Wüstenmetropole der Superlative
Dubai ist facettenreich – obwohl das Stadtbild stark von der Moderne bestimmt wird, gibt es nebst der sterilen Hochglanz-City mit ihren Wolkenkratzern auch ältere Viertel wie Bur Dubai (hier wohnen wir) und Deira, wo ein arabischer Puls chaotisch schlägt. Diese zwei Gesichter der Wüstenmetropole haben uns bereits bei unserem ersten Besuch vor ein paar Jahren mehr fasziniert, wie die schillernde Stadt selbst. Der Bauwahn der Araber ist in unseren Augen schlichtweg verrückt – die künstlich geschaffene Welt der Superlativen zwar beeindruckend, aber eigentlich nicht ganz unser Ding.
Mit der fahrerlos geführten Metro, die meist überirdisch verläuft, düsen wir durch die riesige Stadt, die rund 2.5 Millionen Einwohner zählt. Das öffentliche Verkehrsmittel ist praktisch, um die langen Distanzen der verkehrsreichen Grossstadt schnell zu bewältigen. Die Shopping Malls sind meist mit langen klimatisierten Strassenüberführungen direkt mit den Haltestationen verbunden, so auch die Mall of the Emiates – unser heutiges Ziel. Diese beherbergt nebst unzähligen Läden, Kinos und Restaurants auch das bekannte Ski Dubai. Skifahren in der Hitze der Wüste? Unglaublich, aber Dubai machts möglich. Wir sind jedoch nicht etwa auf Winter-Entzug, sondern nur neugierig auf das verschneite Indoor-Wunderland. Ein Sessellift schwebt über einen „Ameisenhügel“, wo sogar verschiedene Pisten runterführen, auch Rodeln oder Schneeballschlachten sind möglich. Nur die Sonne zeigt sich nicht, es ist stets bedeckt – im wahrsten Sinne des Wortes…
Immer wieder rufe ich auf dem usbekischen Konsulat an, aber vergebens. Entweder nimmt niemand den Anruf entgegen oder es heisst, der Konsul sei nicht da. Vor einer Woche haben wir den Visumsantrag auf dem Konsulat abgegeben. Der freundliche Usbeke schwärmte uns von seinem Land vor und wies uns an, uns heute telefonisch nach dem Stand der Dinge zu erkundigen. Aber somit bleibt uns nichts anderes übrig, wie am nächsten Tag aufs Gratwohl auf dem Konsulat vorbeizuschauen. Obwohl viele Leute anstehen und warten, erhalten wir bereits eine halbe Stunde später unsere Pässe zurück, mit dem gewünschten Visum für Usbekistan – yuppee, wir sind erleichtert.
Zurück in unserem Apartment setzen wir uns auf den Balkon und stossen auf die geglückte Visaeinholung an. Unser alkoholfreies Biergetränk schmeckt zwar wie ein süsser Softdrink, aber wir zelebrieren unseren Sundowner trotzdem. In den meisten Supermärkten wird kein Alkohol verkauft und Touristen ist es auch nicht gestattet, sich in Spirituoseläden einzudecken, dies ist lediglich Migranten mit Alkohollizenz vorbehalten. Es ist aber möglich, in gewissen Bars, die in der Regel eines Luxushotels angeschlossen sind, alkoholische Getränke zu geniessen. Da den Muslimen nebst Alkohol auch der Konsum von Schweinefleisch untersagt ist, findet sich in den Läden oft nur Rind oder Huhn. In grösseren Supermärkten hingegen gibt es manchmal einen abgetrennten Bereich für schweinische Produkte. Mmmmhh, etwas Salami muss einfach sein. Und auch sonst lässt uns das grosse internationale Lebensmittelangebot das Wasser im Mund zusammenlaufen und wir gönnen uns so manche Leckerei.
Von unserem zweiten Apartment bietet sich sogar eine Aussicht auf die Weiten der Stadt und die glitzernde Skyline der Downtown, unter uns braust dichter Abendverkehr durch die Strassen. Aus allen Himmelsrichtungen dröhnt der Ruf der Muezzins scheppernd aus Lautsprechern, die Gläubigen werden lautstark an Allah und ihr abendliches Pflichtgebet erinnert. Wohin unser Blick auch schwenkt, Moscheen sind allgegenwärtig – ihre hohen Minarette ragen aus dem Häusermeer.
Um etwas mehr über den Islam zu erfahren, statten wir der Jumeirah Moschee einen Besuch ab. Es ist die einzige Moschee in Dubai, die für Nicht-Muslime zugänglich ist. Das Gotteshaus liegt rund vier Kilometer von unserem Daheim entfernt. Wir bewältigen die Strecke zu Fuss, obwohl sie fürs Auge wenig bietet. Aber die Stadt ist vielerorts fussgängerfreundlich gehalten und wir erachten den Marsch über die breiten Gehsteige als Fitnessprogramm. Leider ist es heute bewölkt, was sich zwar angenehm anfühlt, aber die kunstvoll gearbeitete Moschee nicht erstrahlen lässt…
In einer einstündigen Führung erfahren wir von einer traditionell in Schwarz verhüllten Dame eine Menge über die fremde Religion. Mit viel Humor bringt sie uns den islamischen Glauben ein Stück näher, Fragen jeder Art dürfen gestellt werden – wirklich spannend und lohnenswert. “Die Tafel mit den roten Leuchtziffern zeigt nicht etwa die Wechselkurse an”, schmunzelt die hübsche Frau, “sondern die aktuellen Gebetszeiten, welche je nach Sonnenstand um ein paar Minuten ändern”. Muslime sollten täglich fünfmal über den Tag verteilt in Richtung heiliges Mekka beten – das erste Mal im Morgengrauen, das letzte Mal in der Abenddämmerung. Man kann es weder vergessen, noch überhören, der arabische Sprechgesang drängt sich überall auf, sogar in der Shopping Mall. “Allahu akbar – Gott ist gross”, reissen uns die klagenden Klänge manchmal um vier in der Früh aus den Träumen…
Die grösste Shopping Mall ist die Dubai Mall, inmitten den Wolkenkratzern der glamourösen Downtown. Der moderne Konsumtempel bietet weit mehr als seine 1200 Läden, es ist ein Unterhaltungszentrum mit einem riesigen Aquarium, Kunsteisbahn, Achterbahnen und 150 Restaurants. Wir irren durch den glänzenden Komplex, auf der Suche nach einem Reisehandbuch für den Iran. Schwieriger gestaltet es sich, irantaugliche Kleidung für mich zu kaufen – lang, schlabbernd, zugeknöpft, und doch nicht nur ein Sack. Eine geeignete Robe zu finden, die alle Aspekte erfüllt, ist ermüdend, aber gelingt uns schlussendlich.
Mit dem Schritt aus dem stark heruntergekühlten Einkaufshaus ans Tageslicht schlagen uns mittlerweile Temperaturen von 35 Grad entgegen. Vor uns ragt ein futuristischer Wolkenkratzer auf – es ist das höchste Bauwerk der Welt. Stolze 828 Meter bohrt sich der raketenförmige Turm, der Burj Khalifa, in den Himmel. Das spitz zulaufende Gebäude verfügt über Aussichtsterrassen im 124. und 148. Stockwerk, die mit rasend schnellen Aufzügen erreicht werden. Wir sparen uns diesmal das Geld, beim letzten Besuch haben wir die phänomenale Aussicht bereits gewürdigt. Der Turm der Superlative hält viele Weltrekorde: höchstes Gebäude, die meisten Stockwerke, schnellste Aufzüge, höchstes Restaurant und überhaupt höchstes Ding, das die Menschheit je gebaut hat – noch! Denn ein höheres Bauwerk steht bei den Arabern bereits in Planung und in Dubai werden Pläne bekanntlich schnell umgesetzt. Beim Bau des Burj Khalifa waren angeblich 13’000 Arbeiter Tag und Nacht tätig, jede Etage wurde in nur drei Tagen fertiggestellt.
Die Sonne brennt, es ist drückend heiss. Wir kommen abends wieder. Vor der Kulisse des flimmernden Burj Khalifa spritzt in hohen Bögen Wasser graziös aus einem riesigen, künstlich angelegten See – die Dubai Fontain. Beleuchtete Wasserfontänen tanzen synchron zu den Klängen von klassischer oder arabischer Musik – eine Augenweide. Hunderte Touristen und Einheimische verschieben sich mit der Masse. Wir suchen uns einen freien Tisch in einem der Restaurants im Freien, mit Blick auf das gesamte Spektakel.
Heute haben wir mehr Glück. Gestern konnte die Fähre wegen angeblich elf Meter hohen Wellen nicht loslegen. Auch heute schwankt der Katamaran beträchtlich durch das aufgebrachte Meer. Zügig ziehen die unzähligen Hochhäuser der Downtown an uns vorbei, die elegante Silhouette des Burj Al Arab gerät in unser Blickfeld. Das luxuriöse Hotel mit der Form eines Segels ist Dubais bekanntes Wahrzeichen. Kurz darauf ragt die künstlich aufgeschüttete Palm Jumeirah, die berühmt berüchtigte Insel in Form einer Palme in den Persischen Golf hinein, wo zahlungskräftige Leute in Villen oder Hotels residieren. Das Schiff nimmt nun Kurs auf einen langen Kanal, wo uns auf beiden Seiten ein funkelnder Wolkenkratzer nach dem nächsten entgegen prunkt. Unzählige Jachten blitzen schaukelnd in der strahlenden Sonne. Wir sind geblendet von Dubai Marina, dem neuen Stadtviertel – schick und exklusiv. Mit einem Spaziergang entlang des Sandstrands, gesäumt von Läden und Cafés, lassen wir den Tag ausklingen.
Unsere Zeit in Dubai ist schnell vergangen, die Tage sind nur so verflogen. Es hat uns gut getan, eine sogenannte “Reisepause” einzuschalten, für einmal etwas länger an einem Ort sesshaft zu sein. 18 Tage haben wir im multikulturellen Arabien verbracht, wo wir uns weder als richtige Touristen gefühlt, noch eindeutig als Touristen aufgefallen sind. Dies wird sich schlagartig ändern, wenn wir am nächsten Reiseziel landen, dem Iran. Wir sind gespannt auf die persische, uns noch wildfremde Welt…
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