Zimmer in der beliebten traditionellen Unterkunft mit Innenhof zu ergattern – leider nur für eine Nacht. Das Hotel sei komplett ausgebucht, aber es gebe täglich Annullationen, wovon wir nun profitieren konnten. Wir können unseren Aufenthalt zwar stets verlängern, bewohnen aber schlussendlich während fünf Nächten drei verschiedene Zimmer, was sich etwas mühsam gestaltet. Auch haben wir noch weitere Hotels abgeklappert, aber kein verfügbares Zimmer gefunden. Es sei Hochsaison im Iran!
Shiraz liegt rund 1500 Meter hoch, tagsüber ist es zwar heiss, aber abends kühlt es angenehm ab. Die bekannte Shiraz-Traube gab der Stadt einst den Namen, aber seit der Islamischen Revolution 1979 ist die Herstellung von Wein verboten. Bevor wir auf eigene Faust die Altstadt erkunden, schliessen wir uns einem Halbtagesausflug ins 50 Kilometer entfernte Persepolis an. Die berühmte Palastanlage ist uralt, wurde etwa 500 Jahre vor Christus erbaut. Dementsprechend steht nicht mehr viel, doch die Ruinen sind beeindruckend. Das Areal ist riesig, mächtige Säulen und Skulpturen ragen auf, feine Reliefs zieren die noch erhaltenen Wände. Auch besuchen wir in der Nähe gelegene Felsengräber, welche in aufwändiger Arbeit verziert wurden. Wie es bei Gruppentouren oft der Fall ist, werden wir schnell durch die Sehenswürdigkeiten geschleust und viel Zeit verstreicht mit Warten. Nichts desto trotz, für unseren ersten Tag in der für uns noch neuen persischen Welt, genau das Richtige.
Die nächsten Tage widmen wir uns den Sehenswürdigkeiten der Stadt. Ein markantes Bauwerk ist die Stadtfestung von Shiraz, ein wuchtiger Ziegelbau. Nicht weit entfernt liegt der Eingang zum orientalischen Bazar, welcher mit schmucken Kuppeln architektonisch reizvoll ist. Wir wandeln zwischen duftenden Gewürzen, edlen Stoffen, bunten Kleidern und Perserteppichen. Der Höhepunkt sind die alten wundervollen Moscheen. Die persischen Gotteshäuser weisen in der Mitte einen rechteckigen Innenhof mit Wasserbecken auf, auf den Seiten sind die Gebetshallen angeordnet. Die Fassaden, Kuppeln sowie auch das Innere ist oft mit bemalten Keramikplatten oder Mosaiken tapeziert. Diese dekorativen Kacheln leuchten in verschiedenen Farbkompositionen – von dunkelblau über türkis, bis rosa und gelb. Am besten wirken die geometrischen oder blumigen Muster aus der Ferne – ein wundervoller Anblick.
Im Mausoleum von Shah Cheraq glänzt und glitzert es, ganze Hallen sind mit kleinen Mosaikteilen komplett verspiegelt. Die Stätte wird von Hunderten Pilgern besucht, die am Heiligengrab beten – eine ergreifende Szene. Eine junge gläubige Iranerin führt uns durch die verschiedenen Räume – Frauen und Männer getrennt. Für die Frauen ist es ein Muss, einen sogenannten Chador, einen Ganzkörperschleier, zu tragen, der am Eingang auszuleihen ist. Unsere engagierte Führerin hilft uns das riesige Tuch zwar fachgerecht umzulegen, aber im Verlaufe der Besichtigung verrutscht es uns stets und offenbart unsere Haarpracht oder veranlasst zum Stolpern.
Zum Glück ist die iranische Kleiderordnung im Alltag nicht ganz so streng. Chadors sind nicht vorgeschrieben, trotzdem tragen viele einheimische Frauen in der Öffentlichkeit das “schwarze Zelt”. Chador ins Deutsche übersetzt heisst Zelt, und so sieht der Umhang auch aus, zumindest bei einem Luftstoss. Obligatorisch hingegen ist ein Kopftuch, auch für Touristinnen. Ansonsten gilt es, sich lang und nicht körperbetont zu kleiden, ein weites Oberteil sollte weit über die Hüfte baumeln. Für mich ist diese Verkleidung gewöhnungsbedürftig und lässt mich in der Sommerwärme schmoren. Den Männern ergeht es etwas besser – lange Hosen besagt die einzige Vorschrift. Wir sind jedoch überrascht, wie verschieden und locker die vom islamischen Staat vorgeschriebene Kleiderordnung von den Iranerinnen interpretiert wird. Vor allem junge Frauen fallen auf, die enge Mäntel, anliegende Jeans oder das Kopftuch fast im Nacken tragen.
Ein kleines Café thront in unserem Hotel über den Dächern der Stadt und bietet einen Blick auf die umliegenden Berge. Abends im sanften Licht ist die Stimmung hinreissend. Wir begnügen uns mit einem Orangensaft – ein alkoholischer Sundowner ist im Iran nicht zu bekommen, zumindest nicht legal. Das Restaurant im Innenhof bietet iranische Gerichte, es wird traditionell auf Perserteppichen auf dem Boden gespeist. Die Küche beinhaltet vorwiegend Reis, Kebabs, Gemüsesaucen und Fladenbrot. Die Preise auf der Speisekarte sorgen bei uns einmal mehr für Verwirrung. Die Währung Rial wartet mit etlichen Nullen auf – drei Franken entspricht 100’000 Rial. Die Iraner streichen aber oft eine Null und sprechen dann von Tuman anstelle von Rial. Aber so genau weiss man nie, welche Einheit sie nun meinen. Manchmal kippen sie, wohl der Einfachheit halber, sogar vier Nullen weg. In unserem Hotel kursieren sogar diverse Speisekarten – einmal in Rial, einmal in Tuman und einmal ganz ohne Nullen, aber die Währungseinheit ist nirgends erwähnt. Für uns Anfänger ist das übel, können wir auch noch nicht abschätzen, was wieviel kostet. Und um alles noch komplizierter zu halten, kostet auf den verschiedenen Speisekarten ein und dasselbe Getränk nicht gleich viel. Meinen wir, endlich alles kapiert zu haben, lautet der Betrag auf der Rechnung noch einmal anders. Erstens kommen noch Steuern und eine Servicegebühr dazu, zweitens wird wohl je nach Lust und Laune auf- oder abgerundet. Willkommen im iranischen Gelddschungel…
Überfordert sind wir nicht nur mit dem Geld, auch sonst sind wir noch nicht ganz in der iranischen Welt angekommen, fühlen uns erschlagen. Macht sich vielleicht ein kleiner Kulturschock breit? Einerseits sind wir auch müde vom stetigen Packen und Umziehen in unserem Hotel, andererseits auch der vielen Touristen wegen geschockt. Wir hätten nicht damit gerechnet, hier auf soviele weitere Reisende zu treffen. Die Masse ist bunt gemischt – Europäer und Asiaten, jung und alt, Alleinreisende oder Gruppen… Oft sind wir auch mit Verständigungsproblemen konfrontiert. Unerwartet wenige Einheimische sind dem Englischen mächtig, sprechen entweder lediglich ein paar Brocken oder nur Farsi, die persische Sprache. Selbstverständlich haben wir nicht erwartet, dass uns alle verstehen, aber dass die wenigsten der Angestellten in unserer Touristenloge etwas Englisch können, erstaunt uns doch ziemlich.
Der Verkehr gestaltet sich chaotisch, unglaublich viele Autos zwängen sich durch die Strassen. Es gibt zwar Fussgängerstreifen, aber weder die Autofahrer noch die Fussgänger scheinen diese zu beachten. Jeder Verkehrsteilnehmer drängt, bahnt sich halsbrecherisch seinen eigenen Weg. Wer nicht drauf los läuft, bleibt ewig am Strassenrand stehen und sieht dem brausenden Verkehr zu… Oft ruft man uns aus fahrenden Autos entgegen: “Welcome to Iran!” Oder ein Fahrer hält am Strassenrand, lediglich um uns zu begrüssen: “Welcome – how are you?”. Unglaublich, denn wie erwähnt, wir sind nicht die einzigen Touristen hier!
Die Menschen begegnen uns nicht nur im Verkehr mit einer Freundlichkeit und Aufgeschlossenheit, sondern überall – wir sind überwältigt. Immer wieder fragt man uns im Vorbeigehen: “Hello – where are you from?” Meistens endet dann das kurze Gespräch zwar auch schon wieder, die Sprachbarriere lässt grüssen. Aber es gibt auch Leute, vor allem jüngere, die Englisch beherrschen und sich liebend gerne auf einen Austausch mit uns einlassen. Esan, ein sympathischer Kerl, spricht uns beim Bummel durch die Altstadt an, fragt ob wir Zeit haben, mit ihm einen Kaffee zu trinken. Aber sicher! Und so plaudern wir mit dem offenen Iraner über dies und das, erfahren mehr über das Land und sein Leben. “Was denkt ihr über den Iran?” Eine Frage, die uns nicht nur von Esan, sondern auf unserer weiteren Reise immer wieder gestellt wird…
Hi Christine, genauso eingehüllt wie Du hab ich vor Jahren auch ausgesehen, als ich durch den Iran reiste… Eure Bilder wecken schöne Erinnerungen!
Wünsche Euch weiterhin eine tolle Reise mit vielen positiven Eindrücken!
lg Adi
Liebe Adi
Schön von dir zu lesen – herzlichen Dank für deine Worte. Ja genau, eingehüllt fühle ich mich. Ist es kühl, ist es nicht so schlimm, aber ist es heiss, ist das Kopftuch schon unangenehm… Aber abgesehen davon, ist der Iran wundervoll, die Leute so herzlich.
Machs guet und ganz liebi Grüess
Christine & Roland